Experten über Handelskrieg: Je stärker Chinas Waffeneinsatz, umso schlimmer die Folgen für China selbst
Die USA hätten wirtschaftlich gegen China schon viel früher etwas unternehmen müssen, erklärte US-Präsident Donald Trump am 21. August öffentlich. Trump sagte: „Egal, ob wir eine Rezession haben. Eine Sache, die ich tun muss, ist, mit China im Handel den Kampf aufzunehmen. Präsident Clinton, Präsident Bush und Präsident Obama hätten das schon längst tun müssen… Das ist nicht mein Handelskrieg. Das ist ein Handelskrieg der schon vor langer Zeit hätte stattfinden müssen.“
Jemand muss es tun. Ich bin der Auserwählte… Ich werde mit China im Handel den Kampf aufnehmen… Und wir werden gewinnen,“ betonte Trump.
Der Präsident warnte zugleich auch vor Rückschritten. „Sleepy Joe“ – womit sich Trump auf Joe Biden bezog – habe nicht des Rätsels Lösung. Biden würde sagen: „China ist wundervoll.“ Damit wäre also nichts erreicht, betonte Trump und fügte hinzu: „Wir werden gewinnen“.
Christopher Balding, ehemaliger Professor an der Universität HSBC Business School of Peking in Shenzhen, China, unterstreicht die Aussagen des Präsidenten. Er sieht in dem Handelsstreit einen viel fundamentaleren Sinn, als es vordergründig erscheinen mag.
Wenn man sich ansieht, was in Xinjiang, Taiwan und Hongkong passiert, macht die Strategie Trumps Sinn,“ betonte der Experte.
Viele Amerikaner haben eine schlechte Meinung über China
60 Prozent der Amerikaner haben keine gute Meinung über China. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Pew Research Centers. Dies ist der höchste Stand seit Beginn der Umfragen im Jahr 2005. Im Jahr 2018 waren es 47 Prozent. 24 Prozent sehen China zudem als größte Bedrohung an (doppelt so viele wie 2007). Ein australischer Politiker warnte sogar vor Chinas Aufstieg mit einer Analogie zu Nazideutschland.
Peking könnte viele Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, doch, so sagt Chris Chappell, Herausgeber von China Unsencored: „Je härter der Waffeneinsatz, umso härter die Folgen für China selbst.“
iPhone-Produktion als weitere Waffe
China könnte beispielsweise die Produktion von iPhones in den USA behindern oder die eigene Währung weiter abwerten und es damit der US-Wirtschaft wirklich schwermachen. Was dann in China passieren würde, wäre Folgendes:
China hat etwa 80 Prozent der Seltenerdmetalle der Welt unter Kontrolle, die insbesondere für die Produktion von iPhones unverzichtbar sind. Das sind beispielsweise Elemente wie Yttrium und Neodym. Das Regime in Peking hat bereits angekündigt, diesen Versorgungsengpass als Waffe einzusetzen und den US-Kunden zum Beispiel jegliche Zölle beim Preis aufzuschlagen.
Chappell spekuliert, dass China im Zuge dessen auch planen könnte, die „ohne jeglichen Sicherheitsschutz ausgestatteten“ Huawei iPhones zu exportieren. Gerade hier werde Chinas Technologie-Würgegriff deutlich. „Der Diebstahl von Schlüsseltechnologien und geistigem Eigentum wird von den USA seit Jahren angeprangert. Man braucht nur an den physischen Diebstahl, Cyberdiebstahl und erzwungener Technologietransfers zu denken,“ so Chappell.
Zugleich schätzt Chappell Chinas Versuch die Produktion von Seltenerdenmetallen zu beeinflussen, als erfolglos ein. Man könne die Produktion einfach in die USA verlagern, so wie es Japan in einem Konflikt mit China im Jahr 2010 getan hat. „In 2018 stieß Japan sogar auf eine Goldgrube im eigenen Land, die die Produktion für die nächsten 780 Jahre sicherstellt,“ betont er.
China könnte auch die Produktion von US-Markenprodukten wie Apple boykottieren. Aber auch das würde nach hinten losgehen, da Apple in China produziert. So wären in China Fabriken mit Hunderttausenden Angestellten betroffen. Gerade das würde das Wirtschaftswachstum nicht fördern, so Chappell.
Chappell: „China hat das wirtschaftlich schlechteste Jahr in diesem Jahrhundert“
Chappell hat ausgerechnet, dass Chinas Schulden gegenüber den USA durch die Abwertung des Yuan um 30 Mrd. US-Dollar gestiegen sind. Und bei weiter sinkendem Yuan werde es noch mehr.
Balding vermutet, dass China die eigene Währung in Zukunft weiter abwerten könnte. Falls die Darlehen dann aber gar nicht mehr bezahlt werden können, „könnte es China das Genick brechen“. Massenarbeitslosigkeit oder ein landesweiter Wirtschaftsabschwung – all das wäre denkbar.
Derzeit valutieren 50 Prozent der gesamten Schulden (in Zahlen: 1,5 Billionen US-Dollar). Mit der Finanzkrise 2008 explodierten die aufgenommenen Kredite. Damals waren die Zinssätze auf historischen Tiefstständen. Hier sah Peking die Chance, ein günstiges Geschäft aus der Darlehensaufnahme zu machen: Günstig leihen und mit höherer Rendite investieren, nämlich in den Immobiliensektor. Grund für die Verteuerung sei nun, dass die Darlehen in der Währung US-Dollar und nicht in Yuan zurückzuzahlen sind, so Chappel.
Beispiel:
Darlehen im Zeitpunkt der Ausleihe: 650.000.000 ¥ = 100.000 USD
China muss 13.000.000 ¥ mehr zahlen, um die Schulden zu begleichen.
Experten sehen „One Belt One Road“-Projekt vor dem Schuldenproblem ebenfalls kritisch
„China hat insgesamt 614 Milliarden US-Dollar investiert und benötigt bis 2038 weitere 5 Billionen US-Dollar“, so Veasna Kong, Ökonomin bei Moody’s Analytics. Eine offizielle Aufschlüsselung gäbe es nicht. Es sei auch nicht klar, ob die benötigten Finanzierungen in US-Dollar getätigt wurden. Nathan Chow, Ökonom bei DBS Group Research, vermutet dies aber. Kong hegt angesichts der Zurückhaltung Chinas bei der Transparenz der Projekte erhebliche Zweifel an der Effizienz und Effektivität der Projekte.
Nach einer von KPMG durchgeführten Umfrage ist das Projekt mit hohen Risiken und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit verbunden. Projektfinanzierungen zu akzeptablen Konditionen zu beschaffen, finanzielle Risiken zu bewältigen und rentable Renditen zu erzielen sollen sehr schwer sein.
Chinas Plan für US-Landwirte geht auch nicht auf
Die Absicht, US-Landwirte und damit Präsident Trump zu treffen, geht ebenfalls nicht auf. Experten nehmen an, dass gerade dieser kleine Wählerkreis Trump im Wahlkampf helfen könnte. Sie lehnen Trump nicht ab. Viele halten an ihm fest und glauben, dass Trump helfen kann.
Ein Landwirt sagte in einem Interview mit CNBC: „Die meisten Landwirte sind eher beunruhigt über eine Lösung der Situation, als mit den Fingern zu zeigen. Aber wenn sie jemandem die Schuld geben müssten, wäre das China.“
Stoltenberg: Nato muss sich mit dem Aufstieg Chinas befassen
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist der Meinung, dass sich auch die Nato mit Chinas Aufstieg befassen müsse. China habe „stark in kritische Infrastruktur in Europa investiert, die Präsenz in der Arktis erhöht und auch die Präsenz in Afrika und im Cyberspace erhöht“.
Balding vermutet, dass China innerstaatlich den Servicesektor ausbauen und weiter im Immobiliensektor investieren wird. Er glaubt aber auch, dass China aufgrund seiner Größe eine wesentlich grundlegendere Bedrohung darstellt als andere autoritäre Staaten. Es könne Staaten, Organisationen, Unternehmen und Menschen stärker als andere beeinflussen und tue dies auch in großem Umfang, so Balding.
Es sei wichtig, Chinas Aufstieg rechtzeitig in Frage zu stellen. Man müsse handeln, bevor China Unternehmen noch besser lenken und beeinflussen könne. (bm)
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