Die stille Kraft der „Weißen Frauen“: Wenn Bilder Geschichten erzählen
Es ist kurz vor 17:00 Uhr, als das Feuer an der Zündschnur langsam hoch züngelt. Die Böllerkette kracht und zischt für einen Moment. Musik ertönt. Allmählich formt sich aus der dicht gedrängten Menschentraube eine sichtbare Ordnung.
Männer und Frauen in unterschiedlichen Kostümen und Uniformen reihen sich zu einer festlichen Parade auf: anmutig tanzende Feen, zum Trommelschlag spielende Löwen. Zwischen der Menge schlängelt sich ein goldgelber Drache. Reihenweise Transparente in verschiedenen Farben, Größen und Sprachen ziehen neugierige Blicke von Passanten auf sich.
Ein Stück Geschichte mittragen
Gleich geht es los. In Denise Alfjorden herrscht innere Ruhe. Komplett in Weiß gekleidet hält sie ein mit Kunstblumen verziertes Bild in ihren Händen – ein Porträt eines Mannes, den sie nie persönlich kennengelernt hatte. Und doch spürt sie eine tiefe Verbundenheit zu dieser Person.
„Was ich halte, ist nicht nur ein Bild“, erklärte die Krankenschwester aus Zürich. Es sei eine Geschichte, die sie mit allen Menschen teilen wolle. Eine Geschichte von Mut und Glaube, von Würde und einem unerschütterlichen Willen, für die Prinzipien Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht einzustehen.
Der junge Mann auf dem Bild, ein Falun-Dafa-Praktizierender aus China, ist Opfer der brutalen Verfolgung durch die Kommunistische Partei Chinas (KPC). Weil er seinen Glauben nicht aufgeben wollte, wurde er verhaftet und zu Tode gefoltert.
So wie Denise Alfjorden versammelten sich rund 1.400 Praktizierende der Kultivierungsschule Falun Dafa am Samstag, 26. August, in der Hauptstadt Frankreichs, um auf die Verfolgung von Falun Dafa in China aufmerksam zu machen. Von der Tian Guo Marching Band angeführt, marschierten die Teilnehmer durch das Pariser Chinatown. Es war die zweite Parade an diesem Tag.
Viele von ihnen waren von weit her angereist, darunter aus Israel, Lettland, Deutschland, Italien, Spanien, Ukraine und Russland. Es waren Teilnehmer aus mehr als 30 Ländern vertreten. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen, präsentieren unterschiedliche Kulturen, haben jedoch ein gemeinsames Ziel: Sie wollen zeigen, dass Falun Dafa weltweit präsent ist und dass die Kommunistische Partei Chinas mit ihrer Agenda, diese spirituelle Praxis auszulöschen, gescheitert ist.
Verfolgung von Falun Dafa in China „betrifft uns alle“
Seit nun mehr als 24 Jahren informieren die Falun-Dafa-Praktizierenden die internationale Gemeinschaft über die tragischen Schicksale von Millionen Chinesen. Wo auch immer lokale Falun-Dafa-Praktizierende eine Parade veranstalten – sie bekommen Unterstützung aus allen Ecken der Welt. So kamen Hunderte Praktizierende im August nach Wien, in die Slowakei oder nach Prag. Ende September sind sie in Holland, dann in Athen.
Diese andauernde Verfolgung betrifft nicht nur China, „sondern uns alle“, meinte Alfjorden. Wie die Welt auf diese Brutalität reagiert, spiegele schließlich den moralischen und ethischen Status einer Gesellschaft wider. Sie fügte hinzu: „Wenn wir bereit sind, einander zuzuhören und aus der Geschichte von anderen zu lernen, können wir wachsen.“
Nur mit Mühe konnte die Schweizerin ihre Tränen zurückhalten. In dem Moment, in dem sie das Bild des Verstorbenen in den Händen hielt, empfand sie tiefe Dankbarkeit für den Mut dieses Praktizierenden, sagt sie.
„Wie viel Leid hat diese Person wohl ertragen müssen, damit die Welt erkennen kann, wie wichtig die drei Prinzipien Wahrhaftigkeit, Güte und Nachsicht sind?“, fragte sie sich. Für Alfjorden sei es eine Ehre, ein Teil dieser Geschichte sein zu dürfen.
Ein Ausdruck der „Schönheit und Würde“
Zusammen mit etwa 70 Frauen – alle in festlicher weißer Kleidung – gedenkt sie der gestorbenen Falun-Dafa-Praktizierenden. In der chinesischen Kultur steht die Farbe Weiß für Trauer, sie wird meist auf Beerdigungen getragen.
Seit 2018 koordiniert Veronika Müller auf vielen internationalen Paraden die Gruppe der „Weißen Frauen“. Für die Floristin aus Frankfurt am Main haben die weißen Kleider noch eine andere Bedeutung. Diese sei auch Ausdruck von Schönheit und Würde. „Wir würdigen die verstorbenen Praktizierenden, indem wir an sie und an das, was sie erlitten haben, erinnern.“
Die Schicksale der verstorbenen Praktizierenden haben auch sie zutiefst berührt. Doch Veronika Müller trägt Hoffnung im Herzen. Denn so wie zahlreiche Christen und Buddhisten glaubt auch sie als Falun-Dafa-Praktizierende, dass es nach dem Tod eine Form der Weiterexistenz gibt. Der „physische Tod“ könne nicht das endgültige Ende sein.
Solange die Verfolgung von Falun Dafa anhält, wird Denise Alfjorden weiterhin die tragischen Geschichten der gefolterten und verstorbenen Praktizierenden weiterverbreiten und die internationale Gemeinschaft darauf aufmerksam machen. Die nächsten Paraden sind schon geplant.
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