Inflationsraten-Rekord im Oktober: Deutschland 10,4 Prozent
Gegenüber dem Vormonat September 2022 wurde im Oktober eine Steigerung um 0,9 Prozent verzeichnet. Lag die Preissteigerungsrate vor einem Jahr – im Oktober 2021 – schon bei 4,5 Prozent, hat sie inzwischen richtig Fahrt aufgenommen, aber nicht nur in Deutschland.
Im Euroraum ist sie erstmals seit der Euro-Einführung über zehn Prozent gestiegen, konkret auf 10,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das EU-Statistikamt Eurostat mitteilte. Das ist eine nochmalige Steigerung, überwiegend angetrieben durch einen Preisschub bei Energie – um 0,8 Prozent zum Vormonat September –, der bei 9,9 Prozent lag. Die höchste Teuerung seit Bestehen des Euro.
Jeder, der im Moment nach dem Einkauf im Supermarkt auf den Kassenbon schaut, wäre wahrscheinlich hocherfreut, dort nur eine Verteuerung von gut zehn Prozent wiederzufinden. Denn gefühlt sind es durchschnittlich 34 Prozent, wie der MDR in einer Studie auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage der IU Internationale Hochschule berichtete.
Wenn also die gefühlte, man möchte sagen wahrgenommene Inflation bei mehr als dem Dreifachen liegt als die offizielle Statistik, denn diese zehn Prozent klingen wesentlich milder, als sich der Blick in die Geldbörsen anfühlt, – woher stammt dann diese Diskrepanz?
Preisentwicklung im Warenkorb
Hierfür muss man sich anschauen, wie die amtliche Inflation ermittelt wird, die dann über das Statistische Bundesamt als offizielle Zahl in die Nachrichten kommt:
Gemessen wird die Teuerungsrate über einen breit gefächerten Warenkorb, in dem 650 Produkte enthalten sind, aufgeteilt in zwölf Warengruppen, die durch private Haushalte in Deutschland gekaufte Güter und Dienstleistungen repräsentieren – Miete, Lebensmittel und Energiekosten werden hier genauso erfasst wie auch Preise zum Beispiel für einen Flachbildschirm-Fernseher, einen Freibadbesuch oder eine Eintrittskarte für die Oper.
Die Preisentwicklungen von Waren also, die nicht zu alltäglichen Einkäufen gehören wie Stereoanlagen oder Sportgeräte oder auch die Teilnahme an Kulturveranstaltungen, werden hier mit eingerechnet.
Mieten und Energiepreise, dazu zählen Kaltmiete, Wasser, Strom und Gas, machen im Warenkorb fast ein Drittel aus. Lebensmittel knapp zehn Prozent. Freizeit, Unterhaltung und Kultur, wozu Sportgeräte, Bücher und auch Pauschalreisen gehören, werden mit guten elf Prozent ausgewiesen.
Die offizielle Oktober-Inflationsrate für Deutschland, von Destatis herausgegeben, liegt bei 10,4 Prozent. Die Energiepreise waren dabei 43,0 Prozent höher als im Vorjahresmonat, die Nahrungsmittel-Preise stiegen auch im Vergleich zum Vorjahresmonat mit 20,3 Prozent überdurchschnittlich. Das liegt zwar immer noch unter der durch die Umfrage ermittelten 34 Prozent „gefühlten Inflation“, ist aber das Doppelte der offiziellen zehn Prozent.
Dieser Bereich der Nahrungsmittel sei hier exemplarisch hervorgehoben, da er für viele Menschen, die zu den weniger Verdienenden gehören, besonders großen Stellenwert besitzt. Gerade sie sind betroffen. So könnte man sagen, je niedriger das Einkommen, desto größer das Problem: Haushalte mit geringen Einkünften müssen überproportional für Lebensmittel, Energie und Waren des täglichen Bedarfs aufkommen.
An Neuanschaffungen, technische Gadgets oder Konzertbesuche, die ebenfalls im Warenkorb aufgeführt sind, war vorher kaum zu denken und jetzt wahrscheinlich erst recht nicht mehr. Und noch ein anschauliches, wenn auch extremes Beispiel: Wie sieht der Warenkorb aus in Bezug auf jemanden, der auf der Straße lebt und dessen einziger Konsum der von Lebensmitteln ist? Hier gibt es individuelle Inflationsraten bei den sozial Schwachen, und das Beispiel des Obdachlosen ist hier sicherlich das extremste. Gerade bei den potenziell von Armut Betroffenen sind die Preissteigerungen jetzt oft schon existenzbedrohend. Wer kauft sich ein Opernticket, wenn er sich nicht einmal mehr das Lebensnotwendigste leisten kann?
Im Umkehrschluss bedeutet das, je mehr jemand verdient, desto geringer ist normalerweise der prozentuale Anteil der Nahrungsmittel- und Energiekosten, der auf das monatlich zur Verfügung stehende Einkommen entfällt.
Unter diesen Aspekten betrachtet, könnte fast der Eindruck entstehen, dass die statistischen Zahlen das eigentliche Desaster verschleiern.
Produktionspreise gestiegen
Hinzu kommt eine wenig rosige Zukunftsaussicht, die jetzt schon ihre statistischen Vorboten schickt. Während überwiegend von der Verbraucherpreis-Inflation gesprochen wird, also diese offiziellen nur 10,4 Prozent im Oktober an Konto oder Geldbörse nagen, baut sich schon ein weiteres Inflations-Anschub-Monster auf: Die Inputpreise der Produktion. Auch die Preisanstiege der in der von Produktion von Waren verwendeten Güter wird vom Bundesamt für Statistik erhoben, und die Ergebnisse geben Auskunft, was auf uns zukommen kann:
Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte waren im September 2022 um 45,8 Prozent höher als im September 2021. Ein Allzeithoch, denn das sind laut Destatis die höchsten Anstiege der Erzeugerpreise gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949.
Hier ist zu erwarten, dass diese erhöhten Erzeugerpreise – allein die Energiekosten-Steigerung wurde mit 132,9 Prozent beziffert – auf die Konsumgüter umgelegt werden. Diese werden also noch mal teurer werden, ein Ende der Preisexplosionen ist nicht in Sicht. Wer jetzt schon unter zehn Prozent Teuerungsrate ächzt, bekommt hier schon einen Vorgeschmack auf das, was in nicht allzu weiter Zukunft zu erwarten ist.
Diese Aussichten und Tendenzen gelten nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Die höchste Preissteigerungsrate wird mit jeweils rund 22 Prozent in den drei baltischen Staaten Estland, Litauen und Lettland verzeichnet. Vorne mit dabei auch die Niederlande mit fast 17 Prozent Teuerung. Frankreich hingegen verzeichnet „nur“ 7,1 Prozent, Spanien 7,3 Prozent Teuerungsrate.
Bei der EU-Statistikbehörde wird Deutschlands Inflationsrate übrigens mit 11,6 Prozent aufgeführt, was über der Schätzung des Statistischen Bundesamts von 10,4 Prozent liegt. Der Grund dafür: Eurostat verwendet eine andere Berechnungsmethode, um die Werte der einzelnen Euro-Staaten vergleichbar zu machen. Ein weiteres Indiz dafür, bei all diesen offiziell herausgegebenen Kennzahlen ganz genau hinzuschauen.
Um das wahre Ausmaß der Inflation nicht zu verschleiern und zu marginalisieren, sollten die genannten Kritikpunkte genutzt werden, um mehr als nur eine offiziell herausgegebene Zahl zu ermitteln. Beispielsweise kann durch das Betrachten eines reinen Lebensmittel-Warenkorbs eine realistischere Belastung der sozial Schwächeren ermittelt werden.
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