Rennstrecken unter Tage in Hamburg
DORIS, PETRA, HERA und DESY sind wie viele Frauen auch: hoch qualifiziert und sie werden immer besser. Ihre Wirkungsstätten sind in der Unterwelt von Hamburgs Westen zu finden, wissen die Ansässigen zu erzählen. Diese Hamburger glauben nicht unbedingt an mystische Gestalten. Ihnen ist aber bekannt, dass schräg gegenüber der Trabrennbahn Bahrenfeld der Hamburger Sitz der Stiftung Deutsches Elektronen-Synchroton, kurz DESY, angesiedelt ist. DESY ist ein mit öffentlichen Mitteln finanziertes nationales Forschungszentrum und Mitglied der Hermann von Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Der zweite Standort von DESY ist das Institut für Hochenergiephysik in Zeuthen bei Berlin. Gegründet wurde die Stiftung am 18. Dezember 1959 in Hamburg und hier geht es darum, was passiert, wenn man kleinste Teilchen auf Trab bringt in Ringbeschleunigern (Synchrotonen).
Entstehung des Universums im Crashtest entschlüsseln
DESY ist auch der Name des ersten Teilchenbeschleunigers der Stiftung. DORIS, PETRA und HERA sind weitere Rennbahnen für Elementarteilchen. In ringförmigen Tunneln unter Wohnhäusern, Straßen, Gewerbe- und Grünflächen sausen Elektronen mit annähernder Lichtgeschwindigkeit um die Kurve, um dann mit ebenso schnellen Positronen oder Protonen zusammenzutreffen. Crashtests im Dienste der Teilchenphysik. Was passiert, wenn diese Teilchen mit hoher Energie zusammenstoßen, beobachten hochsensible, hausgroße Nachweisgeräte, sogenannte Detektoren. 2750 Wissenschaftler aus 33 Nationen nutzen die Anlagen, um immer genauer kleinste Materiestrukturen zu untersuchen und das Geheimnis der Entstehung des Universums zu entschlüsseln.
Materie und Antimaterie
DORIS ist der zweite Ringbeschleuniger und der erste Speicherring von DESY. In einem Speicherring werden die Teilchen, nachdem sie beschleunigt wurden durch Magnete auf der Umlaufbahn gehalten. Der Doppel-Ring-Speicher DORIS ist knapp 300 Meter lang und kam 1974 erstmals zum Einsatz. Bis 1992 wurden hier Kollisionsexperimente zwischen Elektronen und ihren Antiteilchen, den Positronen durchgeführt. Bei den Untersuchungen der unterschiedlichen Verhaltensweisen von Teilchen und Antiteilchen wurden zum Beispiel Rückschlüsse für die ungleichmäßige Verteilung von Materie und Antimaterie im Universum gezogen.
Die Synchrotronstrahlung von DORIS war ursprünglich ein Nebeneffekt der Untersuchungen, die zum Beispiel dem Nachweis schwerer Quarks dienten. Weiter ausgebaut wurde DORIS ab 1993 und als DORIS III ausschließlich als Quelle für Synchrotonstrahlung verwendet.
Weltweit beste Röntgen-Lichtquelle
Die Bezeichnung PETRA steht für Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage. Von 1978 bis 1986 diente PETRA der Untersuchung von Elektron-Positron-Zusammenstößen und was dabei Faszinierendes passiert.
1990 wurde PETRA abgeändert und unter dem Namen PETRA II als Vorbeschleuniger der Teilchen für HERA in Betrieb genommen. Zudem stehen drei Testmessplätze für Experimente mit intensiver Röntgenstrahlung zur Verfügung.
Mitte 2007 soll PETRA als PETRA III zur weltweit besten Speicherring-Röntgenstrahlungsquelle umgerüstet werden. Dazu werden 280 Meter des 2,3 Kilometer langen Speicherrings zu einer Experimentierhalle umgebaut, in der mehr als ein Dutzend Messplätze mit sogenannten Undulatoren ausgestattet werden. Damit können dann so viele Lichtteilchen (Photonen), wie sie bei DORIS auf mehrere Quadratzentimeter fließen, auf einen Quadratmillimeter gebündelt werden. Mit solch einem präzisen, höchst intensiven Lichtstrahl eröffnen sich Möglichkeiten für Untersuchungen allerhöchster Genauigkeit und haarfein detaillierte Ergebnisse. Forscher aus Physik, Chemie, Molekularbiologie, Umweltforschung und Materialwissenschaften werden davon profitieren.
Manche Geheimnisse über die menschlichen Gene werden ab 2009 mit großer Wahrscheinlichkeit in PETRA III ans Licht der Superlative gebracht. Die Struktur von Proteinen und deren Funktion im Organismus könnte hier ebenfalls bestimmt werden. Weiter soll die besondere Durchdringungskraft der energiereichen Photonen beispielsweise zum Aufspüren von Materialermüdungen oder zum Überprüfen von Schweißnähten genutzt werden. Auch zur Entwicklung besserer Materialien werden die Messergebnisse hilfreich sein.
Die Investitionskosten in Höhe von 225 Millionen Euro tragen zu 90 Prozent der Bund und zu 10 Prozent die Stadt Hamburg.
Ein Super-Elektronenmikroskop für Protonen
HERA steht für Hadron-Elektron-Ring-Anlage und ist der erste Protonenbeschleuniger der Welt. HERA’s Tunnel umfasst zwei ringförmige Teilchenbeschleuniger, misst 6,3 Kilometer im Format eines Eisenbahntunnels und ist damit Deutschlands größte Forschungsanlage. In einer Tiefe von 10 bis 25 Metern werden Elektronen und Hadronen, eine Protonen-Art, in den beiden Beschleunigern getrennt annähernd auf Lichtgeschwindigkeit gebracht und dann aufeinander geschossen. Beim Zusammenstoß wirkt das Elektron wie eine Sonde im Inneren des Protons.
Seit 1992 ist HERA in Betrieb. 2002 wurde die Anlage umgebaut, um eine größere Trefferquote der Teilchen-Zusammenstöße zu erzielen, und wird so bis Juli 2007 als HERA II mit ihren Ergebnissen die gegenwärtigen Erkenntnisse der Physik wahrscheinlich einerseits sowohl bestätigen als auch andererseits über den Haufen werfen.
Tempolimit im Teilchenbeschleuniger
Laut Albert Einstein kann nichts auf ein höheres Tempo als knapp unter der Lichtgeschwindigkeit gebracht werden. Diese Höchstgeschwindigkeit halten die Elektronen und Protonen weitgehend auch in DESY’s Synchrotonen ein. Wenn man sie weiter beschleunigt, werden sie kaum schneller, dafür erhöht sich aber ihre Energie. Je höher die Energie beim Zusammenstoß der Teilchen ist, desto tiefer ist der Einblick beim Beispiel von HERA in das Proton. Davon versprechen sich die Forscher unter anderem noch unentdeckte Teilchen und Kräfte aufzuspüren.
Die Dienstzeit eines Elektrons bei DESY beträgt 10 Stunden; in dieser Zeit legt es 1,7 Milliarden Runden im HERA-Tunnel zurück, das ist eine Strecke von 10,79 Milliarden Kilometern, mehr als genug, um zum Pluto und wieder zurück zu fliegen.
Kühle Hanseatin
Negative Elektronen kommen durch elektrische Felder auf Touren, in denen sie sich immer zum Pluspol hin bewegen. Die etwa 2.000 Mal schwereren Protonen benötigen starke Magnetfelder, wie sie mit Hilfe von Supraleitern erreicht werden. Für Supraleiter macht man sich den Umstand zu Nutze, dass der elektrische Widerstand der Metalle, die als Leiter für den Strom dienen, bei sehr niedrigen Temperaturen verschwindet, das heißt der Strom wird verlustfrei geleitet. Bei HERA arbeiten 650 supraleitende Magnete bei einer Temperatur von minus 269 Grad Celsius, 1 Grad mehr als im Weltraum. DESY baute dafür 1986 die damals größte Kälteanlage Europas.
Teilchen werden Filmstars
In der nächsten geplanten U-Bahn für Kleinsteilchen wird es nicht rund gehen sondern geradeaus. Die 3,4 Kilometer lange Anlage des europäischen Röntgenlaserprojekts XFEL wird von DESY in Hamburg bis in die schleswig-holsteinische Stadt Schenefeld reichen. Der Betrieb soll nach 6,5 Jahren Bauzeit im Jahre 2013 aufgenommen werden.
Mit extrem intensiven, ultrakurzen Röntgenlaserblitzen können Wissenschaftler dann mit atomarer Auflösung „filmen“, wie sich beispielsweise Werkstoffe oder Biomoleküle verhalten.
Die 2005 errechneten Gesamtbaukosten für die europäische XFEL-Anlage betragen 986 Millionen Euro, wovon Deutschland bis zu 60 Prozent trägt. Mindestens 40 Prozent werden von den europäischen Partnern eingeworben. Neben Deutschland haben 12 Länder das zwischenstaatliche Abkommen zum Bau und Betrieb des XFEL unterzeichnet: Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Polen, Russland, Schweden, Schweiz, Spanien, Ungarn und die Volksrepublik China. Die Zukunft hat schon begonnen.
Zitate von Albert Einstein 1879 – 1955 deutscher Physiker und Nobelpreisträger
Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.
Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.
Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.
Wer sich nicht mehr wundern und in Ehrfurcht verlieren kann, ist seelisch bereits tot.
Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen z.B. der Relativitätstheorie.
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