Vier Herzen in zehn Tagen: Chinas Organe „auf Abruf“ deuten auf Organraub hin
Chinesische Ärzte boten Sun Lingling vier Herzen an. Die 24-Jährige ist chinesische Staatsbürgerin und war neun Monate lang an eine Lebenserhaltungsmaschine angeschlossen.
Sun erkrankte in Japan an einer seltenen Autoimmunkrankheit, die zu irreversiblen Herzschäden führte. Mitte Juni flog ihr Ärzteteam sie mit einem Charterflug in das chinesische „Wuhan Union Hospital“.
Vier passende Herzen wurden gefunden – im Laufe von 10 Tagen. Nach einer zermürbenden siebenstündigen Operation erholte sie sich so weit, dass sie in der Lage war, selbstständig zu essen.
Berichte über Suns Überlebenskampf und ein Bild von ihr, wie sie lächelnd mit Victory-Zeichen auf ihrem Krankenhausbett posiert, erschienen auf den Titelseiten der großen chinesischen Zeitungen – mit dramatischen Schlagzeilen wie „Ein Rennen auf Leben und Tod“.
Die chinesische Botschaft in Japan bezeichnete die Operation als „legendär“ und pries sie als ein Zeichen chinesisch-japanischer Freundschaft und Zusammenarbeit.
Da sich Chinas System der freiwilligen Organspende im Anfangsstadium befindet, fragen sich Experten, wie das Krankenhaus die passenden Organe für Sun so schnell beschaffen konnte.
Dies ist eine zentrale Frage inmitten der Vorwürfe, dass das Regime die grausame Praxis der erzwungenen Organentnahme betreibt: Es werden politische Gefangene getötet, um ihre Organe für Profit zu verkaufen.
Vier Herzen auf Abruf?
Das erste passende Herz für Sun kam am 16. Juni aus Wuhan. Doch als die Ärzte das Herzkranzgefäß beurteilten, fanden sie den Zustand nicht dem Standard entsprechend und verwarfen [das Herz].
Drei Tage später fanden sie ein zweites Herz aus der nahe gelegenen Provinz Hunan. Allerdings hatte Sun hohes Fieber, wodurch die Operation erneut verschoben werden musste.
Am 25. Juni erhielt sie zwei weitere Angebote: eines von einer Frau in Wuhan und ein anderes von einem Mann in der südlichen Stadt Guangzhou. Die Ärzte entschieden sich für das letztere, weil es „bessere Herzfunktionen“ gehabt habe, hieß es in einem chinesischen Medienbericht.
Die Frage ist: Wer ist die Quelle für diese vier Herzen“, sagte Dr. Torsten Trey, Geschäftsführer des medizin-ethischen Interessenverbands „Ärzte gegen erzwungenen Organraub“ (Doctors Against Forced Organ Harvesting).
Normalerweise wartet man monatelang auf ein passendes Spenderorgan
Laut den neuesten Daten der US-Regierung von 2018, warten Patienten in den USA in der Regel etwa 6,9 Monate auf ein passendes Herz. Unter diesen Umständen könne es etwa zwei Jahre dauern, bis vier passende Herzen für dieselbe Person gefunden werden – also müsste es vier Personen geben, die ihre Organe nach ihrem Tod auf der Intensivstation oder nach tödlichen Unfällen spenden, so Trey.
Im Jahr 2020 gaben mehr als 156 Millionen Erwachsene in den USA – oder etwa die Hälfte der US-Bevölkerung – ihre Einwilligung zur Organspende. Dies tat in China – dem bevölkerungsreichsten Land der Welt – nur ein Bruchteil der Bevölkerung. Das geht auf den tief verwurzelten kulturellen Glauben zurück, dass der Körper nach dem Tod ganz bleiben soll.
Was Sun passiert war, „ist möglich, wenn auch ziemlich ungewöhnlich, selbst innerhalb eines gut funktionierenden freiwilligen Organspendesystems“, sagte Jacob Lavee, Professor für Chirurgie und Leiter der Abteilung für Herztransplantation an der Universität Tel Aviv in Israel. Doch im Zusammenhang mit China wecke „eine solche Ansammlung von Organspendern innerhalb weniger Tage […] großen Zweifel an der Natur dieser Spender“, meinte er.
Es „folgt eher einem System ‚auf Abruf'“, sagte Trey und nannte Suns Fall „jenseits jeglicher Erklärung“.
Doppelte Lungentransplantationen
Chinas Organtransplantations-System wurde in den letzten Jahren untersucht. Dabei kam ein unabhängiges Volkstribunal mit Sitz in London im Juni 2019 „nach vernünftigem Ermessen“ zu dem Ergebnis, dass das chinesische Regime politische Gefangene wegen ihrer Organe tötet.
Die Hauptquelle für Organe sind Praktizierende von Falun Gong, einer Meditationslehre zur Verbesserung von Geist und Körper, die seit zwei Jahrzehnten vom chinesischen Regime schwer verfolgt wird.
In dem 160 Seiten starken Bericht, der im März dieses Jahres veröffentlicht wurde, fand das Tribunal „keine Beweise dafür, dass die Praxis [des Organraubs] eingestellt wurde“. Das Fehlen einer internationalen Kontrolle habe es ermöglicht, „dass viele Menschen auf schreckliche und unnötige Weise gestorben sind“, hieß es im Bericht weiter.
Als das Virus in der ersten Jahreshälfte in China wütete, lief die chinesische Industrie der Organtransplantation so weiter wie bisher. Es gab keine „offensichtliche Verzögerungen bei den Wartezeiten auf ein Organ“, analysiert die gemeinnützige Weltorganisation zur Untersuchung der Verfolgung von Falun Gong (WOIPFG).
Eine Krankenschwester in der Region Guangxi sagte den Ermittlern, dass sie trotz der Angst vor einer Infektion „die Operation durchführen würden, wann immer es eine gibt“, nur dass „nicht so viel los ist wie in der Zeit vor der Pandemie“.
Seit Ende Februar wurden in China mindestens sechs doppelte Lungentransplantationen bei COVID-19-Patienten durchgeführt – davon mindestens zwei in Wuhan, wo die derzeitige Viruspandemie erstmals aufgetreten war und wo ein Hotspot der chinesischen Transplantationsindustrie ist. Chinesische Krankenhäuser gaben wenig Auskunft, woher die Organe stammen.
China ist offen für Geschäfte mit Organen
China-Analytiker Ethan Gutmann zufolge illustriert der Fall Sun die Problematik mit Chinas Transplantationsbranche. „Sehr wenig über die ‚Japan-Patientin‘ ist neu“, sagte er. Gutmann verfasste das Buch „The Slaughter: Massenmorde, Organraub und Chinas geheime Lösung für sein Dissidentenproblem“, das sich mit Chinas illegalem Organhandel befasst.
Ihm zufolge wurde genauso wie in Suns Fall der Erfolg der doppelten Lungentransplantationen in den chinesischen Medien sowohl in chinesischer als auch in englischer Sprache an prominenter Stelle gezeigt.
„Die Botschaft war klar: Wir haben die Organe. Es ist sicher. Kommen Sie her. China ist offen für Geschäfte“, schrieb Gutmann der Epoch Times in einer E-Mail.
„Bloody Harvest – Blutige Ernte“, ein weiteres Buch, das den Vorwurf der Zwangsentnahme von Organen in China untersucht, führt einen taiwanischen Organtouristen an. Er erhielt acht Nieren während seiner zwei getrennten Reisen nach Shanghai im Laufe von acht Monaten – bis die letzte von seinem Körper akzeptiert wurde.
Solche Praktiken deuten auf eine Transplantations-Industrie hin, die über einen großen Bestand, oder Stall, an politischen und religiösen Gefangenen verfügt, die bereits für eine Transplantation gewebetypisiert sind“, sagte Gutmann.
Im Juli wurde das japanische Fuji Television Network von Menschenrechtsverteidigern kritisiert, weil es einen Nachrichten-Clip über die Operation von Sun ausgestrahlt hatte.
SMG Network, eine japanische Interessenvertretung, die sich gegen den Transplantationstourismus einsetzt, schrieb an den Sender: Die Förderung der chinesischen Transplantations-Industrie mit ihrer dokumentierten Geschichte von Menschenrechtsverletzungen ist genau das Gleiche, wie „den Zuschauer in Gefahr zu bringen“.
Unstimmigkeiten bei den chinesischen Zahlen
China hat sein freiwilliges Spendersystem erst 2015 eingerichtet und versprach, nur noch Organe von ihm zu beziehen. Doch Experten bestreiten solche Behauptungen, indem sie auf die Unstimmigkeiten der Zahlen aus China verweisen.
Eine im November 2019 im BMC Medical Ethics veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, Chinas Organspendezahlen würden „fast genau einer mathematischen Formel“ entsprechen. Laut der Studie haben die Behörden die Daten wahrscheinlich gefälscht.
Eine weitere, im Februar in der medizinischen Fachzeitschrift BMJ veröffentlichte Studie stellte fest, dass 440 von 445 chinesischen medizinischen Fachzeitschriften nicht klargestellt hatten, ob Einzelpersonen ihre Einwilligung zur Spende ihrer Körperteile gegeben hätten.
Während einer kürzlich durchgeführten verdeckten Ermittlung durch die WOIPFG gab ein Militärarzt ebenfalls zu, dass sie „hochwertige“ Organe von jungen lebenden Menschen beschafften. Er bot den Ermittlern sogar die Möglichkeit an, die Quelle der Organe zu sehen, wenn sie dies wünschten.
„Solange Sie die Nerven haben“, sagte Li Guowei, ein Nierentransplantationschirurg an der Vierten Medizinischen Militäruniversität in der Provinz Shaanxi, in einem verdeckten Telefongespräch im Januar. „Ich kann Sie zum Bett bringen, damit Sie die Person sehen können […] Sie werden sehen, dass sie in ihren 20ern ist.“
Ein Ermittler der WOIPFG fragte dann in einem separaten Interview:
Sie benutzen Organe von Falun Gong [Praktizierenden], aber Sie können das nicht offen zugeben, und können nur sagen, dass diese in guter Qualität und ohne Krankheiten sind?“
Ja, so kann man es ausdrücken“, sagte Li.
Ermittler fordern: Zusammenarbeit mit China beenden
Die „kurzen, beispiellosen Wartezeiten“ bei den jüngsten Operationen zur Organtransplantation in China – wie die doppelte Lungentransplantation und die japanische Patientin – sollten in der internationalen Gemeinschaft Aufsehen erregen, die „die Verantwortung hat, unethische medizinische Praktiken abzulehnen“, sagte Trey.
„Falls China keine unabhängigen, unangekündigten Inspektionen zulässt, sollte sich die internationale Transplantationsgemeinschaft vom chinesischen Transplantationssystem trennen“, fügte er hinzu.
Das Original erschien in der englischen EPOCH TIMES (deutsche Bearbeitung von as)
Originalartikel: 4 Hearts in 10 Days: China’s ‘On Demand’ Organ Bank Raises Concerns of Forced Harvesting
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