Intellektuelle aus China erheben das Wort für Tibet
Letzten Meldungen von BBC und The Mail zufolge wurden Hunderte junger Tibeter festgenommen und ins Gefängnis geworfen, um im Vorfeld zu den Olympischen Spielen weitere Proteste zu verhindern. Augenzeugen in Lhasa sagten, dass die Straßen der Stadt nach dem Einsatz von Truppen nun völlig verlassen seien. Paramilitärische Kräfte nähmen Hausdurchsuchungen vor und führten ihnen verdächtige Tibeter ab, selbst wenn diese nicht an den Protesten der vergangenen Tage beteiligt gewesen wären. Jeder, der Widerstand leiste, würde auf der Stelle erschossen.
Nachdem alle ausländischen Journalisten und fast alle anderen Ausländer ausgewiesen wurden, hat sich die Situation in Lhasa verschärft, Faktisch herrscht Kriegsrecht. Die Zahl der Festgenommenen liegt weit über der offiziell genannten Zahl von 105. Ein Zeuge aus Lhasa sagte dem BBC: „Die Soldaten gehen von Tür zu Tür und nehmen jeden fest, den sie für einen potentiellen Protestierenden halten. Leute, die sich widersetzten, wurden erschossen. Hunderte, vielleicht gar Tausende von Menschen in Lhasa wurden festgenommen, Soldaten und Polizei sind überall und sie scheinen die Menschen willkürlich von der Straße aufzugreifen, besonders junge Tibeter“.
Militärfahrzeuge und Eliteeinheiten wurden auch in die tibetischen Gebiete in Gansu, Sichuan und Qinghai entsandt. Dessen ungeachtet gehen die Proteste an vielen Orten weiter.
Trotz der blutigen Vorgänge in Tibet geht das olympische Feuer seinen Gang. Ein paar kleine Störungen auf der Eröffnungszeremonie in Olympia wurden dem chinesischen Volk in China durch technische Tricks vorenthalten. Die Rede des chinesischen Olympiachefs und Politbüromitglieds Liu Qi konnte in ganz China gehört werden.
In der ganzen Welt mehren sich die Stimmen, Olympia in Peking zu boykottieren. Nun haben auch in China selbst trotz der zunehmenden Härte des Regimes in seinem Vorgehen gegen Dissidenten 30 chinesische Schriftsteller den Mut gefunden, am 22. März einen offenen Brief zur Unterstützung der Tibeter an das Regime in Peking zu schicken.
Sie unterbreiten zwölf Vorschläge, um mit der Situation in Tibet umzugehen:
1. Gegenwärtig hat die einseitige Propaganda in den offiziellen chinesischen Medien eher die Wirkung, ethnische Animositäten zu schüren und eine bereits aufgeheizte Situation noch weiter zu verschärfen. Dies ist dem langfristigen Ziel der Sicherung der nationalen Einheit diametral entgegengesetzt. Wir fordern, daß eine solche Propaganda eingestellt wird.
2. Wir unterstützen die dringende Bitte des Dalai Lama um Frieden und hoffen, dass der ethnische Konflikt gemäß den Prinzipien des guten Willens, des Friedens und der Gewaltfreiheit gelöst werden kann. Wir verurteilen jeden Akt der Gewalt gegen unschuldige Menschen, und bitten die chinesische Regierung dringend, die gewalttätige Unterdrückung zu beenden und bitten das tibetische Volk ebenso, von allen gewalttätigen Ausschreitungen Abstand zu nehmen.
3. Die chinesische Regierung behauptet, dass „es genügend Beweise dafür gibt, dass diese Unruhen von der Dalai Lama-Clique langfristig geplant, organisiert und mit akribischer Sorgfalt inszeniert wurden.“ Wir erwarten, dass die Regierung die Beweise dafür vorlegen wird. Um die negative Sicht und die argwöhnische Haltung der internationalen Gemeinschaft zu verändern, schlagen wir ebenso vor, dass die Regierung die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen zu einer Untersuchung der Beweise, dem Ablauf der Ereignisse, der Anzahl der Opfer usw. einlädt.
4. Nach unserer Auffassung ist eine der Kulturrevolution nachempfundene Sprechweise wie „der Dalai Lama ist ein Betrüger in der Mönchsrobe und ein böser Geist mit menschlichem Gesicht und dem Herzen einer Bestie“, wie sie von der Führungsriege der Kommunistischen Partei in der Tibetischen Autonomen Region gebraucht wird, nicht sehr hilfreich, um die Situation zu entspannen, noch ist sie dem Image der chinesischen Regierung förderlich. Da die chinesische Regierung bestrebt ist, sich in die internationale Gemeinschaft zu integrieren, behaupten wir, dass sie einen Stil an den Tag legen sollte, der den Standards der modernen Zivilisation entspricht.
5. Wir bemerken, dass genau an dem Tag, als in Lhasa die Gewalt ausbrach (14. März ), die Führungsmannschaft in der Autonomen Region erklärte, dass „es Beweise genug gäbe, um nachzuweisen, dass diese Vorfälle von der Dalai-Clique organisiert, geplant und in Szene gesetzt“ worden wären. Dies zeigt, dass die Behörden in Tibet vorher wussten, dass die Unruhen ausbrechen würden, sie aber nichts Wirksames unternahmen, um sie zu verhindern oder von der Eskalation abzuhalten. Sollte es zu einer Pflichtverletzung gekommen sei, so muss eine ernsthafte Untersuchung durchgeführt werden, um solches festzustellen und entsprechend damit umzugehen.
6. Wenn am Ende nicht bewiesen werden kann, dass es sich hierbei um ein „organisiertes, geplantes und akribisch in Szene gesetztes Ereignis“ handelte, sondern dahingegen eine öffentliche Revolte, verursacht durch die Vorkommnisse, dann sollten die Behörden diejenigen verfolgen, die für die Auslösung der öffentlichen Unruhe verantwortlich waren und sich falsche Informationen ausdachten, um die Zentralregierung und das Volk zu täuschen; sie sollen auch ernsthaft darüber nachdenken, was aus diesem Vorfall gelernt werden kann, damit in Zukunft eine solche Entwicklung vermieden werden kann.
7. Wir fordern nachdrücklich, dass die Behörden nicht jeden Tibeter politischer Überprüfung oder Racheakten aussetzen. Die Gerichtsprozesse derjenigen, die verhaftet wurden, müssen gemäß gesetzlich festgelegter Verfahrensregeln durchgeführt werden, die offen, gerecht und transparent sind, um sicherzustellen, dass allen Parteien Genüge getan wird.
8. Wir bitten die chinesische Regierung dringend, glaubwürdigen nationalen und internationalen Medien zu erlauben, nach Tibet zu gehen und dort unabhängig Interviews durchzuführen und über Ereignisse zu berichten. Aus unserer Sicht kann die augenblickliche Nachrichtensperre nicht für Ansehen beim chinesischen Volk oder der internationalen Gemeinschaft sorgen und nur der Glaubwürdigkeit der chinesischen Regierung schaden. Wenn die Regierung die wirkliche Situation versteht, braucht sie keine Angriffe zu fürchten. Nur indem wir eine offene Haltung einnehmen, können wir den Argwohn der internationalen Gemeinschaft gegenüber unserer Regierung entkräften.
9. Wir appellieren an das chinesische Volk und die Chinesen in Übersee, sich ruhig und tolerant zu verhalten und gründlich darüber nachzudenken, was geschieht. Eine aggressiv nationalistische Haltung einzunehmen, wird nur die Abneigung der internationalen Gemeinschaft hervorrufen und Chinas internationalem Image schaden.
10. Die Unruhen in Tibet in den 80er Jahren bleiben auf Lhasa beschränkt, wohingegen sie sich diesmal in viele von Tibetern bewohnte Gegenden ausgebreitet haben. Diese Verschlechterung der Situation deutet an, dass es ernsthafte Fehler in der Arbeit gegeben haben muss, die in Bezug auf Tibet geleistet wurde. Die einschlägigen Ressorts der Regierung müssen bewusst über diese Schwierigkeiten nachdenken, ihre Versäumnisse untersuchen und die fehlgeschlagene Nationalitätenpolitik grundlegend ändern.
11. Um ähnlichen Ereignissen in der Zukunft vorzubeugen, muss die Regierung an der in der chinesischen Verfassung ausdrücklich verankerten Religions- und Meinungsfreiheit festhalten und so dem tibetischen Volk in vollem Umfang erlauben, seine Beschwerden und Hoffnungen zum Ausdruck zu bringen und den Bürgern aller Nationalitäten die Möglichkeit geben, die Nationalitätenpolitik der Regierung in aller Freiheit zu kritisieren und Verbesserungsvorschläge zu machen.
12. Wir halten daran fest, dass wir die Animositäten abbauen und die nationale Versöhnung voranbringen müssen und nicht weiterhin die Gräben zwischen den Nationalitäten vertiefen dürfen. Ein Land, das die Zersplitterung seines Gebietes verhindern möchte, muss zuerst die Entzweiung zwischen seinen Nationalitäten verhindern. Deshalb appellieren wir an die Führung unseres Landes, mit dem Dalai Lama in einen direkten Dialog einzutreten. Wir hoffen, dass das chinesische und das tibetische Volk mit den Missverständnissen zwischen ihnen aufräumt, eine Interaktion zwischen ihnen zustandebringt und Einigkeit erzielen wird. Die verschiedenen Ressorts der Regierung sollten ebenso wie die Organisationen des Volkes und religiösen Persönlichkeiten große Anstrengungen untenehmen, um dieses Ziel zu erreichen.
unterzeichnet von:
Wang Lixiong (Beijing, Schriftsteller); Liu Xiaobo (Beijing, freier Schriftsteller); Zhang Zuhua (Beijing, Experte für Verfassungsrecht) ; Sha Yexin (Shanghai, Schriftsteller, Chinesischer Muslim); Yu Haocheng (Beijing, Jurist); Ding Zilin (Beijing, Professor); Jiang Peikun (Beijing, Professor); Yu Jie (Beijing, Schriftsteller); Sun Wenguang (Shangdong, Professor); Ran Yunfei (Sichuan, Herausgeber, Tujia Nationalität); Pu Zhiqiang (Beijing, Rechtsanwalt); Teng Biao (Beijing, Rechtsanwalt und Gelehrter); Liao Yiwu (Sichuan,Schriftsteller); Wang Qisheng (Beijing, Gelehrter); Zhang Xianling (Beijing, Ingenieur); Xu Jue (Beijing, in der Forschung tätig); Li Jun (Gansu, Fotograf); Gao Yu (Beijing, Journalist); Wang Debang (Beijing, freier Schriftsteller); Zhao Dagong (Shenzhen, freier Schriftsteller); Jiang Danwen (Shanghai, Schriftsteller); Liu Yi (Gansu, Maler); Xu Hui (Beijing, Schriftsteller); Wang Tiancheng (Beijing, Gelehrter); Wen Kejian (Hangzhou, freier Schriftsteller); Li Hai (Beijing, freier Schriftsteller); Tian Yongde (Innere Mongolei, Menschenrechtsaktivist); Zan Aizong (Hangzhou, Journalist); Liu Yiming (Hubei, freier Schriftsteller); Liu Di (Beijing, freier Schriftsteller)
Die Regeln für die Unterzeichnung sind folgende:
1. Offene Unterschrift
2. Es wird nur die Unterschrift mit dem eigenen Namen oder dem üblicherweise benutzten Pseudonym als Schriftsteller akzeptiert
3. Man muss seinem Namen die Provinz, in der man sich derzeit aufhält und die Beschäftigung hinzufügen
4. Die E-Mail-Adresse für die Unterschriften: xizangwenti@ (leider nicht vollständig).
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