Ehefrau des chinesischen Anwalts appelliert an zivilisierte Gesellschaft

„ ‚Vielleicht wird sich eines Tages ein autoritäres Regime, das sich dafür entschieden hat, ein Feind der Menschenrechte zu sein, wie eine Ratte darstellen, die vor den Augen der gesamten Menschheit über die Straße läuft.’ Diese Worte sprach einmal Gao Zhisheng und hatte keinen Zweifel daran, dass es so kommen wird.“ So endet der offene Brief von Geng He vom 16. September. Die Ehefrau des bekannten chinesischen Menschenrechtsanwalts Gao Zhisheng hat seit sechs Monaten nichts mehr von ihrem Mann gehört und weiß „noch nicht einmal irgendjemand in der Welt, ob er noch lebt“, fasst Gen He ihre Sorge in Worte.
Titelbild
Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng und seine Ehefrau Geng He. (The Epoch Times)
Epoch Times9. Oktober 2009

Liebe Freunde,

Zuerst möchte ich Ihnen vor allem für Ihr Interesse und Ihre liebende Sorge danken. Gleichzeitig möchte ich meiner Hochachtung Ihnen allen gegenüber Ausdruck verleihen!

Mein Ehemann wurde am Abend des 3. Februar dieses Jahres wieder von den chinesischen kommunistischen Behörden entführt. Seit den vergangenen sechs Monaten weiß noch nicht einmal irgendjemand in der Welt, ob er noch lebt oder nicht. Seit November 2004 ist er zum wiederholten Male vom kommunistischen Regime entführt und inhaftiert worden. Dieses Mal ist es die längste Haft, die er jemals erlitten hat. Wenn ich Ihnen meine Gefühle beschreiben wollte, die mich jedes Mal quälten, wenn mein Mann entführt wurde, dann würde ich in einen Abgrund endloser Dunkelheit stürzen. Niemand hat mehr intensive Erfahrungen mit dem absolut gesetzlosen Staat des autoritären Systems Chinas gemacht als ich.

In China ist der Umgang mit Menschenrechtsanwälten wie Gao Zhisheng nicht so sehr eine Festnahme durch die Regierung sondern vielmehr eine Einkerkerung durch eine verbrecherische Bande. Während solcher Haftzeiten erleiden die Inhaftierten sowohl körperliche als auch seelische Folter. Die Brutalität und Grausamkeit solcher Folterungen sind so extrem geworden, dass jeder Mensch, der in einer zivilisierten Gesellschaft lebt, fühlt und weiß, dass diese absolut unannehmbar sind.

Man kann meine Kinder und mich nicht mit Gao Zhisheng vergleichen. Er hat seine alles umfassende spirituelle Welt. Für uns bedeutet er selbst fast die Gesamtheit unserer geistig-seelischen Welt. Jedes Mal, wenn er von den kommunistischen Behörden entführt wurde, stürzten unsere Gefühle in eine endlose Dunkelheit. Ich entdeckte, dass meine beiden Kinder, vor allem meine Tochter Gege, auch in diese Art endloser Dunkelheit fielen, was bei Kindern in ihrem Alter niemals geschehen dürfte.

Im April 2009 betrat ich eines Tages das Zimmer meiner Tochter. Sie saß dort ganz still, hielt das Foto ihres Vaters in den Händen und Tränen liefen über ihr Gesicht. Bevor ich etwas sagen konnte, sprach sie: „Es tut mir Leid, Mama. Jeden Tag um diese Zeit will ich mit Papa reden. Könntest du bitte draußen bleiben?“ Tränen strömten über mein Gesicht, als ich mich umdrehte. Mein kleiner Sohn Tianyu fragt mich auch oft nach seinem Vater. Mein kleiner Sohn sagte zu mir: „In meinem Herzen gibt es einen sehr langen roten Faden. Immer wenn mein Papa irgendwohin geht, dann ist er mit diesem Faden verbunden.“ Die zwei Kinder haben beide das Foto ihres Vaters auf ihrem Computer stehen. Keiner hat sie darum gebeten. Es gehört für beide übereinstimmend in die Welt ihrer Gefühle und bricht mir das Herz.

Allein in Peking sind in diesem Jahr 21 Rechtsanwälte von den lokalen Behörden brutal unterdrückt worden, weil sie sich für Menschlichkeit und die Stimme ihres Gewissens eingesetzt haben. Es ist nachgewiesen, dass die Regierung in Peking entschlossen ist, das Gewissen des Volkes auszumerzen. Bei den Bemühungen der chinesischen Menschen, die Menschenrechte zu verbessern, hat die Finanzkrise in der ohnehin schlimmen Situation noch eine weitere Katastrophe ausgelöst. Und was in diesem Augenblick noch beunruhigender ist, ist die Tatsache, dass die ganze Welt weg sieht oder vorgibt, nicht zu bemerken, dass China gegenwärtig ein undurchschaubarer korrupter Staat ist – ein schlechter und vollkommen gesetzloser Staat. Einige westliche Länder machen ihren Profit auf Kosten der chinesischen Strafgefangenen. Sie sind in der Tat zu Komplizen des kommunistischen Regimes geworden. Ich möchte bei dieser Gelegenheit an alle appellieren, wachsam zu werden!

Es tut mir sehr Leid, dass ich auf Ihr Engagement und Ihre liebende Sorge nur schriftlich reagieren kann. Wenn ich mir die entsetzlichen Leiden der letzten vier Jahre ins Gedächtnis zurückrufe, überwältigen mich die schmerzlichen Erinnerungen. Gegenwärtig habe ich nur ein Ziel: meine Kinder in einer friedlichen Umgebung leben zu lassen, in einer wenigstens oberflächlich erscheinenden friedlichen Umgebung. Ich schätze Ihr Verständnis für unsere Situation außerordentlich!

Zusätzlich möchte ich noch meine Dankbarkeit und Hochachtung denjenigen gegenüber zum Ausdruck bringen, die Chinas Bemühungen um Menschenrechte und um die Aufrechterhaltung des Gewissens unterstützen und sich dafür einsetzen. Und ich danke allen freundlichen Menschen, die sich um meine Kinder und mich sorgen. Zu dieser Gruppe von Menschen gehört auch Rechtsanwalt He Junren in Hongkong. Ihre Anteilnahme und Hilfe bringt Licht in unsere Herzen. Schon immer habe ich diesen Menschen danken wollen. Mit Ihrer Hilfe nun bietet sich mir die Gelegenheit, diesen offenen Brief zu publizieren. Ich möchte diese günstige Gelegenheit wahrnehmen, um meiner Dankbarkeit detailliert Ausdruck zu verleihen.

Auch möchte ich bei dieser Gelegenheit meine Grüße und besten Wünsche an die Gefangenen und ihre Familien senden, die aus Gewissensgründen in China leiden müssen. Ich rufe die restliche Welt dazu auf, sich für sie und für die Werte, die sie repräsentieren, einzusetzen. Da gegenwärtig 1,3 Milliarden chinesische Menschen von den grundlegenden Menschenrechten ausgeschlossen sind, wird deutlich, dass die Anstrengungen der Menschheit, die Menschenrechte zu verbessern, weit davon entfernt sind, perfekt zu sein. In gewisser Weise muss man sie für ausgesprochen unzureichend halten.

Kürzlich bemerkte ich in der Menge derer, die für die Freilassung von Aung San Suu Kyi von Burma appellierten, völlig unerwartet auch einige Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas. Wer jedoch aus der Menge derer, die sich für Aung San Suu Kyi einsetzten, ist sich nicht der Tatsache bewusst, dass die gefährliche Situation, in der sich chinesische politische Gefangene wie Gao Zhisheng befinden, weitaus tragischer und unmenschlicher ist als die von Aung San Suu Kyi?

Ich weise jedermann ausdrücklich daraufhin, den Grad der Aufmerksamkeit und Anteilnahme, die Aung San Suu Kyi zuteil wird, auch auf das autoritäre China zu richten.

„Vielleicht wird sich eines Tages ein autoritäres Regime, das sich dafür entschieden hat, ein Feind der Menschenrechte zu sein, wie eine Ratte darstellen, die vor den Augen der gesamten Menschheit über die Straße läuft.“ Diese Worte sprach einmal Gao Zhisheng und hatte keinen Zweifel daran, dass es so kommen wird.

Geng He, am 16. September 2009 in den USA

 

Leserbrief

 

Tibetischer offener Brief an die Ehefrau des Menschenrechtsanwalts Gao Zhisheng

Ich antworte auf den Artikel „Offener Brief von Geng He, Ehefrau des Menschenrechtsanwalts Gao Zhisheng“. Wir, die Tibeter auf der ganzen Welt stehen bei Ihrem Ehemann und unserem Helden, dem Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng, zutiefst in der Schuld für seinen Beitrag zu den Menschenrechten und der Demokratie in China. Er ist ein Symbol der Hoffnung und Demokratie in China.

Wir hegen tiefen Respekt für ihn und sind schockiert darüber, dass er mehrmals von der kommunistischen Partei Chinas entführt wurde. Wir bedauern zutiefst, das Sie und Ihre zwei Kinder aus Ihrem Land fliehen mussten, um in den Vereinigten Staaten in Sicherheit zu sein. Wir werden unser Bestes tun, die Welt wissen zu lassen, dass Gao Zhisheng kein Krimineller ist, sondern ein Held der Chinesen und Tibeter. Bitte verlieren Sie nicht die Hoffnung, denn die kommunistische Partei Chinas kann Ihren Mann nicht für immer zum Schweigen bringen. Freiheit für China & Freiheit für Tibet.

Lang lebe die 1.500 Jahre alte feste und aufrichtige Freundschaft, die Chinesen und Tibeter teilen.

Dhondup Chophel
Sekretär der tibetischen Gemeinde Australiens (NSW)
Sydney, NSW, Australien

 

Originalartikel (englisch): http://www.theepochtimes.com/n2/content/view/23413/



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