Angst vor Pekings Rache: Deutschland gegen EU-Zölle auf chinesische Elektroautos

In Brüssel laufen die Vorbereitungen für eine Erhöhung der Zölle auf chinesische Elektroautos, die in den kommenden Wochen erwartet wird. Deutschland sprich sich gegen einen solchen Schritt aus, während China bereits mit „Vergeltungsmaßnahmen“ droht.
Der Autofrachter BYD Explorer No.1 liegt mit 3000 Neuwagen an Bord in Bremerhaven. Der Frachter ist vom chinesischen Shenzen nach Europa gekommen.
Der Autofrachter BYD Explorer No.1 liegt mit 3.000 Neuwagen an Bord in Bremerhaven. Der Frachter ist vom chinesischen Shenzen nach Europa gekommen.Foto: Lars Penning/dpa
Von 3. Juni 2024

In den Handelsbeziehungen zwischen der EU und China verschärft sich der Ton: In Brüssel laufen die Vorbereitungen für eine Erhöhung der Zölle auf chinesische Elektroautos, die in den kommenden Wochen erwartet wird. Die EU will die eigene Autoindustrie vor der Konkurrenz aus China schützen – und zugleich einen Handelskrieg mit Peking vermeiden.

Was wirft die EU China vor?

Brüssel vermutet, dass Peking seinen Autobauern übermäßige Subventionen zahlt und ihnen einen solchen Wettbewerbsvorteil verschafft. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im September deshalb eine Untersuchung eingeleitet, die klären soll, ob China gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstößt. Die Kommission muss ihre Ermittlungen nun bis Anfang Juni abschließen und hat bis zum 4. Juli Zeit, um über die Verhängung von Strafzöllen zu entscheiden.

Die Weltmärkte würden von „billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt“, sagte von der Leyen. Chinesische Anbieter wie BYD und SAIC haben ihren Anteil auf dem europäischen Markt für Elektroautos in den vergangenen zwei Jahre mehr als vervierfacht. Er liegt nach Angaben des Analyseunternehmens JATO Dynamics bei 7,8 Prozent.

Wie hoch könnten die Strafzölle ausfallen?

Beobachter gehen davon aus, dass die Kommission die Zölle zunächst von bislang zehn Prozent auf 15 bis 30 Prozent anhebt. Zu dieser Einschätzung kommen unter anderem Forscher der Rhodium-Gruppe, die auch den chinesischen Automarkt beobachten. Die Reaktion der EU dürfte damit deutlich weniger drastisch ausfallen als in den USA.

Kommissionspräsidentin von der Leyen stellte klar, die EU werde „viel gezielter“ reagieren. „Ich kann garantieren, dass die Höhe der Zölle, die wir auferlegen würden, der Höhe des Schadens entspricht“, sagte sie in einer Debatte unter den Spitzenkandidaten für die Europawahl.

Anders als für Washington müsse der Konflikt in Brüssel „eine wirtschaftliche Frage bleiben, keine politische“, erklärt die Forscherin für globale Handelspolitik am Brüsseler Institut Jacques Delors, Elvire Fabry. Ziel sei nicht die Abschottung des europäischen Marktes, „sondern den europäischen Herstellern eine Atempause zu geben, damit sie ihre Leistung steigern können“.

Wie reagieren die USA?

Die USA haben ihre Zölle unterdessen von 25 auf 100 Prozent erhöht. Auch für andere chinesische Produkte wurden die Zölle erhöht, darunter Stahl, Aluminium, Solarpaneele und wichtige medizinische Produkte.

„China hat all diese Produkte stark subventioniert und chinesische Unternehmen dazu gedrängt, weit mehr zu produzieren, als der Rest der Welt aufnehmen kann. Danach werden die überschüssigen Produkte zu unfair niedrigen Preisen auf den Markt geworfen, wodurch andere Hersteller auf der ganzen Welt aus dem Geschäft gedrängt werden“, sagte US-Präsident Joe Biden vor der Unterzeichnung der Verordnung am 14. Mai.

Der Schritt der USA ist weitgehend präventiv, da in China hergestellte Elektrofahrzeuge auf dem amerikanischen Markt noch selten sind – anders als in Europa, wo in China hergestellte Elektroautos im vergangenen Jahr rund 20 Prozent des Marktes ausmachten.

Welche unmittelbaren Auswirkungen werden erwartet?

Die Zölle dürften Anbieter wie BYD nicht vom europäischen Markt verdrängen. Die chinesischen Marken verkaufen ihre Autos in Europa teils doppelt so teuer wie auf dem Heimatmarkt und damit deutlich über ihren Produktionskosten, wie aus einer Rhodium-Studie hervorgeht. „Selbst mit einem Zollsatz von 30 Prozent würden viele chinesische E-Modelle immer noch einen hohen Gewinnaufschlag in der EU erzielen“, schreiben die Forscher.

Deutlich härter dürfte es demnach Firmen wie BMW oder Tesla treffen, die in China gebaute Autos nach Europa exportieren, ohne aber von chinesischen Staatshilfen zu profitieren. Ihr Geschäftsmodell könnten die Zölle nach Einschätzung der Forscher zunichtemachen.

Wie steht Deutschland dazu?

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnte vor einer Eskalation des Handelskonflikts, die insbesondere deutsche Hersteller treffen würde, weil sie nach Angaben des Verbands jährlich rund 300.000 Fahrzeuge nach China exportieren. „Ausgleichszölle für aus China importierte E-Pkw sind nicht geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken“, erklärte ein VDA-Sprecher.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Verkehrsminister Volker Wissing hatten sich wiederholt gegen Strafzölle positioniert, Unterstützung bekamen die beiden zuletzt etwa aus Schweden.

Wissing sagte in einem Interview mit Euractiv, die Zölle wären der falsche Weg, um den internationalen Wettbewerb zu fördern. Den Wettbewerb einzuschränken, habe mit Marktwirtschaft nichts zu tun. Ein solches Vorhaben erinnere ihn vielmehr an die DDR. Er habe keine Sorge, dass deutsche Autobauer diesen Wettbewerb nicht bestehen würden, so der Minister.

Hauptsächlich Frankreich, dessen Autobauer kaum in China vertreten sind, setzt sich für eine härtere Gangart gegenüber Peking ein. Um von der Kommission festgesetzte Zölle zu kippen, bräuchte es eine Mehrheit aus mindestens 15 Mitgliedsländern, die zusammen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen.

Wie reagiert China?

Die chinesische Handelskammer in Brüssel warf der Kommission vor, die Untersuchung der Autobauer sei „politisch motiviert“. Für die Wirtschaft sei es nicht wünschenswert, sich auf ein „wie du mir, so ich dir“ einzulassen. China werde jedoch „gezwungen sein, eine Reihe von Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen“.

Auch der Ökonom am Berliner Mercator-Institut für Chinastudien, Jacob Gunter, rechnet mit einer „ziemlich scharfen Reaktion“. Europäische Strafzölle wären ein „Angriff auf eine der zentralen Industrien, in denen China technologisch aufgeholt und sogar die Führung übernommen hat“, erklärt Gunter. In den Wirtschaftsbeziehungen mit Peking habe es „etwas in dieser Größenordnung bisher nicht gegeben“.

Wendepunkt in Handelsbeziehungen zwischen EU und China?

Die geplanten Strafzölle kommen in einer Zeit, in der die Beziehungen zwischen der EU und China in eine neue Phase eingetreten sind – die 2019 begonnen hat. Die derzeitige Politik deutet darauf hin, dass China nun als wirtschaftlicher Konkurrent und Systemrivale angesehen wird. Davor hatte sich die Europäische Union auf ein wirtschaftliches Engagement mit Peking konzentriert und China mehr als ein Jahrzehnt lang als strategischen Partner betrachtet.

Janka Oertel, Leiterin des Asienprogramms beim European Council on Foreign Relations (ECFR), schrieb in einem Bericht im Januar: „Die Vertrauensfrage ist zu einem Schlüsselmerkmal für die Beziehungen zwischen China und Europa geworden“.

In ihrem Bericht hieß es, die EU-Mitgliedsstaaten sollten sich an ihre Erfahrungen mit dem Ausschluss chinesischer Anbieter während der Einführung von 5G in den Jahren 2019 und 2020 erinnern: „Letztendlich kamen die europäischen Entscheidungsträger zu dem Schluss, dass das Vertrauen – oder der Mangel an Vertrauen in das chinesische Angebot – ein entscheidender Faktor sein sollte.“

Sie warnte, das Sicherheitsrisiko, das mit chinesischen Elektrofahrzeugen verbunden ist, sei schwieriger in den Griff zu bekommen als die Telekommunikationsausrüstung in einem 5G-Netzwerk.

Indes geht Yao-Yuan Yeh, Professor für internationale Studien an der University of St. Thomas in Houston, nicht davon aus, dass die Beziehungen zwischen China und der EU zu einem vollständigen Stillstand kommen werden.

„Ich denke, die Beziehungen zwischen den beiden Seiten befinden sich in einer Pattsituation. Sie wird sich aktuell zwar nicht verbessern, aber sie wird auch nicht völlig in zwei Extreme im Handel und bei den Investitionen zerfallen“, sagte er gegenüber The Epoch Times.

(Mit Material von dpa und The Epoch Times)



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