Peking bestreitet „politisches Gerücht“ über Carrie Lams Absetzung
Nachdem die Financial Times einen Bericht über Pekings Pläne zur Absetzung von Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam veröffentlicht hatte, bestreitet das chinesische Außenministerium die Pläne vehement und nannte sie „ein politisches Gerücht“.
Unterdessen weigerte sich die Regierung Hongkongs, öffentlich zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Dies nehmen viele Hongkonger als Grund zur Annahme, dass Peking tatsächlich plant, Lam abzulösen.
„Es ist bekannt, dass die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) Menschen fallenlässt, nachdem sie sie benutzt hat“, sagte der prodemokratische Abgeordnete Kwok Ka Ki in einem Facebook-Post. „Ich glaube, Carrie Lam weiß, dass dieser Tag kommen wird.“
Peking überprüft die politischen Kandidaten für Hongkongs höchsten Posten. Woraufhin ein Wahlausschuss – der sich aus meist pekingfreundlichen Eliten zusammensetzt – den nächsten Regierungschef bestimmt.
Nachrichtenbericht
Die Financial Times (FT) berichtete am 23. Oktober, dass Peking plant, Lam im März 2020 durch einen „vorläufigen“ Regierungschef zu ersetzen, der den Posten bis zur nächsten Wahl im Jahr 2022 übernehmen wird.
Die FT zitierte anonyme Insider und sagte, dass die potenziellen Ersatzkandidaten Norman Chan, Leiter der Hongkonger Währungsbehörde von 2009 bis 2019, und Henry Tang, Chefsekretär (eine zweite Führungsposition) von 2007 bis 2011 und Finanzminister von 2003 bis 2007 sind.
Sowohl Chan als auch Tang gelten als pekingfreundlich.
Lam sieht sich wachsendem politischen Druck gegenüber, nachdem sie versucht hatte, ein umstrittenes Auslieferungsgesetz durchzusetzen, das die größten Proteste in der Geschichte der Stadt auslöste.
Der Gesetzentwurf hätte es jedem Land, auch dem chinesischen Festland, ermöglicht, die Auslieferung von kriminellen Verdächtigen zu beantragen. Die Befürchtung der Hongkonger war es, dass dieses Gesetz es dem chinesischen Regime ermögliche hätte, seine Kritiker ungehindert zu verfolgen.
In der Zwischenzeit demonstrierten die Demonstranten weiter und fordern eine unabhängige Untersuchung der polizeilichen Gewaltanwendung während der Demonstrationen, das allgemeine Wahlrecht und die Entlastung aller verhafteten Demonstranten.
Im Juli berichteten mehrere Hongkonger Medien, dass Lam versuchte, ihren Rücktritt in Peking zu beantragen. Im September veröffentlichte Reuters eine durchgesickerte Audioaufnahme eines Geschäftstreffens, in dem Lam sagte: „Wenn ich die Wahl hätte, wäre es das Erste, zurückzutreten und mich aufrichtig zu entschuldigen.“
Jedoch bestritt sie damals, jemals ihren Rücktritt eingereicht oder ihn beantragt zu haben.
Leugnung
Am 23. Oktober antwortete Hua Chunying, die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, auf die Frage eines Reporters nach dem FT-Bericht:
Das ist ein politisches Gerücht mit Hintergedanken“, sagte Hua bei einer regelmäßigen Pressekonferenz. „Die Zentralregierung wird Lam und die Bemühungen ihrer Regierung, die Unruhen zu stoppen und die Ordnung wiederherzustellen, entschieden unterstützen.“
Auf der offiziellen Seite des Außenministeriums, auf der typischerweise ein vollständiges Protokoll des Pressegespräches veröffentlicht wird, wurden Huas Kommentare zu Lam jedoch nicht aufgeführt. Jedoch haben Pressereporter Videos von Hua’s Kommentaren online gestellt.
Hongkongs Medienvertreter kontaktierten das Büro der Regierungschefin für eine Stellungnahme. Deren Antwort: „Wir kommentieren keine spekulativen Berichte.“
Unterdessen postete die prodemokratische Abgeordnete Claudia Mo auf Facebook, dass sie das Büro gefragt hatte, ob der FT-Bericht auf „grundlosen“ Spekulationen basiere. Sie erhielt diese Antwort: „[Der Bericht sei] absolut unbegründet.“
Michael Tien, ein pekingfreundlicher Abgeordneter, sagte zu Bloomberg am 23. Oktober, dass er glaubte, dass der Bericht wahr sei: „Diese Sache [Lams Absetzung] in die Länge zu ziehen ist eigentlich schlecht für alle, für Hongkong, die Polizei. Jetzt müssen sie [Peking] also irgendwie handeln. Und ich habe gehört, dass es nächstes Jahr sein wird, wahrscheinlich im Februar oder März.“
Möglichkeit
Vor der Übertragung der Souveränität von Großbritannien auf China im Jahr 1997 haben beide Seiten eine Mini-Verfassung, das „Basic Law“ (Grundgesetz), ausgearbeitet, in der das chinesische Regime zugesichert hat, dass Hongkong in der Zukunft demokratische Wahlen durchführen kann.
Peking hat jedoch inzwischen die Möglichkeit des allgemeinen Wahlrechts ausgeschlossen und nur noch Wahlen zugelassen, bei denen die Kandidaten vorerst „überprüft“ werden.
Im Jahr 2005 trat der damalige Chef-Exekutivdirektor Tung Chee-hwa in seiner zweiten Amtszeit zurück, nachdem Hongkongers mehrere groß angelegte Proteste gegen eine Grundgesetzänderung unternommen hatte. Viele glaubten, das Gesetz würde die bürgerlichen Freiheiten einschränken. Peking ernannte dann den ranghöchsten Beamten der Stadt, Donald Tsang, zum Nachfolger von Tung. Danach war Tsang ab 2007 für die volle fünfjährige Amtszeit im Amt.
Chung Kim-wah, Professor für Sozialwissenschaften an der Polytechnischen Universität von Hongkong, sagte am 23. Oktober gegenüber Radio Free Asia (RFA), dass die aktuelle Situation in Hongkong anders sei, als die als Tung zurücktrat.
„Es ist einfach, Tung zu ersetzen .. denn damals hatte das Wahlkomitee nur sehr wenige pro-demokratische Mitglieder. Jetzt können die prodemokratischen Mitglieder des Wahlausschusses einen Kandidaten nominieren, und Peking kann [den Ausschuss] nicht vollständig kontrollieren“, sagte Chung.
Chung hielt es für möglich, dass Peking, einen Ersatz für Lam direkt benennen wird, wie auch damals bei Tung.
Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von rm)
Originalfassung: Beijing Denies Media Report of Plans to Replace Hong Kong Leader Carrie Lam
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