„Eine Menschenrechtsverletzung, die wir uns viele Jahre lang nicht einmal vorstellen konnten“

In Den Haag treffen sich Überlebende und Experten, um über den Organraub in China zu berichten. „Wir stehen nun einer Menschenrechtsverletzung gegenüber, die wir uns viele Jahre lang nicht einmal vorstellen konnten“, so ein Vertreter einer Ärzteorganisation.
Titelbild
Der Arzt Andreas Weber von Doctors Against Forced Organ Harvesting (DAFOH, l.) und der ehemalige niederländische Abgeordnete Harry van Bommel während einer internationalen Pressekonferenz in Den Haag zum Thema Organraub in China.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 11. Dezember 2024

Den Haag ist Sitz des ständigen Internationalen Strafgerichtshofs, der Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahndet.

Am 10. Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte, fand hier eine internationale Pressekonferenz zum Thema Organraub an Falun-Gong-Praktizierenden in China statt. Eine Überlebende, Ärzte, ein Genozidforscher und andere Experten berichteten von diesem staatlich organisierten Verbrechen durch die Kommunistische Partei Chinas (KPCh).

Eine Frage der Konferenz war, ob diese Menschenrechtsverletzung auch als Völkermord einzustufen ist.

Veranstaltet wurde die Konferenz in der Nähe des niederländischen Parlaments durch die Menschenrechtsorganisation Global Human Rights Defence (GHRD) und die Ärzteorganisation Doctors Against Forced Organ Harvesting (Ärzte gegen Organraub – kurz: DAFOH).

Zuvor überreichte KaYan Wong, Vorsitzende des Niederländischen Falun Dafa Vereins, eine Petition und einen Bericht zu Organraub an Gewissensgefangenen in China an niederländische Parlamentsabgeordnete.

Eine Strategie den Glauben zu unterdrücken

Bei der Konferenz berichtete die chinesische Falun-Gong-Praktizierende Xuezhen Bao, die im Jahr 2007 nach Dänemark flüchtete, von ihren Erlebnissen im chinesischen Gefängnis.

Hintergrund für die Verfolgung von Falun Gong (auch Falun Dafa genannt), eine spirituelle Meditationsbewegung, die sich an den Werten Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht orientiert, ist eine umfassende Strategie der KPCh den Glauben zu unterdrücken. Die erzwungene Organentnahme ist dabei laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International nur die grausamste einer ganzen Reihe von Maßnahmen.

Veranstaltung in Den Haag über erzwungene Organentnahme in China. Xuezhen Bao, Überlebende der Verfolgung von Falun Gong, berichtet. Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Medizinische Untersuchungen an Häftlingen

Bao war dreieinhalb Jahre unrechtmäßig in einem chinesischen Gefängnis wegen ihres Glaubens eingesperrt. Sie berichtete, dass zweimal medizinische Untersuchungen an ihr und andere Praktizierende durchgeführt wurden, die nicht der Gesundheitserhaltung der Häftlinge gedient haben können. Denn Praktizierende wurden in der Haftanstalt regelmäßig gefoltert und misshandelt, teilweise bis zum Tod.

Das erste Mal erlebte sie solch eine Untersuchung Anfang 2003. Vier große Transporter brachten moderne medizinische Ausrüstung in das Gefängnis. Anschließend wurden alle Falun-Gong-Praktizierenden im Gefängnis gezwungen, sich medizinisch untersuchen zu lassen.

Die Untersuchungen waren sehr umfangreich und umfassten die Augen, innere Organe wie Herz, Lunge, Leber und Nieren. „Sie führten auch viele Bluttests an uns durch, wobei wir ununterbrochen von der Polizei streng überwacht wurden.“

Nach einer Ultraschall-Untersuchung ihrer inneren Organe durch eine Ärztin rief diese andere Ärzte zu sich. „Dann hörte ich, wie sie sagten: ‚Oh, das hat keinen Sinn. Das hat keinen Sinn. Wir können sie nicht verwenden.‘ Ich lag einfach nur da und fragte mich, worüber sie sprachen? Was meinten sie damit: ‚Es hat keinen Sinn, wir können sie nicht verwenden‘?“

Während ihrer Zeit im Gefängnis wusste Bao nichts von dem Organraub in China an Falun-Gong-Praktizierenden. Erst später erfuhr sie davon. „Dann wurde mir klar, was damals passiert war. Vermutlich waren meine Organe nicht für eine Transplantation geeignet.“

Sie gehe nun davon aus, dass die Untersuchung damals höchstwahrscheinlich dazu diente, die notwendigen medizinischen Daten der gefangenen Falun-Gong-Praktizierenden an die von der KPCh eingerichtete Organdatenbank zu übermitteln.

„Dann verstand ich auch, warum ich viele diesen Praktizierenden, die die Untersuchung durchlaufen haben, nie wieder sah. Sie waren einfach aus dem Gefängnis verschwunden“, so die 75-Jährige.

Arzt: Unvorstellbare Menschenrechtsverletzung

Andreas Weber, Arzt und stellvertretender Direktor der europäischen Sektion von DAFOH, stellte im Rahmen der Konferenz einen Bericht seiner Organisation zum Organraub in China vor.

In seiner Rede erklärt er: „Wir stehen nun einer Menschenrechtsverletzung gegenüber, die wir uns viele Jahre lang nicht einmal vorstellen konnten.“ Es handele sich um einen schleichenden, schwer erkennbaren „kalten Völkermord“, der unzählige Opfer gefordert habe. Die Falun-Gong-Praktizierenden seien dabei in den vergangenen 25 Jahren ohne Unterlass getötet worden, so der Mediziner.

Internationale Pressekonferenz in Den Haag zum Organraub in China: Forced Organ Harvesting from Living people in China. Andreas Weber von Doctors Against Organ Harvesting (DAFOH). Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

Organraub beschränke sich nicht nur auf das Morden und Auslöschen von Menschen, sondern zielt darüber hinaus darauf ab, mit den Morden Profit zu machen, indem die Organe der Opfer für Transplantationen verkauft werden, berichtet er auf der Veranstaltung.

Diese Praxis finde nur in China auf staatlicher Ebene statt. „Denn die chinesische Regierung sanktioniert den Organraub in ganz China nicht nur wegen des finanziellen Gewinns, sondern nutzt ihn auch, um Falun Gong zu zerstören und auszulöschen.“ Es gehe nicht nur um Profit, sondern auch darum, das Grundrecht auf Religionsfreiheit zu zerstören, so der Vertreter von DAFOH.

„Die Verfolgung von Falun Gong ist vollkommen anders“

Laut Sradhanand Sital, Direktor von GHRD, setze sich die Menschenrechtsorganisation für viele Gruppen ein. „Aber die Verfolgung von Falun Gong ist vollkommen anders.“ Als man als Organisation sah, wie ihre Praktizierende auf der Straße in den Niederlanden um Unterschriften für eine Petition baten, wollte man helfen. „Denn Falun Gong kämpft gegen einen Giganten – die KPCh ist sehr einflussreich.“

Vor dem chinesischen Konsulat in New York City am 20. Juli 2024: Falun Gong Praktizierende erinnern an 25 Jahre Verfolgung. Foto: Larry Dye/Epoch Times

Er berichtet weiter: Als die Organisation begann, Praktizierende zu unterstützen, wurden sie in Form von Cyberattacken heftig angegriffen. „Wir dachten uns, okay, woher das wohl kommt.“

Auch erhielten sie viele Bewerbungen für Praktika von Studenten mit chinesischem Hintergrund.

„Wir möchten keinen der Studenten ausschließen, die für uns arbeiten möchten, denn es geht um die Verteidigung globaler Menschenrechte. Jeder sollte einen Platz in unserer Organisation haben, aber wir wissen auch, dass die Möglichkeit besteht, dass sie mit der chinesischen Botschaft zusammenarbeiten und über unsere Aktivitäten möglicherweise Bericht erstatten. Daher nehmen wir jetzt keine chinesischen Bewerber mehr auf.“

GHRD-Direktor: Westliche Welt hat lange weggeschaut

Er habe das Gefühl, dass die westliche Welt lange Zeit in Bezug auf den Organraub in China weggeschaut habe, da Peking ein wichtiger Handelspartner sei. „Wir konnten billige Produkte aus China beziehen, wir konnten in China investieren, wir konnten viele Dinge in China herstellen, und ich denke, wir sind mitschuldig an der jetzigen Entwicklung dort.“

„Organ-Verbrechen“ von Xiqiang Dong. Chinesische Ärzte und die Polizei verwickeln sich hier in ein schreckliches, wenn auch gut dokumentiertes Phänomen in China: die Zwangsentnahme von Organen.

Die niederländische Botschaft in China wisse genau, was dort [an Menschenrechtsverbrechen] passiere. „Aber sie haben es uns [den Bürgern] gegenüber lange Zeit verheimlicht. Ist das nicht eine Doppelmoral, die wir im Westen haben?“

Die niederländische Regierung sollte härter durchgreifen und ihren Einfluss nutzen, um Minderheiten wie Falun Gong und die Uiguren, die Opfer von Organraub in China sind, zu schützen, findet Sital.

„Ich möchte eine Botschaft an diejenigen richten, die nach China reisen, um sich ein Transplantat zu holen. Denken Sie darüber nach. Was Sie tun, wird auf Sie zurückfallen.“

Ein niederländischer „Falun Gong Protection Act“

Falun-Gong-Praktizierende Wong hält das Bekanntmachen der Verbrechen in China für ein wichtiges Mittel, um sie letztlich zu stoppen.

„In den Niederlanden gibt es ein Sprichwort, das besagt, dass man das Böse ans Tageslicht bringen muss.“

Die KPCh habe große Angst, dass ihre Taten ans Tageslicht kommen. „Deshalb glaube ich auch, kontrolliert Peking die Medien im eigenen Land zu 100 Prozent“, so die gebürtige Chinesin.

Wong sagte, setzt sich für einen niederländischen „Falun Gong Protection Act“ ein.

Das US-Repräsentantenhaus hat im Juni einen Gesetzentwurf zum Schutz von Falun Gong verabschiedet, den „Falun Gong Protection Act“. Einen Monat später brachte der republikanische Senator Marco Rubio einen Gesetzentwurf in den US-Senat ein. Rubio ist auch der designierte US-Außenminister der Regierung Trump.

Falls der Entwurf zum Gesetz wird, könnten alle, die am Organraub an Falun-Gong-Praktizierenden beteiligt sind oder diesen erleichtern, sanktioniert werden. Sie würden kein US-Visum mehr erhalten und ihr Eigentum in den USA würde beschlagnahmt.

Das US-Außenministerium müsste dann zudem halbjährlich einen Bericht über den Organraub erstellen und die Zusammenarbeit mit China im Bereich der Transplantation müsste für alle staatlichen und privaten Stellen in den USA vollständig eingestellt werden.

Zudem müsste die US-Regierung mit Verbündeten und multilateralen Institutionen zusammenarbeiten, um auf die Verfolgung von Falun Gong durch China hinzuweisen und sich eng mit der internationalen Gemeinschaft über gezielte Sanktionen abzustimmen.

Laut Wong sollte so ein Gesetz nicht auf die Niederlande beschränkt sein.

„Ich denke, dass ein EU-Falun-Gong-Schutzgesetz natürlich noch sinnvoller wäre, weil es europaweit gelten würde, und es dann 27 Länder unterstützen.“ Die Europäische Union habe eine größere Kraft, um auf Peking einzuwirken, und sie wissen zu lassen, dass es so nicht weitergehen könne und sie die Verfolgung von Falun Gong beenden müsse, findet die Niederländerin.

KP-Führung ruft zur Verfolgung im Ausland auf

Wong berichtete von einem kürzlich durchgesickerten, glaubwürdigen Bericht aus dem Führungskreis der KPCh.

Darin soll es heißen, dass die Partei Falun Gong auch außerhalb von China auslöschen wolle. Das Regime plane dafür, ihre Propaganda, Desinformation und länderübergreifende Unterdrückungsaktivitäten zu verstärken, um Falun Gong weltweit und insbesondere in den USA zu bekämpfen.

„Wir als Falun Gong Praktizierenden sind sehr besorgt darüber. Als niederländische Praktizierende hoffen wir, dass die Regierung in Den Haag dem mehr Aufmerksamkeit schenkt.“

Vorher sei es hauptsächlich um die Verfolgung von Falun-Gong-Praktizierenden in China gegangen.

Jetzt ziele die KPCh auf die Narrative in den Medien ab und nutze die Meinungs- und Pressefreiheit in der westlichen Welt und ihre sozialen Medien als Waffe, um Falun Gong zu diffamieren und zu unterdrücken.

Auf die Frage, warum die KPCh, obwohl sie ihren ganzen Staatsapparat und hohe Geldsummen zur Auslöschung von Falun Gong einsetzt, dieses Ziel auch nach über 25 Jahren nicht erreicht hat, erklärt sie:

„Wir haben immer friedlichen Widerstand gegen die brutale Verfolgung geleistet. Ich denke, das liegt an der Kraft der Kernprinzipien von Falun Gong – Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht –, sie sind verbunden mit der jahrtausendealten chinesischen Kultur.“

Tochter Li Xiaohua und Mutter Ju Reihjong nehmen am 21. Juli 2022 am Washington Monument an einer Kerzenmahnwache zum Gedenken an die Opfer der 23-jährigen Verfolgung von Falun Gong in China teil. Ju Reihjong hält ein Foto ihres Mannes und Lis Vater Li Delong, der bei der Verfolgung ums Leben kam. Foto: Samira Bouaou/Epoch Times

Genozidexperte sieht einen Völkermord

An der Veranstaltung nahm auch der niederländische Anthropologe und Autor Anthonie Holslag teil. Er hat sich auf die Erforschung von Völkermord, speziell des Genozids an den Armeniern, spezialisiert.

Für ihn ist die Verfolgung von Falun Gong durch die KPCh ein Völkermord, obwohl er formal von der präzisen juristischen Definition her nur fünf von zehn Merkmalen erfüllt sieht.

Völkermord ist gekennzeichnet „durch die Absicht […], eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise auszulöschen.“ Dabei zählt allein die Absicht des Täters. Jedoch ist diese Absicht in der Regel in Strafrechtsverfahren besonders schwer nachzuweisen, so Holslag.

Washington, USA: Eine nachgestellte Szene, die auf den illegalen Organraub in China aufmerksam macht, anlässlich des Staatsbesuches des ehemaligen chinesischen Staatschefs Hu Jintao. Foto: Jim Watson/AFP via Getty Images

Auf diese Aussage von Holslag auf dem Podium wendete Weber von der Ärzteorganisation DAFOH ein, dass der Initiator der Verfolgung von Falun Gong, der damalige und mittlerweile verstorbene KPCh-Vorsitzende und Staatschef Jiang Zemin, im Jahr 1999 den Befehl erteilte, Falun Gong auszulöschen. Sein Befehl lautete: „Vernichtet sie physisch, ruiniert sie finanziell und zerstört ihren Ruf!“

Überlebende: Organraub hat sich ausgeweitet

Überlebende Bao hofft, dass Menschen auf der ganzen Welt etwas gegen die Verfolgung und den Organraub unternehmen und dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken.

Organraub in China finde mittlerweile nicht nur an Falun-Gong-Praktizierenden oder Gewissensgefangenen statt, sondern habe sich bereits auf verschiedene Teile der Gesellschaft ausgeweitet, berichtet sie. Kleine Kinder, Universitätsstudenten seien einfach verschwunden. Als man ihre Körper später fand, fehlten ihnen Organe.

„Das, was man heute weiß, ist nur die Spitze des Eisbergs“, so Bao.

Die Petition von DAFOH finden Sie hier: Stop Forced Organ Harvesting Sign the G7+7 Petition

Den Bericht von DAFOH finden Sie hier: „Forced Organ Harvesting From Living People in China“  



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