Experten: Hongkong steht an der Spitze im Kampf „zwischen der freien und der diktatorischen Welt“
Peking hatte vergangene Woche angekündigt, ein nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong unter Umgehung der eigenen Legislative der Stadt zu verabschieden. Dies hat in Hongkong erneut Massenproteste ausgelöst, die in den kommenden Wochen noch verstärkt werden sollen. Auch internationale Stimmen erhoben sich gegen die Vorgehensweise des chinesischen Regimes.
US-Außenminister Mike Pompeo erklärte am 27. Mai, dass Hongkong nicht mehr autonom vom Festland China sei. Dies stellt den besonderen Handelsstatus Hongkongs mit den Vereinigten Staaten infrage. Es ist unklar, ob die US-Regierung die Sonderprivilegien Hongkongs aufheben wird, was einen exekutiven Befehl des Präsidenten erfordern würde.
Kritiker befürchten, dass das Gesetz, welches Handlungen von „Abspaltung, Unterwanderung und terroristische Aktivitäten“ verbietet, von Peking dazu benutzt werden könnte, abweichende Stimmen zu unterdrücken und zu verfolgen. Lokale pro-demokratische Aktivisten und Politiker weisen darauf hin, dass nationale Sicherheitsgesetze häufig dazu benutzt werden, Dissidenten auf dem Festland zu verfolgen und einzusperren.
Das Gesetz eröffnet außerdem für chinesische Sicherheitsbehörden die Möglichkeit, in Hongkong tätig zu werden.
„Hongkong würde von chinesischen Regierungsbeamten überrannt“, sagte Thor Halvorssen, Vorstandsvorsitzender der in Washington ansässigen gemeinnützigen Stiftung für Menschenrechte, gegenüber Epoch Times. Seiner Einschätzung nach würden diejenigen, die der Verletzung des nationalen Sicherheitsgesetzes beschuldigt werden, wahrscheinlich nicht in der Lage sein, sich vor einem unparteiischen Gericht zu verteidigen.
Der Plan des Regimes
Das Vorgehen des chinesischen Regimes kam nach Ansicht von Wilson Leung, von der in Hongkong ansässigen Progressive Lawyers Group, nicht völlig unerwartet.
„Es ist schon immer Pekings Plan gewesen, die absolute Kontrolle über die Gebiete zu haben, welche es als seine rechtmäßigen Gebiete ansieht“, sagte Leung gegenüber Epoch Times. „Das chinesische Regime betrachtet Hongkong als sein rechtmäßiges Territorium, und niemand sonst sollte ein Mitspracherecht haben, auch nicht die Bevölkerung Hongkongs“, fügte er hinzu.
Der letzte Versuch, ein ähnliches Anti-Subversionsgesetz zu verabschieden, fand 2003 statt und wurde abgebrochen, nachdem eine halbe Million Hongkonger aus Protest auf die Straße gegangen waren.
Thor Halvorssen sagte gegenüber Epoch Times, die Aktion der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) sei ein Versuch, die Aufmerksamkeit von ihrem falschen Umgang mit dem Virusausbruch und anderen internen Problemen abzulenken.
Peking verhält sich wie ein Tyrann und tut dies in einer Weise, welche der internationalen Gemeinschaft sagt: ‚Wir scheren uns nicht mehr darum‘“, analysiert Halvorssen.
In der Zwischenzeit hat das Regime „seine Geduld“ mit den pekingfreundlichen Verbündeten in Hongkong „verloren“. Dazu trugen mehrere Faktoren bei: die jahrelange Verzögerung bei der Verabschiedung von Artikel 23; der Erfolg der Proteste im letzten Jahr in Hongkong gegen ein vorgeschlagenes Auslieferungsgesetz und der Wahlsieg des pro-demokratischen Lagers bei den Bezirkswahlen.
„Die Bevölkerung Hongkongs teilt lautstark mit, dass sie autonom sein möchte. Die chinesische Regierung kam zu dem Schluss, dass sie die Sache selbst in die Hand nehmen muss, anstatt darauf zu warten, dass ihre Verbündeten in Hongkong die [nötigen] Gesetze erlassen“, sagte der Menschenrechtler Halvorssen.
Am Mittwoch protestierten erneut Tausende gegen das Gesetz und einen weiteren umstrittenen Gesetzentwurf, der die Missachtung von Chinas KP-Hymne kriminalisieren würde. Die Polizei verhaftete mindestens 300 Menschen – bis 18 Uhr Ortszeit. „Das Messer ist in den Händen des Regimes. Sie könnten es uns jederzeit in den Hals stechen“, sagte Pastor Chan gegenüber Epoch Times bei der Demonstration in Causeway Bay.
Der Kernpunkt liegt in dem Unterschied der Rechtsstaatlichkeiten
Der „Knackpunkt“ des Problems bestehe nach Ansicht des Anwalts und Vorsitzenden der pro-demokratischen Bürgerpartei Alan Leong darin, die Rechtssysteme des Festlandes und Hongkongs auseinander zu halten.
Während das Rechtssystem Hongkongs die Rechtsstaatlichkeit achte, würde das Gericht im Festland dazu dienen, „die Regierungsgewalt der KPCh zu stärken“, sagte Alan Leong zur Epoch Times.
Am 25. Mai gab die Anwaltskammer von Hongkong eine Erklärung heraus, in der sie „eine Reihe beunruhigender und problematischer Merkmale“ des Gesetzentwurfs hervorhob. Hongkongs „Mini-Verfassung“, das Grundgesetz, räumt dem Nationalen Volkskongress die Befugnis ein, Gesetze nur in Bereichen zu erlassen, die „Verteidigung und auswärtige Angelegenheiten sowie andere Angelegenheiten außerhalb der Grenzen der Autonomie“ Hongkongs betreffen, und nicht die nationale Sicherheit.
Der vorliegende Vorschlag … verstößt wirklich gegen jede Bestimmung der ursprünglichen Vereinbarungen“, sagte Leong.
Maggie Chan, eine Delegierte Hongkongs in der chinesischen Legislative, dem Nationalen Volkskongress, schlug vor, in der Stadt ein Gericht für die nationale Sicherheit einzurichten, in dem Fälle nur von chinesischen Richtern verhandelt werden. „Dies ist völlig inakzeptabel und führt ein fremdes Element in das Hongkonger Justizsystem ein“, sagte Leong gegenüber Epoch Times.
Chen Daoxiang, Kommandeur der chinesischen Militärgarnison in Hongkong, warnte über das chinesische Fernsehen, dass Chinas Militär bereit sei, „die nationale Souveränität zu verteidigen“.
Während Hongkongs Regierungschefin, Carrie Lam, am 26. Mai versuchte, den Hongkongern zu versichern, dass das Gesetz nur „eine Handvoll Menschen, die in Terrorismus oder Subversion verwickelt sind“, zum Ziel haben würde, sagte Wilson Leung von Hongkongs Progressive Lawyers Group, dass diese Behauptungen „absolut falsch“ und „komplette Propaganda“ seien. Denn, Sicherheitsbeamte vom Festland würden nur kommen, um den Willen Pekings durchzusetzen.
Wilson Leung sagte gegenüber Epoch Times, es werde in Hongkong bald „Festnahmen nach Festlandsart mit all den Missbräuchen geben, die wir auf dem Festland gesehen haben“. Er verwies auf die anhaltende Verfolgung der spirituellen Gruppe Falun Gong und die Masseninhaftierung von Uiguren in den Konzentrationslagern von Xinjiang.
„Es liegt in der Natur von Diktaturen, das zu sagen: Machen Sie sich keine Sorgen über diese Terrorismusgesetze oder Gesetze zur nationalen Sicherheit. Wenn Sie nichts Falsches getan haben, werden wir Sie nicht ins Visier nehmen“, sagte er. „Aber wenn Sie sehen, was in China passiert ist, ist es eigentlich das genaue Gegenteil“, fügte er hinzu.
Hongkongs Status als Finanzzentrum könnte kippen
Peking mache einen „großen Fehler“, indem es den Status Hongkongs als globales Finanzzentrum gefährdet, sagte Law Ka-chung, Professor an der Wirtschaftsfakultät der City University of Hongkong, in einem Interview. Das Vertrauen der Investoren in Hongkongs Rechtsstaatlichkeit und Autonomie vom Festland werde wahrscheinlich weiter abnehmen, sagte er.
Law zufolge wird Peking das Sicherheitsgesetz nicht sofort strikt durchsetzen können, denn das würde einen plötzlichen Schock auslösen, welcher die lokale Wirtschaft zum Absturz bringen könnte. Aber der Tribut der drastischen Bedingungen Chinas werde sich auf lange Sicht zeigen, sagte er gegenüber Epoch Times.
Er sagte auch voraus, dass es zu einer massiven Auswanderung aus Hongkong kommen könnte, ähnlich wie bei der Rückgabe des Gebiets an China im Jahr 1997.
Das Gesetz werde wahrscheinlich zu langfristiger Instabilität und sozialem Abstieg führen, da das Wirtschaftswachstum Hongkongs dann noch stärker an das Festland gebunden wäre. Laut Law könnten Festlandbewohner leitende Positionen innerhalb von Unternehmen dominieren, während die ausländische Beteiligung in hochwertigen Branchen wie Buchhaltung, Versicherung und Maklerfirmen deutlich zurückgehen könnte.
Mit der Ankündigung von Pompeo steht der internationale Status der Stadt auf dem Spiel – und ihre eigene Identität gegenüber dem chinesischen Festland.
Zuvor hatte Hongkong unter amerikanischem Recht besondere Privilegien – in den Bereichen Handel, Investitionen und Einwanderung. Die Stadt ist auch einer der wichtigsten Exportmärkte der Vereinigten Staaten für Wein, Rindfleisch und landwirtschaftliche Produkte.
„Wenn dieses [Gesetz] erst einmal wirklich den Weg eingeschlagen hat, den die KPCh zu gehen droht, wird es viele Geschäftsleute, die zu diesem Zeitpunkt bereits beunruhigt sind, in Aufregung versetzen und bewegen“, sagte Samuel Chu, Gründer und Geschäftsführer der in Washington ansässigen Interessenvertretung Hongkong Democracy Council.
Ein Großteil der ausländischen Direktinvestitionen Chinas wird über Hongkong geleitet. Es wird für Peking nicht leicht sein, einen Ersatz zu finden, sollte Hongkong seinen Status verlieren. „Peking hatte schon vor langer Zeit die Absicht, Shanghai aufzubauen“ – seit Anfang der 2000er Jahre, sagte Law Ka-chung. „Aber nach 10 bis 20 Jahren konnten sie Shanghai immer noch nicht als internationales Finanzzentrum aufbauen“, fügte er hinzu.
„Wie die Zukunft Hongkongs aussieht, hat Konsequenzen für die Welt“, sagte Leung, der Anwalt aus Hongkong.
„Hongkong steht wirklich an der Spitze des Kampfes zwischen der freien Welt und der diktatorischen Welt“, sagte er. „Wenn Hongkong fällt, dann können Sie sehr sicher sein, dass das nächste Taiwan sein wird … dann werden Sie sehr bald sehen, wie es [der Einfluss der KPCh] sich in der ganzen Welt ausbreitet“, sagte Leung gegenüber Epoch Times.
Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von sza)
Originalfassung: Hong Kong on the Brink of Communist Control With Beijing’s Latest Aggression: Experts
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion