Die „rohe Gewalt eines repressiven Staates“: Fünf Jahre Haft in China für Aktivisten aus Taiwan
Im ersten Prozess gegen einen taiwanesischen Bürgerrechtler in China ist der Hochschullehrer Lee Ming-che zu einer hohen Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Ein Volksgericht in Yueyang (Provinz Hunan) befand den 42-Jährigen der „Untergrabung der Staatsgewalt“ für schuldig.
Sein chinesischer Mitstreiter Peng Yuhua wurde sogar zu sieben Jahren verurteilt. Beiden war vorgeworfen worden, über Jahre ein Netzwerk aufgebaut zu haben, um in China ein Mehrparteiensystem zu schaffen.
Der Prozess schlug in der freien, demokratischen Inselrepublik und international große Wellen. Die Frau des Aktivisten, die zur Urteilsverkündung aus Taiwan angereist war, zeigte sich „stolz“ auf das Engagement ihres Mannes für Demokratie. „Man muss den Preis für die Verfolgung seiner Ideale bezahlen“, sagte Lee Ching-yu. Ihr Mann habe sicher gewusst, dass er möglicherweise auch gefoltert worden wäre, wenn er sich nicht schuldig bekannt hätte.
Die „rohe Gewalt eines repressiven Staates“
Taiwans Präsidentenamt übte scharfe Kritik. Die Verbreitung von Demokratie sei kein Verbrechen, sagte ein Sprecher in Taipeh. Der Hochschullehrer solle umgehend freigelassen werden. Der Fall habe die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Taiwan und der kommunistischen Volksrepublik schwer beschädigt. Die Führung in Peking betrachtet die Insel nur als abtrünnige Provinz und behandelt Taiwanesen häufig einfach wie eigene Staatsbürger.
Das harte Urteil dient aus Sicht von Menschenrechtlern auch als Warnung an Kritiker und Aktivisten von außen, besonders aus Taiwan oder Hongkong. Erinnert wurde an das chinesische Sprichwort: „Das Huhn töten, um den Affen zu erschrecken.“ Patrick Poon von Amnesty in Hongkong sagte: „Das Urteil zeigt, wie die chinesische Regierung versucht, sogar Kritiker von außerhalb Chinas zum Schweigen zu bringen.“ Das Urteil solle „abschreckende Wirkung“ haben.
Der Amnesty-Forscher warnte auch, dass das neue Gesetz zur Kontrolle ausländischer, regierungsunabhängiger Organisationen (NGO) in China strafrechtliche Verfolgung ermögliche. Die Gefahr sollte „nicht unterschätzt“ werden, dass Mitarbeiter dieser Organisationen wie Lee Ming-che wegen „Subversion“ ins Fadenkreuz geraten könnten.
Fünf Jahre Haft dafür, dass der Aktivist nur über soziale Medien Diskussionsgruppen aufgebaut habe, um über Demokratie zu debattieren, sei „erstaunlich harsch“, sagte Maya Wang von Human Rights Watch. „Was hier gezeigt wurde, war nicht Gerechtigkeit, sondern rohe Gewalt eines repressiven Staates, der jemanden in die Unterwerfung zwingt.“
Erzwungenes Geständnis
Bei der Verhandlung im September bekannte sich der Aktivist schuldig, doch sahen Menschenrechtler ein erzwungenes Geständnis. „Ich bereue meine Tat“, wurde Lee Ming-che zitiert. Er habe an Aktivitäten teilgenommen, mit der die Partei, die Regierung und das politische System Chinas „bösartig angegriffen und verunglimpft“ worden seien. Nach dem Urteil verzichtete Lee Ming-che darauf, Berufung einzulegen, doch verhalf ihm die Kooperation nicht zu einer milden Strafe.
Die Anklage warf ihm und dem Mitangeklagten Peng Yuhua vor, über soziale Medien Dutzende Menschen angeheuert zu haben, um eine Organisation zu gründen, die das bestehende politische System in China stürzen sollte, berichtete die Staatsagentur Xinhua. Mit dem Ziel hätten sie auch Artikel und Bücher geschrieben. Lee Ming-che sei mehrmals nach China gereist, um an Treffen teilzunehmen.
Die Verfolgung von Lee Ming-che, der im März bei der Einreise nach China festgenommen worden war, hat unter vielen Taiwanesen Angst ausgelöst, ob sie bei Reisen nach China noch sicher sind. Rund sechs Millionen besuchen jährlich die Volksrepublik. Das Urteil erfolgte vor dem Hintergrund der verschärften Verfolgung von Aktivisten und auch Bürgerrechtsanwälten in China seit mehr als zwei Jahren. Das EU-Parlament hatte im Juli die Freilassung des Aktivisten gefordert.
Bei der Anreise der Ehefrau zur Urteilsverkündung kam es zu einem Zwischenfall. Ihrer Freundin Wang Li-ping, ehemals Abgeordnete der in Taiwan regierenden Fortschrittspartei (DPP), wurde am Flughafen überraschend die Einreise verweigert. Dabei sei ihre Mitreise der chinesischen Seite vorher angekündigt worden, ohne dass diese Einwände vorgebracht habe, berichtete Taiwans Nachrichtenagentur CNA. Wang Li-ping musste kehrt machen und nach Hongkong ausfliegen. (dpa)
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