Laubbläser – mit Lärm auf Blätterjagd
„Das sieht ja aus wie eine Stadt im Wald!“ sagen manche Besucher, die über das viele Grün in Hamburg staunen. Neben den Grünanlagen spenden 245.000 Straßenbäume im Sommer Schatten und helfen mit, den Stadtlärm einzudämmen. Im Herbst wirkt selbst die einfachste Straße malerisch durch die bunte Belaubung ihrer Linden, Kastanien, Birken und Platanen. Doch wenn die Straßenbäume leise ihre bunten Kleider auf die Straßen legen, wird der Lärm für die Bewohner ohrenbetäubend.
12.000 Tonnen Laub werden allein von der Hamburger Stadtreinigung jährlich weggeräumt. Bis zu 460 Mitarbeiter mit rund 80 tragbaren Blasgeräten, elf Spezial-Container mit Saugrüsseln, 20 Sauggeräte als Anhänger, 23 große und 14 kleine Kehrmaschinen, 13 Gehwegkehrmaschinen und zwei Laubsauggebläse, die direkt am Müllfahrzeug angebracht werden, kommen zum Einsatz, um das Laub von rund 7.000 km Fahrbahnstrecke und etwa 3.000 Kilometer Gehwege hinweg zu fegen. Weitere 3.200 Kilometer Gehwege werden von den Anwohnern gereinigt. In den grünen Wohnsiedlungen mit Mehrfamilienhäusern rücken Hausmeister und beauftragte Landschaftsgärtner dafür an, stundenlang hinter jedem Blättlein herzujagen – meist nicht mit Besen und Harke sondern mit knatternden und stinkenden Laubbläsern. So verwandeln sie sonst ruhige Straßen und Grünanlagen in lärmende Baustellen mit ihren mit Benzinmotoren betriebenen Geräten.
Oh nein, nicht die schon wieder! Sie grüßen immer freundlich, aber wo sie auftauchen ist die ganze Straße genervt: Die Arbeiter mit Rasentrimmern, -mähern und Laubbläsern. Es scheint, als wären sie immer dann in der eigenen Straße, wenn man Überstunden abbummelnd einen Tag zu Hause bleibt. In Gegenden mit viel Grün um die Wohnblöcke arbeiten Hausmeister oder Gartenbaufirmen mehrere Tage hintereinander in der direkten Nachbarschaft – unüberhörbar.
Das geht auf die Ohren
„Wie laut ist das Gerät eigentlich?“ wird Christian, ein junger Arbeiter, der einen Zweitakter-Laubbläser auf dem Rücken trägt, gefragt. „103 Dezibel“ ist die Antwort. Der Geräuschpegel des Bläsers ist ähnlich dem von einer Motorsäge. Nach Angabe der Behörde für Umwelt drücken die Blasgeräte mit 100 bis 110 Dezibel aufs Gehör. Die Schmerzgrenze liegt nur 10 Dezibel höher.
„Unter dem Ohrenschutz ist das zwar immer noch laut, aber das ist halt der Job“, sagt der junge Landschaftsgärtner. Ab 85 Dezibel wird das Innenohr bei Dauerbelastung geschädigt. Sein Kollege arbeitet neben ihm mit einem Rasentrimmer und trägt keinen Ohrenschutz.
Und wie schwer ist so ein Laubbläser? Christian schultert die Maschine ab und lässt die neugierige Reporterin selbst das Gewicht schätzen: „Etwa 20 Kilogramm! Und das den ganzen Tag – welch harter Job!“ Der Arbeiter lächelt bescheiden. Wenn es nach den unfreiwilligen Zuhörern ginge, bräuchte er nur einen ein bis zwei Kilogramm leichten Besen oder eine Harke zu tragen – zumindest auf freier Fläche.
Keine saubere Sache
Sicher, unter Fahrzeugen und an schlecht zugänglichen Ecken sowie auf Kopfsteinpflaster mag Druckluft effizienter sein als Borsten. Doch wenn die fast ganztägige Beschallung sich über mehrere Tage erstreckt, kann der Krach schon an die Substanz gehen. Leider wird zudem nicht selten beklagt, dass Blätter und Dreck in Treppenhäuser, gegen die Wäsche auf der Terrasse und in Wohnungen gepustet werden.
Gesund ist es nicht, was die Geräte vor sich her pusten: Das Umweltbundesamt stellte 2002 fest, dass Darmbakterien durch Hunde- und Katzenkot unter den Blättern sowie Parasiten, Viren und Pilze in 30-facher Konzentration mit dem Staub in die Luft gewirbelt werden. Bei den Zweitaktmotor-Geräten sind die Schadstoffemissionen etwa hundertmal höher als diejenigen eines benzinbetriebenen Personenwagens mit geregeltem Katalysator.
„Das stinkt, als sei jemand mit einem Moped durch das Wohnzimmer gefahren.“
Aber „Zeit ist Geld“, scheinen sich nicht nur Gartenbauunternehmer sondern sogar private Grundstücksbesitzer zu denken, und setzen auf brüllende Maschinen. Doch „Hobbygärtner, Hausmeister und andere Anwender sollten diese Geräte grundsätzlich nicht verwenden“, meint Reinhard Fiedler von der Stadtreinigung Hamburg (SRH).
„Hobbygärtner, Hausmeister und andere Anwender sollten diese Geräte grundsätzlich nicht verwenden“
Das hat nicht nur Lärmschutzgründe: Kröten, Molche und Blindschleichen überwintern unter den Blättern. Und auch der Igel mit seinen Jungen hält sich im Laub auf. Am besten wäre es, die herab gefallenen Blätter einfach liegen zu lassen oder sie zwischen Büsche und Stauden zu legen.
Wenn aber kein Kraut, Blatt oder Ästlein auf den Straßenbaumwurzel verdorren kann, wie wird da der Nährstoffzyklus aufrechterhalten? Das fehle den Bäumen nicht, versichert Fiedler, eher würden die Stadtgewächse durch Hundekot noch überdüngt.
Keine Initiativen gegen lärmende Gartengeräte
In einem Verordnungsentwurf des Bundes zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Bekämpfung des Lärms von im Freien betriebenen Geräten und Maschinen war zunächst noch ein Betriebsverbot für Laubbläser und Laubsammler in Wohngebieten vorgesehen, „da diese im gleichen Umfeld nicht nur gelegentlich betrieben würden und eine erhebliche Lärmbelästigung darstellen“, heißt es in einer Meldung des Bundestages vom 1.2.2002.In der Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung vom 29. August 2002, die seither gültig ist, werden jedoch nur die Betriebszeiten für Laubbläser eingeschränkt: werktags von 09:00 Uhr bis 13:00 Uhr und 15:00 bis 17:00 Uhr; Ausnahmen sind möglich. Darauf verweist auch die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Es gibt zwar eine „Kennzeichnungspflicht bezüglich deren abgestrahlten Schallleistung“ lässt Gernot Pickert wissen, doch „Grenzwerte zur Schallleistung wurden bei dieser Geräteklasse nicht festgelegt.“ Initiativen für weitere Beschränkungen seien ihm nicht bekannt.
Sicherheit geht auch mit Rücksicht
Die Stadtreinigung betont: „Der Einsatz von tragbaren Laubblasgeräten durch die SRH dient der Verkehrssicherheit.“ Sind die braunen Blätter auf den Straßen erst nass geregnet, kann man darauf leicht ins Rutschen kommen.
Das weiß man auch in der Schweiz, doch scheint die Verantwortung für das Wohl der Bürger dort auch deren Nerven mit einzubeziehen. In Zürich wie auch in anderen Städten und Gemeinden tauscht man derzeit die alten Laubbläser gegen neue, leisere Geräte aus, reduziert teilweise den Bestand und schränkt die Betriebszeiten und Einsatzgebiete ein.
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