Ein Schloss, still im Land

Rückzugsort und Ruhepol, etwa 45 Kilometer südwestlich von Berlin. Der Internationale Museumstag führte zu einer Perle in Brandenburg: die Ausflugsresidenz eines preußischen Königspaares – Schloss und Dorf Paretz. „Niemals habe ich mich so glücklich gefühlt wie hier“, war sich Königin Luise sicher.
Titelbild
Schloss ParetzFoto: Roland Rossner
Von 23. Mai 2023

Der erste wirkliche warme Tag im Jahr. Länger als gedacht braucht es, um sich aus den Ausläufern der Großstadt heraus zu radeln. Doch pünktlich um 15 Uhr stehe ich zur Schlossparkführung vor dem eher unspektakulär wirkenden, langgestreckten Schloss. Ursprünglich ein Gutsgebäude, wie ich später erfahre.

Die Atmosphäre des weitläufigen Schlossparks, der sich sowohl vor als auch hinter den Gebäuden erstreckt, ist Balsam. Schlanke, hochgewachsen Bäume stehen locker gruppiert im hohen Maigras, welches sich über das Auf und Ab der Hügel erstreckt. All das wirkt so natürlich und in selbstverständlicher Eleganz, dass man kaum glauben kann, dies sei künstlich erschaffen.

„Schloss Still-im-Land“

In der Tat liegt allem sorgfältige Planung zugrunde, und zwar von David Gilly. Der Berliner Architekt wurde vom Königspaar – Wilhelm III. mit seiner Frau Luise – 1797 beauftragt, das Landgut an der Havel in ein Landschloss zu verwandeln. Dies sollte vor allem eines ausstrahlen: Ruhe. So erhielt es auch den Beinamen „Schloss Still-im-Land“ und bot der königlichen Familie im späten Sommer zur Erntezeit einen Ort des Rückzugs.

Das alles erfährt die kleine Gruppe der Interessierten von Kerstin Sinnok, die uns dabei über den Schlosshof in Richtung des hinteren Schlossparks geleitet, der die Sicht weit ins Land freigibt. Grasende Pferde auf den dahinter gelegenen Weiden fügen sich wie in ein Gemälde ein.

Ziel ist der neu angelegte Grottenberg des Schlossgartens. Anhand alter Pläne und Bilder wurde hier von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten – mit Unterstützung durch großes bürgerliches Engagement – dieses Idyll wieder neu kreiert. Zumindest in Anfängen. Denn das japanische Teehäuschen, welches ursprünglich oben auf der Plattform des Hügels thronte, harrt noch seines Wiederaufbaus.

Hier oder auch in der darunter gelegenen, früher prächtig ausgestatteten Grotte, die an heißen Tagen erfrischende Kühle bot, mag Luise gehandarbeitet oder auch einfach nur Tee getrunken haben – den Blick zum Horizont Ausschau haltend.

Paretzer Skizzenbuch: Anlagen am Grottenberge im Garten, 1811. Foto: Stiftung Preußische Gärten und Schlösser

Die deutsche Lady Di

Beliebt war sie im preußischen Volk, wie keine andere Königin. Selbst Napoleon zeigte sich von ihr beeindruckt. Und auch hundert Jahre später war sie Anfang des 20. Jahrhunderts ein Idol für heranwachsende Mädchen, erfahre ich von einer der Teilnehmerinnen der Schlossparkführung. So sei es für Ihre Großmutter gewesen.

Nach dem frühen Tod von Luise sollen täglich um die 1.000 Menschen zum Grottenberg gepilgert sein. Denn hier hatte der Ehemann im sogenannten Tempelchen eine Gedenktafel anbringen lassen, mit der Aufschrift: Gedenke der Abgeschiedenen. Er erinnert damit zeitgleich an seinen ebenfalls früh verstorbenen Bruder Friedrich Ludwig, der wiederum mit Luises Schwester Friederike verheiratet gewesen war.

So von Kerstin Sinnok in preußisch-königliche Familiengeschichte eingestimmt, wollen die meisten sich auch nicht die anschließende Führung durch das Schloss entgehen lassen. Von innen nun offenbart sich erst das Juwel. Das Außergewöhnliche sind die überwiegend original erhaltenen Papiertapeten – aus Lumpen geschöpft, handbemalt und 1947 durch Einlagerung in Potsdam gerettet.

Gesellschaftssaal: Detail der ostasiatischen Vogeltapete Foto: Roland Rossner

Farbenpracht im Landidyll

Jetzt leuchten sie wieder von den Wänden, vorsorglich nur angepinnt, dies bleibt dem Auge jedoch verborgen. Die Nähe der Räumlichkeiten lässt familiäre Intimität erahnen, ist aber durch die bezaubernde Ausgestaltung der Wände eines Königspaares würdig.

Das Mobiliar ist nur zum Teil original, da nach der sowjetischen Besetzung alles geplündert wurde, doch stammt es aus den umliegenden Schlössern im klassizistischen Stil Anfang des 19. Jahrhunderts. Es entsteht eine Ensemblewirkung, welche die Betrachter in Bann zieht.

Wohnzimmer der Königin Foto: Celia Rogge

Mit dem Ende der Führung schließt auch das Schloss seine Pforten. Als ich wieder in die frühsommerliche Wärme trete, mag der Abschied vom Ort gar nicht gelingen. So zieht es mich noch in die umliegenden gepflasterten Straßen.

Dort entdecke ich die Geschlossenheit des Ensembles auch im Dorf. Gilly hatte damals gleich sämtliche Anwesen der Gutsarbeiter in die Umgestaltung einbezogen. Dass Königin Luise sich in Paretz wohlfühlte, ist mehr als verständlich.



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