Kloster Geghard in Armenien: Heimat von Jesus‘ „Speer des Schicksals“
Sie wollten sicherstellen, dass der Erlöser nach seiner Kreuzigung auch wirklich tot ist. Deshalb sollen die Römer einen Kriegsknecht aufgefordert haben, einen Speer in die Seite Jesus‘ zu stechen. Im Johannesevangelium heißt es weiter, dass sofort Blut und Wasser aus der Wunde floss. Später erzählt die Bibel, wie Jesus begraben wurde und auf seiner Reise in den Himmel wieder auferstand – doch der Speer ging auf eine andere Reise.
Anstatt in Jerusalem zu verbleiben, soll Apostel Thaddäus die Waffe heimlich außer Landes und in das Hunderte Kilometer entfernte, heutige Armenien gebracht haben. Als geeignetes Versteck diente die heilige Quelle einer Höhle, die Menschen bereits in heidnischen Zeiten verehrten.
Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Höhle schließlich zu einem Kloster, dessen Bau der Heilige Gregor, Patron der Armenischen Apostolischen Kirche, in Auftrag gab. Für den Beginn des 4. Jahrhunderts ist zudem erstmals in Schriftquellen der Name des Ortes überliefert: „Ajrivank“ – armenisch für „Höhlenkloster“.
Islamische Eroberung des Klosters
Doch nur 500 Jahre später erreichten Gewalt und Krieg das armenische Höhlenkloster. Im Zuge der muslimischen Eroberung Südeuropas zerstörten die islamischen Kämpfer das fernab in einem Felsen liegende Ajrivank. Übrig geblieben sei neben Schutt und Asche auch der Speer, der heute als Reliquie gilt.
Nachdem sich die politische Situation weitgehend beruhigt hatte, wurde das Kloster im 13. Jahrhundert zusammen mit einer Reihe steinerner Kirchen neu aufgebaut und der heilige Speer erhielt hier erneut einen Platz. Etwa aus der gleichen Zeit stammt auch der neue und bis heute bekannte Ortsname „Geghard“ beziehungsweise „Geghardavank“, was auf armenisch so viel heißt wie „Kloster zur Heiligen Lanze“.
Noch heute können Touristen die kunstvoll gearbeiteten Gebäude inmitten des malerischen Tals des Flusses Azat, östlich von Armeniens Hauptstadt Eriwan besuchen. Während einige von ihnen frei stehende Steinbauten sind, sind andere teilweise oder vollständig in den Berg gehauen.
Allerdings befindet sich der Geghard-Speer inzwischen nicht mehr im Kloster, sondern im Schatzmuseum von Etchmiadzin, westlich der armenischen Hauptstadt. Ob es sich dabei allerdings wirklich um jenen Speer handelt, der Jesus verletzte, ist unklar. Sowohl die Lanze von Antiochia als auch die Heilige Lanze in der Schatzkammer von Wien werden ebenfalls als der Original-Speer gepriesen. Dennoch strömen unzählige Besucher nach Geghard, um seine reiche Geschichte und exquisite Architektur zu erkunden und Abenteuer zu erleben.
Geghard aus Stein gemeißelt
Auf dem Weg nach oben stehen Einheimische Schlange und verkaufen traditionelle Speisen und Snacks. Zu diesen gehören Kalbsbries sowie gebackene und in Traubenmelasse getränkte Walnuss-Stränge. Außerdem hört man die Klänge von Instrumenten, wenn Musiker für Kleingeld spielen.
Die Klosteranlage ist im Osten, Süden und teilweise im Westen von dicken Steinmauern und Türmen umgeben, während die Nordseite aus dem Felsen besteht. Um in das Kloster zu gelangen, müssen Besucher durch das große gewölbte Steintor im Westen treten.
Mittig in der Anlage erhebt sich die Hauptkirche, die Kirche selbst wirkt trotz ihres spitzen Turms im Vergleich zu ihrer mächtigen Vorhalle eher klein. Zudem ist sie teilweise in den Felsen eingelassen.
Die Vorhalle, auch Gawit genannt, erinnert mit ihrem quadratischen, massiven und ziemlich robust aussehenden Äußeren auf den ersten Blick an eine Schulturnhalle. Im Inneren überrascht der traditionelle kirchliche Versammlungsraum jedoch mit einer beeindruckenden Architektur.
So wird sie in der Mitte von vier massiven, frei stehenden Steinsäulen dominiert. Sie stützen das Steindach mit seiner zentralen Öffnung, durch die Licht einfällt. Dieser Stil der Kuppeldecke mit einem Sonnendach wiederholt sich in der gesamten Anlage und ist typisch armenisch.
In der erhellenden Halle empfingen die Christen einst vielleicht ihre Pilger, die sich auf den Weg machten, um den heiligen Speer zu sehen. Heute bestaunen meist Besucher die – nach wie vor mit Kerzen beleuchtete – Kirche.
Geheime Gänge
Doch auch die kleine, fast schon versteckte Kirche, auch Katoghike-Kapelle genannt, fasziniert mit ihrer Schönheit. Bereits der Eingang, das südliche Portal, besticht mit seinem kunstvollen Dekor. Der bogenförmige Bereich über der Tür wird von Granatapfelbäumen und zwei Tauben geziert. Blumen- und Tiermotive sind hier keine Seltenheit und finden sich überall.
Der Grundriss der Kirche ist in Form eines gleicharmigen Kreuzes angelegt. Im Inneren trägt der heilige Raum Halbsäulen und Fenster in der runden Steinkuppel, durch die das Sonnenlicht einfällt. Im östlichen Kreuzgang liegt die Apsis mit ihrem Altar, während die westliche Tür zur Vorhalle führt. Eine weitere Besonderheit liegt hinter der Tür des nördlichen Ganges versteckt, denn diese führt direkt in den Bauch des Berges hinein.
Ebenso im Felsen verborgen und von außen nicht sichtbar, liegen die vielleicht beeindruckendsten Teile des Klosters. Hier gibt es mehrere kleinere Kirchen mit ähnlichen Kuppeln, die zeigen, dass armenische Handwerker auch großartige Bauwerke im Felsen schaffen konnten.
Eine von ihnen liegt an der Nordseite des Gawits und besitzt zahlreiche in Stein gehauene Ornamente. Wie viele andere kleine Gebäude in Geghard hat auch diese behauene Kirche keine frei stehenden Säulen, sondern lediglich Halbsäulen an den Wänden.
Doch besonders, wenn Besucher in ihr Inneres vordringen, merken diese, dass ihr hohes Alter bereits seinen Tribut gefordert hat. So haben Erdbeben einige Risse in den Bauwerken hinterlassen sowie Teile oder ganze Bereiche einstürzen lassen, wobei kulturell wertvolle Ornamente teilweise gerettet werden konnten.
Letzte Ruhestätte in Geghard
Die mit Abstand größten Ornamente sind jedoch in der nördlich anschließenden Proschjan-Gruft zu finden, dem Höhepunkt jeder Geghard-Besichtigung. Diese liegt ebenfalls vollständig im Felsen verborgen und beherbergt unter anderem die Gräber armenischer Prinzen. Im Inneren ist sie mit vier vollständigen und acht halben, wundervoll verzierten Säulen geschmückt. Viel berührender und unwirklicher soll jedoch die Akustik des Raumes sein: So heißt es, dass der Gesang eines einsamen Mönchs dort wie ein Chor erklingt.
Beim anschließenden Abstieg können sich die Touristen dann dem Berg selbst zuwenden. Bei einem Blick nach oben offenbart dieser zahlreiche Steintafeln mit Kruzifixen, die in regelmäßigen Abständen den ganzen Felsen säumen. Es handelt sich dabei um in die Felswand eingelassene Gedenksterne – kunstvoll geschnitzte Kultgegenstände – die Chatschkar genannt werden. Das Schnitzen von Chatschkars ist seit Langem eine armenische Tradition und brachte bislang mehr als 50.000 Exemplare hervor.
Für manche Besucher mag das Kloster ebenso ewig und wie ein standhafter Felsen sein, wie Jesus, der Erlöser.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „This Monastery Carved Out of Stone Cliff in 4th Century Held the ‚Holy Spear‘ That Stabbed Jesus“ (redaktionelle Bearbeitung kms)
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