Hürdenläufer Liu Xiang – Opfer der Personenkult-Kampagne
In chinesischen Blogs sind die Stimmen jedoch bunt gemischt aus Mitleid, Verständnis, Verzweifeln, Beschwerden und auch Anprangern. Die meisten Kommentare wurden sofort von den Zensoren gelöscht. In den staatlich dirigierten Medien Chinas war es auf einmal einheitlich zu lesen – ‚auch beim Ausscheiden ist er immer noch ein Held’.
„Das sagt nur ein Einziges aus, die Medien haben wieder eine Anweisung des Propagandaministeriums bekommen“, sagt der chinesische Journalist und Schriftsteller Lin Changzhou zur Epoch Times. „Der Fall von Liu Xiang ist rätselhaft. Das Regime versucht, die Informationen zu zensieren und zu blockieren, das Volk will aber die Wahrheit wissen!“, so der chinesische Journalist Ma Xiaoming.
Geplantes Theater
Am 19. August berichtete die chinesischsprachige Zeitung ‚Nanfang Daily’ in dem Artikel ‚Seit vier Jahren hat er ein ums andere Mal sich selbst besiegt’, dass Liu Xiang am 25. Juli bei der Zeremonie für die Ankündigung der chinesischen Olympia Mannschaft auf die Frage der staatlichen Xinhua-Agentur „ist Ihre Verletzung schon genesen?“ ganz klar geantwortet hat – „ich war nicht verletzt.“ In der selben Ausgabe schrieb die Zeitung jedoch über die Pressekonferenz nach dem Ausscheiden des Hürdenläufers. Dort hätte der Trainer von Liu Yang, Sun Haiming, auf die Frage nach dem Grund des plötzlichen Ausscheidens geantwortet: „Liu musste tatsächlich aufgrund seiner Verletzungen ausscheiden, … die Verletzungen bestehen schon seit sechs bis sieben Jahren…“
‚Nanfang Daily’ gilt in China unter den privaten Medien als mutige Zeitung, die immer versucht, Randbälle zu schlagen, um das politische System Chinas zu kritisieren. Die Berichte in der selben Ausgabe widersprachen sich jedoch offensichtlich. „Nanfang Daily hat auf eine kluge Weise aufgedeckt, dass die Absage des Volkshelden Liu Xiang eine vorausgeplante Betrugsshow war.“ So sah der ehemalige Redakteur des Shanxi Fernsehsenders, Ma Xiaoming, die widersprüchliche Berichterstattung der mutigen Zeitung.
Ma hat zehn Jahre als Sportjournalist gearbeitet. Nach seiner Beobachtung dient in dem kommunistischen China der Sport der Politik und Lügen und Betrügen sind dabei einfach üblich. „Ähnliche Fälle habe ich häufig erlebt. Wenn Liu Xiang keine Goldmedaille gewonnen hätte, wäre die Schande für ihn selbst und für die Partei noch größer. Das wäre zu Ungunsten von ihm und der Partei ausgegangen, daher hat die Parteiführung entschieden, mit ihm gemeinsam dieses Theater zu spielen“, so die Einschätzung des erfahrenen chinesischen Sportjournalisten.
Opfer der Kampagne von Personenkult
„Mit jemandes Lanze dessen Schild durchstechen“. Zu den Berichten der ‚Nanfang Daily’ zitierte der Pekinger Journalist und Schriftsteller Lin Changzhou diesen Spruch des alten China und fuhr dann fort: „Wenn Liu nicht gelogen hat, dann hat Xinhua gelogen. Einer von beiden muss gelogen haben. Natürlich brauchen die Lügen die Verbreitung durch die Medien. Daraufhin müssen wir fragen, worin besteht noch die Glaubwürdigkeit der Medien Chinas?“
„Menschen und deren Gesundheit sollen das Wichtigste sein“, so fuhr Lin fort. „Wenn Liu Xiang aufgrund der Verletzungen nicht mehr an dem Wettkampf teilnehmen kann, soll seine persönliche Entscheidung auch respektiert werden. Er hat die Freiheit, den Kampf abzusagen, es gibt dabei nichts zu kritisieren. Aber dieser Vorfall ist so rätselhaft und viele Stellen sind fragwürdig, denn dass Liu Xiang verletzt war, wurde nie berichtet.“
Der Pekinger Journalist bezeichnete Liu als Teilnehmer, Begünstigten, gleichzeitig auch als ein Opfer der Kampagne vom ‚Personenkult’. „Die Interessengruppen sitzen alle in einem Boot. Warum Liu im letzten Moment ausscheiden musste, darin verstecken sich die Kämpfe zwischen unterschiedlichen Kräften und ein Interessenausgleich. Wer letztendlich diese Entscheidung getroffen hat, ist im Moment noch unklar“, beleuchtete Lin die Sache weiter. Immer mehr Fakten hinter den Kulissen werden sicher ans Tageslicht kommen, Lin hat dabei auch Zuversicht. „Ich weiß nicht, ob Liu es im letzten Moment bereut hat, aber jeder muss für sich selbst die Verantwortung tragen.“
In der Personenkult-Kampagne waren die Kommunistische Partei China der Initiator und die Parteisprachrohre und tückische Wirtschaftsmenschen die Ausführenden. In jeder Ecke Chinas ist die Werbung mit dem großen Volkshelden zu sehen, in allen Medien sind Geschichten über Liu Xiang zu lesen. Überall sind die Vorhersagen „Liu Xiang wird auf jeden Fall der Weltmeister“ zu hören und zu sehen. Umfrage wurden von dem Partei-Sprachrohr Xinhua initiiert und gelenkt. Das Ergebnis war „der größte Traum der Chinesen ist, persönlich zu bezeugen, dass Liu Xiang bei den Olympischen Spielen die Goldmedaille gewinnen wird“. All das provozierte die Emotionen und Erwartungen der chinesischen Bevölkerung auf Lius Goldmedaille.
Die Konsequenz der Zensur
„Durch die massenhaften Zweifel an der offiziellen Aussage über das Ausscheiden von Liu Xiang können wir sehen, wie stark der Wunsch und der Wille der Bevölkerung nach der Wahrheit sind. Dabei ist auch zu sehen, welche Ansprüche das Volk hat und wie stark diese bürgerlichen Kräfte sein können. Je mehr die Informationen zensiert und blockiert werden, desto stärker wird der Wunsch nach Wahrheit, desto lauter der Aufruf“, so beurteilte der ehemalige Sportjournalist des Shanxi-Fernsehsenders die Wirkung der Zensur des Regimes.
Politisieren des Sports
Sun Haiping, Lius Trainer, brach in der Öffentlichkeit in Tränen aus, zu traurig, voller Reue oder zu empört? Er wusste sicher die wahren Gründe, konnte er aber nicht aussprechen. In einer Pressekonferenz im letzten Jahr hatte Sun gesagt: „Unsere Führung hat uns schon gesagt, wenn Liu Xiang in Peking die Goldmedaille nicht gewinnen kann, haben alle seine bisherigen Erfolge keine Bedeutung mehr.“
Was soll dann die einheitliche Aussage ‚Auch beim Ausscheiden ist er immer noch ein Held“ bedeuten? „Ist das Olympia nicht nur ein sportlicher Wettbewerb? Selbst wenn Liu die Goldmedaille gewonnen hätte, heißt das nicht einfach nur, dass ein Sportler eine Goldmedaille gewonnen hat? Warum wird darüber in einem so hohen politischen Sinn geredet? Zeigt das nicht genau das, dass alles für die Kommunistische Partei politisch ist? Sport dient der Politik, alles soll ihrer Politik dienen“, kommentierte der Sportjournalist Ma Xiaoming.
Xinhau berichtet am 25. Juli Folgendes: „Im Vergleich zu der Vergangenheit liegt der wichtige Unterschied bei der diesmaligen Zeremonie der Ankündigung der chinesischen Olympischen Mannschaft darin, dass die Sportler einen Eid ablegen müssen. Liu Xiang, Yao Ming und viele andere Olympiagoldmedaillengewinner zogen die Olympiaanzüge an und sangen vor der hiesigen Staatsflagge die Nationalhymne. Unter der Führung von Liu Peng (Red. der Parteisekretär des Generalsportbüros), legten die Sportler dem Land und dem Volk gegenüber ihre würdevollen Eide ab…“ Darüber kann Ma nur lachen. „Ist das nicht das berüchtigte Politisieren des Sports? Das Regime belehrte die internationale Gemeinschaft dauernd ‚bitte politisiere nicht den Sport’, ist das nicht genau so, als wenn ein Dieb laut ruft, den Dieb zu halten.“
„Die selbst verzweifelten kommunistischen Machthaber brauchen so nötig Selbstermutigung und Selbstbetrug“, so beschließt Ma das Gespräch.
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