Günter Nooke: „Lasst endlich alle Häftlinge des 4. Juni 1989 frei!“
Epoch Times: Am 4. Juni 1989 rollten Panzer über den Platz des Himmlischen Friedens in Peking und beendeten mit einem Blutbad die Studentenproteste für ein demokratisches China. Erinnern Sie sich, wann und wie Sie diese Nachrichten bekommen haben?
Nooke: In der Nacht von Samstag zu Sonntag, dem 4. Juni 1989 saß ich mit anderen Oppositionellen in der Sakristei der Berliner Sophienkirche und wir hörten in einem kleinen Radio die Westberliner Nachrichten und die ersten Berichte von der blutigen Niederschlagung der chinesischen Studentenproteste. Wir versuchten danach mit Leuten aus unserem kirchlichen Friedenskreis in meiner Heimatstadt Forst in der Lausitz, einem kleinen Ort an der polnischen Grenze zwischen Berlin und Dresden, ein Protesttelegramm an die Regierung der DDR aufzugeben, das wir auch in unserem Samisdat-Blatt „Aufbruch“ veröffentlichten. [Der russische Begriff „Samisdat“ (Selbstverlag) im Gegensatz zu den verschiedensten Staatsverlagen. Per Handschrift, Abtippen oder Fotokopie verbreitete man Texte, Tonbandaufnahmen oder ganze Bücher. Anm. d.Red.]
Epoch Times: Und welche Gedanken und Gefühle hat das Ereignis in Ihnen geweckt?
Nooke: Natürlich waren wir schockiert über das brutale Vorgehen der kommunistischen Führung in Peking. Aber Angst gemacht hat uns die Reaktion der SED, der Sozialistischen Einheitspartei in der DDR und insbesondere die von Egon Krenz, der wenig später Parteichef wurde. Sie haben diese „chinesische Lösung“ begeistert begrüßt und das war eine klare Botschaft an uns, nach innen. Das hat schon Angst gemacht. Auch wenn meine politische Analyse schon damals lautete: Das gleiche Vorgehen ist in Mitteleuropa und in der DDR mit westdeutschen Medien und einer einheitlichen deutschen Sprache nicht möglich, zumindest hätte diese „Lösung“ nicht lange Bestand gehabt.
Epoch Times: Hat die pro-demokratische Studentenbewegung gegen die kommunistische Alleinherrschaft in China Ihrer Meinung nach auch eine Rolle bei den Demokratiebewegungen in Osteuropa gespielt?
Nooke: Wir fühlten uns innerlich verbunden, letztlich geht es doch immer – egal, wo wir in der Welt über Menschenrechte reden – um Freiheit. Dieser Freiheitsdrang ist letztlich immer die Ur-Antriebskraft für alle demokratischen Veränderungen.
Epoch Times: Wie beurteilen Sie das bis heute zu beobachtende Schweigen der chinesischen Machthaber und die Unterdrückung jeglicher Aufarbeitung zu diesem Thema?
Nooke: Das ist absolut inakzeptabel. Dauerhaft wird eine ehrliche Aufarbeitung nicht zu verhindern sein. Aber man sollte schnell damit anfangen. Einige beginnen ja Gott sei Dank auch innerhalb der chinesischen Führung, ihre unterschiedlichen Positionen jetzt öffentlich zu machen. Daraus sollten wir im Westen schließen, dass auch heute nicht alles so homogen innerhalb der Führung in China ist wie es scheint. Da finden viele Diskussionen statt. Unsere Aufgabe ist es, die Reformer in der Partei genauso wie die Bürgerrechtler zu unterstützen und die offiziellen Verlautbarungen nicht allzu ernst zu nehmen. Mein Wunsch als deutscher Menschenrechtsbeauftragter zu diesem 20. Jahrestag ist aber eindeutig und an die jetzigen Machthaber in Peking gerichtet: Lasst endlich alle Häftlinge des 4. Juni 1989 frei!
Das Gespräch führte Lea Zhou.
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