„Falls sie mein Gesicht sehen sollten, dann verlassen sie den Raum“
Der regimekritische chinesische Autor und Dichter Bei Ling hatte schon ein Ticket nach Deutschland für diesen Freitag in der Tasche. Nun bleibt er zu Hause und bereitet sich auf seinen – erst am Mittwochabend ausgehandelten – Auftritt bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse vor, bei der China als Gastland antritt. Er wird nicht wie ursprünglich geplant beim Symposium am Samstag, sondern erst bei der Buchmesse selbst Mitte Oktober bei einer Podiumsdiskussion auftreten. So lautet der Deal, nachdem sich die chinesische Zensurbehörde als Partner der Veranstaltung quergelegt und gegen einen Auftritt von Bei Ling am Samstag interveniert hat.
Die Erregung rund um die Ein- beziehungsweise Ausladungspolitik der Frankfurter Buchmesse und das diesjährige Gastland China hält damit an. Sprach die Frankfurter Rundschau am Dienstag vom „ersten Zensurskandal“, als bekannt geworden war, dass die regimekritische chinesische Autorin Dai Qing auf Druck Chinas vom Symposium wieder ausgeladen wurde, so lässt sich nun bereits von einem zweiten, ähnlich gelagerten Fall berichten.
Der in den USA lebende Schriftsteller Bei Ling geriet beim gleichen Symposium in ein unfreiwilliges Ein- und Ausladungsspiel. Noch im März und April dieses Jahres hatte es in E-Mails von Peter Ripken, der für das Symposium in Frankfurt verantwortlich zeichnet, geheißen, dass er froh darüber wäre, Bei Ling dort zu sehen. Entsprechend groß das Erstaunen des chinesischen Autors, als er einen Monat vor der Veranstaltung seinen Namen nicht auf dem Programm der Podiumsdiskussion sah. Alles in Ordnung, beschwichtigte Ripken, „you can still come to the discussion“ – „Sie können noch immer zu der Diskussion kommen“. Von diesem Hü schwenkte er am Dienstag nach einer Notsitzung der Frankfurter Buchmesse auf ein Hott.
Die offizielle Delegation Chinas hatte die Namensliste der Teilnehmer des Symposiums sehen wollen und beim Namen Bei Ling Rot gesehen. „Wenn der kommt, dann kommen wir nicht“, ließ man ihn wissen, sagte Ripken in einem Telefoninterview mit dieser Zeitung. Bei Ling ist der Gründer des unabhängigen chinesischen PEN-Clubs und Herausgeber des politischen Magazins „Qing Xiang“, das dem Regime der in China herrschenden Kommunistischen Partei sehr kritisch gegenübersteht. Als er im Jahr 2000 bei seiner Rückkehr aus dem Exil in den USA nach China verhaftet wurde, setzte sich die Schriftstellerin Susan Sontag sehr für seine Freilassung ein. Aufgrund des internationalen Drucks wurde er nach einer einmonatigen Inhaftierung freigelassen und in die USA abgeschoben, wo er bis heute lebt.
Dass sich besonders der chinesische Bestsellerautor Mo Yan für eine Ausladung Bei Lings eingesetzt hatte, wollte Ripken nicht bestätigen. Der Protest betreffe die gesamte Riege der von der chinesischen Behörde für Presse und Publikation (GAPP) gestellten Autoren, was auch Mo Yan einschließe, so Ripken. Diese Behörde ist für die Zensur chinesischer Bücher und Medien zuständig und offizieller Co-Veranstalter des Symposiums. Nach einer „Güterabwägung“ habe Ripken sich entschieden, Bei Ling nicht antreten zu lassen. „Zugunsten eines kritischen Diskurses“, denn falls Bei Ling erschienen wäre, hätten sich zehn andere Autoren laut Ripken aus dem Symposium ausgezogen. Oder, wie die Androhung aus dem Mund des Autors klingt: „Es hieß: Falls sie mein Gesicht sehen sollten, dann verlassen sie den Raum“.
Ganz klar ist Bei Ling nicht, warum man ihn so kurzfristig wieder ausgeladen hat, sollte es bei dem Symposium doch um Pressefreiheit gehen, und er wollte „über die Situation der chinesischen Verlage“ sprechen. Sprechen wollte er, nicht kämpfen, wie er betont. Nun darf er am 14. Oktober während der Frankfurter Buchmesse seine Standpunkte bei einer Podiumsdiskussion darlegen. Das von ihm vorfinanzierte Flugticket aus den USA wird ihm von den Symposiumsveranstaltern zurückerstattet, sagt Bei Ling. Ob die Vertreter des offiziellen China bei seinem Anblick auf der Buchmesse im Oktober den Raum verlassen werden, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlicher ist, dass sie ihn nicht einmal betreten.
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