Mit Tradition gebrochen: Wichtige Pressekonferenz beim Volkskongress in China abgesagt

Immobilienkrise, Börsensturz, Deflation. Mit Spannung schauen ausländische Investoren auf den Nationalen Volkskongress in Peking, wie es mit der zweitgrößten Volkswirtschaft weitergeht. Statt Öffnungen deuten Zeichen jedoch auf noch mehr staatliche Kontrolle.
Titelbild
Der chinesische Premierminister Li Qiang beim jährlichen Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos am 16. Januar 2024.Foto: Fabrice Coffrini/AFP via Getty Images
Von 5. März 2024

China hat für den diesjährigen Nationalen Volkskongress in Peking überraschend ein dazu geplante Pressekonferenz abgesagt und damit mit einer langen Tradition gebrochen. Ministerpräsident Li Qiang werde das Treffen mit Journalisten zum Ende der einwöchigen Tagung nicht abhalten, sagte der Sprecher des Nationalen Volkskongresses, Lou Qinjian.

Die Pressekonferenz war in den Jahren zuvor stets eine seltene Gelegenheit, bei der der Regierungschef sich den Fragen von Reportern stellte. Die Absage ist offenbar keine Ausnahme. Laut Lou soll die Pressekonferenz auch in den kommenden Jahren nicht stattfinden, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. Allerdings sollen Journalisten zu anderen Gelegenheiten Möglichkeiten gegeben werden, Ministern und anderen Regierungsbeamten Fragen zu stellen, so der Sprecher weiter.

Die Tradition des Treffens mit der Presse lässt sich bis ins Jahr 1988 zurückverfolgen, als der damalige Ministerpräsident Li Peng nach den beiden Sitzungen zum ersten Mal an einer Pressekonferenz teilnahm, wie die staatlichen Medien berichten.

Obwohl das Pressebriefing im Jahr 1990 nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 gestrichen wurde, fand es ab dem Jahr 1993 regelmäßig statt und galt als Höhepunkt der jährlichen politischen Veranstaltungen.

Machtkämpfe

Für den in den USA ansässigen China-Kommentator Wang He ist der Schritt nicht weiter verwunderlich, da sich die politische Macht in den letzten Jahren immer mehr auf Staatschef Xi Jinping konzentriert habe.

Die Pressekonferenz des Ministerpräsidenten spiegele aus seiner Sicht ein empfindliches Gleichgewicht der Macht zwischen dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei und dem Ministerpräsidenten des Landes wider.

„Xi hat sich selbst zur zentralen Führungsperson gemacht“, sagte Wang der Epoch Times. „Indem er dem Ministerpräsidenten die Möglichkeit nahm, mit der Presse zu sprechen, wollte Xi verhindern, dass er ihm das Rampenlicht stiehlt.“

Hinzu komme, dass die Spitzenpolitiker des kommunistischen Regimes nur selten mit den Medien interagieren, so Wang weiter. Wenn der Ministerpräsident auf der jährlichen Pressekonferenz Journalisten direkt antwortet, bietet dies China-Beobachtern die Gelegenheit, den zweithöchsten Beamten des Landes aus nächster Nähe zu sehen.

„Jetzt wird Chinas Politik vollständig in eine Blackbox eintreten“, schrieb Cai Shenkun, ein unabhängiger Kommentator, in den sozialen Medien.

Fokus auf Wirtschaft

Die Sitzungen des Nationalen Volkskongresses beginnen am Dienstag, wobei alle Augen auf Chinas Pläne für die schwächelnde Wirtschaft gerichtet sind.

Die Immobilienkrise, eine sich verschärfende Deflation, Börseneinbrüche und die zunehmende Verschuldung lokaler Regierungen setzen die Führung des Regimes unter Druck. Insbesondere für internationale Investoren und dort tätige Unternehmen ist von daher die diesjährige Sitzung von großer Bedeutung.

Li Qiang, der auf dem letztjährigen Volkskongress zum Ministerpräsident ernannt wurde, legt am Dienstag seinen ersten „Arbeitsbericht“ vor, der auch Chinas Ziele für das Wirtschaftswachstum enthält.

Analysten gehen davon aus, dass er moderate Konjunkturpläne zur Stabilisierung des Wachstums vorstellen wird, aber keine kühnen Reformen zur Beseitigung tiefgreifender struktureller Probleme anstrebt.

Li könnte auch näher darauf eingehen, wie der Staat die „neuen Produktivkräfte“ nutzen will, ein Konzept, das Xi im September letzten Jahres zum ersten Mal erwähnte und mit dem er Schritte zur Förderung strategischer Industrien einschließlich Künstlicher Intelligenz beschrieb.

China gibt auch seinen Verteidigungshaushalt bekannt, der seit Xis Amtsantritt vor elf Jahren schneller gewachsen ist als das BIP. Peking steigerte seine Militärausgaben um 7,2 Prozent.

Trotz der Entlassung mehrerer Generäle im vergangenen Jahr, die für die militärische Beschaffung zuständig waren, wird für Xi nach Ansicht von Analysten die Aufstockung des Militärs von zentraler Bedeutung bleiben.

Ein weiterer Schwerpunkt des Treffens waren mögliche personelle Veränderungen. Einige Diplomaten erwarten, dass Peking einen neuen Außenminister ernennt, wenn der Nationale Volkskongress diese Woche zusammentritt. Liu Jianchao, Minister der Internationalen Abteilung des Zentralkomitees der KPC, wird als Nachfolger von Außenminister Wang Yi gehandelt.

Das Treffen der chinesischen Abgeordneten dauert in der Regel zehn Tage und ist Teil des größten politischen Ereignisses des Jahres. Der Nationale Volkskongress ist das nicht frei gewählte Parlament Chinas unter der Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei. Zwei Drittel der 3.000 Mitglieder des Nationalen Volkskongresses kommen von der Kommunistischen Partei. Alle Gesetze, die verabschiedet werden sollen, wurden von der Parteiführung bereits lange im Voraus beschlossen.

(Mit Material von The Epoch Times)



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