Herzlicher Austausch zwischen Indien und Taiwan ist ein „Albtraum“ für Peking
Der indische Premierminister Narendra Modi wurde Anfang Juni zum dritten Mal als Staatsoberhaupt vereidigt. Zu seiner Wiederwahl beglückwünschten ihn Staats- und Regierungschefs aus aller Welt.
Mit einem dieser Staatsoberhäupter will Modi scheinbar eine besondere Beziehung aufbauen – mit Taiwans neu gewähltem Präsidenten Lai Ching-te. Modi bedankte sich nicht nur für seine Glückwünsche, sondern betonte auch die zunehmend engeren Beziehungen zwischen den beiden Ländern – die sich in Chinas unmittelbarem Einflussbereich befinden.
Geopolitischen Analysten zufolge zeige Modis Reaktion, dass Indiens Ostpolitik – eine Initiative zur Förderung wirtschaftlicher, strategischer und kultureller Beziehungen innerhalb der asiatisch-pazifischen Region – Form annimmt und nun auch Taiwan einschließt.
Der herzliche Austausch zwischen den Staatsführern unterstreiche die gemeinsamen strategischen Anliegen der beiden Länder und ihre gegenseitige Abhängigkeit in Bezug auf das Wirtschaftswachstum.
„Indiens Ostpolitik nimmt Gestalt an, während sich die Definition und der Umfang des ,indopazifischen Raums‘ ausweiten“, sagte Akhil Ramesh gegenüber The Epoch Times. Der Geopolitik-Analyst leitet das Indien-Programm des in Honolulu ansässigen Forschungsinstituts Pacific Forum.
„Früher konzentrierte sich Neu-Delhi auf Ostafrika und die Straße von Malakka [zwischen Thailand und Indonesien]. In den letzten Jahren wandte man sich auch in Richtung Philippinen und PNG (Papua-Neuguinea). Zudem bemühte man sich aktiv um die Beziehungen zu Taiwan. Somit hat sich das Interesse von der Straße von Malakka auf die Straße von Taiwan ausgedehnt“, so Ramesh weiter.
Taiwan wird derzeit nur von zwölf Staaten als souveräne Nation anerkannt. Indien hat Taiwan zwar nicht offiziell anerkannt, die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern befinden sich jedoch im Aufwind. Insbesondere seit dem blutigen Galwan-Konflikts im Jahr 2020, der die indisch-chinesischen Beziehungen auf einen Tiefpunkt brachte.
Taiwans Exporte nach Indien sind im vergangenen Jahr um 13 Prozent gestiegen. Zudem haben taiwanesische Unternehmen vor Kurzem damit begonnen, in Indien zu investieren.
Ming-Shih Shen, Direktor der Abteilung für Landessicherheitsforschung am Institut für nationale Verteidigung und Sicherheitsforschung in Taipeh, erklärte in einer E-Mail an The Epoch Times: Die Interaktion zwischen Lai und Modi auf der Social-Media-Plattform X zeigt, dass es gemeinsame Interessen gibt.
„Taiwans Präsident Lai Ching-te braucht die Aufmerksamkeit und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und hofft auf eine Zusammenarbeit mit regionalen Mächten, um China abzuschrecken. Indien kann China vom Westen aus bedrohen. Taiwan und Indien haben ein gemeinsames geopolitisches Interesse, sodass es mehr Raum für eine Zusammenarbeit gibt“, so Shen.
Freundliche Interaktion zwischen Modi und Lai
Die Interaktion zwischen Modi und Lai fand unmittelbar nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse am 4. Juni und vor Modis offizieller Vereidigung am 9. Juni statt.
„Meine aufrichtigen Glückwünsche an Premierminister @narendramodi zu seinem Wahlsieg“, schrieb Lai in einer Nachricht auf X am 5. Juni. „Wir freuen uns darauf, die schnell wachsende #Taiwan-#Indien-Partnerschaft zu vertiefen und unsere Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Technologie und anderen Sektoren auszubauen, um zu Frieden und Wohlstand im #IndoPazifik beizutragen.“
In seiner Antwort dankte Modi Lai für die „herzliche Botschaft“. Der Premier freue sich auf „engere Beziehungen“, da Indien und Taiwan „auf eine für beide Seiten vorteilhafte wirtschaftliche und technologische Partnerschaft hinarbeiten“.
Der kurze Austausch hat im Internet große Aufmerksamkeit erregt. Lais Botschaft wurde bisher 2,5 Millionen Mal aufgerufen. Während Modis Antwort 2,7 Millionen Mal aufgerufen wurde. Im kommunistischen China rief der freundliche Austausch der beiden Staatschefs Widerstand hervor.
Auf einer Pressekonferenz am 6. Juni protestierte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Mao Ning, gegen die Interaktion zwischen Modi und Lai. Zudem weigerte sie sich, die Bezeichnung „taiwanesischer Präsident“ anzuerkennen.
„Zunächst einmal gibt es so etwas wie einen ,Präsidenten‘ der Region Taiwan nicht“, sagte Mao zu einem Bloomberg-Reporter während der Pressekonferenz. „Was Ihre Frage betrifft, so lehnt China alle Formen offizieller Interaktionen zwischen den taiwanesischen Behörden und Ländern ab, die diplomatische Beziehungen zu China unterhalten. Es gibt nur ein China auf der Welt. Taiwan ist ein unveräußerlicher Teil des Territoriums der Volksrepublik China.“
Mao teilte den Reportern mit, dass China in Indien bereits Protest gegen Modis und Lais Austausch eingelegt hat. „Das Ein-China-Prinzip ist eine allgemein anerkannte Norm in den internationalen Beziehungen und ein vorherrschender Konsens in der internationalen Gemeinschaft“, sagte sie. „Indien ist diesbezüglich ernsthafte politische Verpflichtungen eingegangen und sollte das politische Kalkül der taiwanesischen Behörden erkennen, beunruhigt sein und sich dagegen wehren.“
Indien strebt globale Führungsrolle an
Der Geopolitik-Analyst Ramesh sagte, dass Chinas zunehmend aggressives Verhalten und dessen Expansionsbestrebungen in der umliegenden Region dazu beigetragen haben, die beiden Länder zusammenzuführen.
„Indien strebt nach Höherem und möchte eine Führungsrolle im globalen Wettbewerb spielen“, so Ramesh. Bisher habe sich Modi lediglich regional mit China auseinandergesetzt.
„Indien streckt seine Fühler bis nach Taiwan im Osten und Ostafrika im Westen aus. Es will durch verstärkte Handels- und Wirtschaftsaktivitäten in diesen Regionen seine Macht ausbauen und eine globale Führungsrolle einnehmen“, so Ramesh weiter.
Ming-Shih Shen zufolge könne Taiwans Chip- und Halbleitertechnologie Indien helfen, Hightech im eigenen Land zu fördern und seine Wirtschaft zu verbessern. Insbesondere seitdem Taiwan begonnen hat, in Indien zu investieren, sei das Land für Modi zu einem unverzichtbaren Partner im Bereich der Halbleitertechnologie und künstlicher Intelligenz geworden.
Modi startete in seiner zweiten Amtszeit eine ehrgeizige Halbleiter-Offensive mit einem Investitionsvolumen von zehn Milliarden Dollar bis 2021. Mit der Zustimmung des indischen Kabinetts Anfang dieses Jahres sollen im Land drei neue Fabriken, mit schätzungsweise 20.000 Arbeitsplätzen im Bereich der Spitzentechnologie und etwa 60.000 indirekten Arbeitsplätzen, entstehen.
Das strategisch vielleicht wichtigste Projekt ist eine Halbleiterfabrik im Wert von elf Milliarden Dollar von der indischen Tata-Gruppe in Zusammenarbeit mit der taiwanesischen Powerchip Semiconductor Manufacturing Corp. Die Anlage wird in Dholera, Gujarat, im Westen Indiens errichtet.
Nach Angaben der diplomatischen Taipei-Vertretung in Indien investierte Taiwan in Indien bis Februar dieses Jahres vor allem in Elektronik, Informations- und Kommunikationstechnologie, Petrochemie, Stahl, Schifffahrt, Schuhherstellung, Automobil- und Motorradteile, Finanzen und Bauwesen.
Der taiwanesische Analyst Shen glaubt jedoch nicht, dass Indien formelle Beziehungen zu Taiwan aufnehmen wird. Das Land mit seinen 1,4 Milliarden Bürgern wolle keinen Konflikt mit China. „Wenn es jedoch seine Wirtschaft stärken und ein besseres Verständnis für Chinas militärische Intelligenz entwickeln will, muss es sich an Taiwan wenden“, so Shen.
Er betonte auch, der Hauptgrund für Pekings Verärgerung über die Interaktion zwischen Modi und Lai sei Angst. „China befürchtet, dass sich die Beziehungen zwischen Taiwan und Indien vertiefen. Damit könnte die chinesisch-indische Frage der Grenzsouveränität und der Konflikt in der Straße von Taiwan miteinander verschmelzen und Chinas Feinde Allianzen und Kooperationen eingehen.“ Und das, so Shen, wäre ein „Albtraum“ für den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping.
Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Modi’s Nod to Closer Ties With Taiwan Suggests India’s Evolving ,Act East Policy‘: Analysts“. (deutsche Bearbeitung sb)
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