Die Hölle von Wuhan: Totale Kontrolle und keine Hilfe – „Wir warten auf den Tod“

"Wenn es einen Krieg gibt, kann ich noch rennen und fliehen. Ich kann jetzt überhaupt nicht entkommen. Wenn es die Hölle gibt, dann ist es jetzt die Hölle." - Ein Familienvater schildert das Überleben im abgeriegelten Wuhan.
Von 10. März 2020

Das Leben in Wuhan ist die Hölle. Seit 46 Tagen ist die chinesische Provinzhauptstadt Wuhan abgeriegelt. In ihr wütet das Coronavirus. Vergangene Woche sprach Herr Pan mit der chinesischsprachigen „Epoch Times“ („DaJiYuan“) über die große Not, in der sich seine vierköpfige Familie befindet. „Jetzt sind meine Ersparnisse fast aufgebraucht“, sagt er. Und auch die Lebensmittelvorräte. Offenbar geben die Behörden die Stadt nicht vor Ende April frei, wie Herr Pan von einem Beamten hörte.

Die Hölle von Wuhan

„Mein Klassenkamerad ist tot. Vom Krankenhaus bis zum Krematorium hat es nur vier Tage gedauert.“ Sie hätten vor dem Neujahr am 25. Januar noch zusammen gegessen und getrunken. „Da war alles bei ihm noch in Ordnung. Nun ist er tot.“ Auch sein Vater sei gestorben, die Mutter schwer erkrankt: Coronavirus. Herr Pan sprach zusätzlich über das Schicksal einer Familie, die im selben Haus wie sein Vater wohnte: „Alle sind gestorben.“

Vor einiger Zeit hätte ihm noch ein Freund erzählt, dass Menschen lebendig in Leichensäcke gewickelt worden seien. Sie seien noch am Leben gewesen, als man sie zum Krematorium brachte. Herr Pan sagt:

Das ist die Hölle. Wir werden in der Hölle gekocht, warten auf das [himmlische] Urteil oder warten darauf, dass das Feuer uns verbrennt, warten darauf zu sterben. Wir haben Angst, weil das Coronavirus überall ist.“

Herr Pan wisse nicht, ob es etwas Schlimmeres gebe: „Wenn es einen Krieg gibt, kann ich noch rennen und fliehen. Ich kann jetzt überhaupt nicht entkommen. Wenn es die Hölle gibt, dann ist es jetzt die Hölle.“

Im Video: Der taiwanesische Rockmusiker Lin Dajun („The Chairman“-Band) postete auf Facebook eine Szene aus Wuhan, die er mit „Stimmen aus der Hölle“ umschrieb: Erleuchtete Fenster in Hochhäusern, helle Punkte in dunkler Nacht. Keine Menschenseele war zu sehen, nur Schreie zu hören, in der Dunkelheit: „Hilfe, Hilfe, rettet uns!“

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Warten auf den Tod

Herr Pan lebt mit seiner Frau und den beiden Kindern im Bezirk Jianghan von Wuhan. Früher war Herr Pan Eigentümer eines kleinen Unternehmens, musste jedoch nach dem wirtschaftlichen Abschwung schließen. Er arbeitet nun in Gelegenheitsjobs, um seine Familie über Wasser zu halten. Am 3. März sprach er mit „DaJiYuan“ über seine Situation.

Die Beamten sagen, dass die Sperrung der Stadt nicht vor Ende April aufgehoben wird. „Wenn es so weitergeht, weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich habe Eltern und Kinder.“ Sein Vater habe eine Herzkrankheit und hohen Blutdruck. Er kann nicht hinaus, auch nicht ins Krankenhaus. „Was für eine Welt ist das? Ich denke, wir warten auf den Tod, nur auf den Tod. “

Der Reis sei fast aufgebraucht, noch drei, vier Tage, das Gemüse, ein oder zwei Tage. Das Geld geht aus: „Ohne Geld, wer verkauft dir Essen?“ Auch der Strom werde möglicherweise bald abgestellt.

Was soll ich tun? Was soll ich mit den Kindern tun? Wie soll ich leben? Ich sitze jetzt nur Zuhause und warte auf den Tod.“

Der Familienvater würde sogar hinausgehen, um um Essen für seine Familie zu betteln. Aber die Türen sind versiegelt. Und selbst dann: „Ich werde von der Polizei erwischt und geschlagen, wenn ich hinausgehe.“

Am 11. Februar hatte die Regierung beschlossen, die Arbeit der Betriebe wieder aufzunehmen, die Produktion zu starten. Dafür wurde die Quarantäne in vielen Teilen gelockert.

Herrn Pan hilft das nicht weiter: „Ich habe nur Gelegenheitsarbeit gemacht.“ Als er seinen Chef anrief, ging dieser nicht an den Apparat. „Er ist wahrscheinlich bankrott gegangen“, meint Herr Pan. Er versuchte es auch bei anderen Chefs. Sie rieten ihm nur daran zu denken, wie er überleben könne. „Arbeiten? Es gibt nichts zu tun, nichts zu tun und keine Arbeit.“

Kommunistische Partei: Nur Kontrolle – keine Hilfe

Herr Pan ärgert sich über die Behörden: „Ich war auch ein Chef. Wenn du einen Yuan Steuern zu wenig zahlst, wird dich das Steuerbüro fangen. Du sollst auf keinen Fall zu wenig Steuern zahlen. Aber wenn du Schwierigkeiten hast, musst du sie selbst überwinden.“

Seit der Schließung der Stadt hatte er sich mehrfach an die Behörden gewandt: „Ich habe den Bezirk angerufen, und der Bezirk hat mich gebeten zu warten.“ Er habe mehr als dreißig Tage gewartet. Dann rief er beim Bürgermeister an, die Hotline. Keine Antwort. „Ich fragte die Hotline, gibt es einen Bürgermeister? Es gibt keine Bürgermeister-Hotline, weil dieser Bürgermeister nicht von uns ausgewählt wurde“, ärgert sich Pan.

Seit Mitte Februar wurde die Kontrolle der Partei immer strenger – von der Sperrung von Straßen und Gemeinden bis hin zum Einkaufsverbot, alle Lebensgrundlagen werden kontrolliert. Von anderen Provinzen sollen Hilfsgüter nach Wuhan geliefert worden sein. Bei Familie Pan kam jedoch nichts davon an:

Ich habe noch nicht einmal ein Reiskorn gesehen, geschweige denn andere Spenden. Gar nichts. Ich habe vier Leute, zwei Kinder in meiner Familie. Ich habe keinen Reis erhalten.“

(Herr Pan, Familienvater aus Wuhan)

Herr Pan habe einige Leute um sich herum gefragt, „sie haben alle keinen Reis erhalten“. In seiner Familie gebe es siebzehn oder achtzehn Leute, einschließlich Schwiegervater, Schwiegermutter, Brüder und Schwestern. Sie hätten miteinander telefoniert. Doch niemand habe Spenden bekommen.

Ein anderer Wuhan-Bürger sprach davon, dass gesagt wurde, dass Milliarden Yuan an Wuhan gespendet wurden. Aber man gab nicht bekannt, wofür, und die normalen Bürger konnten davon auch nichts bemerken. Man beneide die Menschen im Ausland, „die staatliche Subventionen bekommen“, sagte der Mann laut „Radio Free Asia“.

Geschäfte mit der Not

Herr Pans kleine Tochter sei drei Jahre alt. Seit einer Impfung habe sie eine Behinderung, sei anderen Kindern ein bis zwei Jahre hinterher. Herr Pan hatte deswegen bei der Gesundheitskommission von Wuhan angerufen und erklärt, dass seine Tochter nicht ohne Impfung in den Kindergarten gehen durfte. Nun habe sie Probleme. Man stellte einen Behindertenausweis aus. „Aber wer kümmert sich darum? Niemand, nur ich.“ Jetzt trinke sie immerhin noch Milch. Doch das Milchpulver sei nun alle.

Die Situation in Wuhan ist katastrophal. Die Lebensmittelpreise steigen und geraten außer Kontrolle, aber die Menschen haben fast kein Einkommen. Jetzt ist selbst Gemüse für manche Familien zum Luxusgut geworden.

Es sei nicht so, wie im Staats-TV gemeldet „gute Qualität und niedriger Preis“, berichtete die „DaJiYuan“ am 6. März laut Angaben von „Radio Free Asia“. Die Menschen sind „empört, dass manche Leute die Situation ausnutzen, um reich zu werden“.

Einkaufen kann man nur noch über Gruppen der Gemeinde oder per Internet: „Die Preise werden durch die Menschen in der Gemeindeverwaltung höher gemacht. Sie wollen diese Chance ausnutzen, um reich zu werden“ sagten einige Bürger. Manche fanden heimlich Wege, um selbst auf den Markt zu kommen und stellten fest, dass der Preis für den Vertrieb des Gemüses in der Gemeinde viel höher ist als der Preis auf dem Markt: „Wohin geht der Gewinn des überteuerten Gemüses? Wer wird antworten?“

Im Video: Bereits am 28. Februar berichtete ein in Wuhan lebender britischer Staatsbürger von Gruppeneinkäufen, an denen man sich beteiligen könne. Auch gebe es die Möglichkeit, sich Online vom Supermarkt beliefern zu lassen. Doch die Liefertermine seien innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. 

Alles teurer – Chinakohl vervierfacht Preis

Ein Bürger fand den Preis für Lebensmittel sehr „empörend“. Für eine Karausche zahlte er zum Beispiel 15 Yuan/Pfund (3,80 Euro/kg), bei einer Mindestabnahme von zehn Pfund (5 Kilogramm). Äpfel kosteten mehr als 10 Yuan/Pfund (2,60 Euro/kg). Man musste mindestens eine Kiste abnehmen.

Auch im Großhandel haben die Preise drastisch angezogen. Chinesische Medien berichteten von einem durchschnittlichen Schweinefleischpreis am 5. März auf dem Großmarkt von 48,49 Yuan pro Kilogramm (6,10 Euro/kg) – eine Steigerung um mehr als 200 Prozent gegenüber dem Vorjahrespreis.

Die Chinesen haben eine vergleichende Redensart: So billig wie Chinakohl. Doch selbst das ist nun außer Kraft gesetzt. Chinakohl kostete im Großhandel im letzten November noch in Peking 0,45 Yuan pro Pfund. Aktuell vervierfachte sich der Preis auf 1,90 Yuan/Pfund (0,48 Euro/kg). Im Supermarkt sei der Preis noch höher, hieß es, komme auf 3 Yuan/Pfund (0,76 Euro/kg).

Tomaten kosteten normalerweise 3 bis 4 Yuan/Pfund (0,76 bis 1 Euro/kg) und liegen nun bei 6,59 Yuan/Pfund (1,66 Euro/kg). Gurken stiegen von 2 Yuan pro Pfund (0,50 Euro/kg) auf 6 Yuan pro Pfund (1,52 Euro/kg), schreibt das offizielle chinesische Web-Portal „Sina“.

Die Partei und das gewöhnliche Volk

Herr Pan ist sehr verärgert über die Partei und ihre Behörden. Angewidert sei er, wenn die Regierung das Wort „gewöhnliches Volk“ zur Darstellung von Personen benutze. Für ihn sei das eine abfällige Bezeichnung, er sei auch kein „gewöhnliches Volk“, so Pan. „Ich bin eine eigenständige Person. Mein Nachname ist Pan. Ich habe eine Familie und Eltern. Mein Sohn und meine Tochter heißen auch Pan. Ich habe einen Namen, wie kann ich ‚gewöhnliches Volk‘ sein. Jeder hat einen Namen. So ist das.“

Wenn er nun aber „diese Partei, diese Regierung beschimpfe, sagen sie, dass ich Ärger provoziere. Ich könnte im Gefängnis landen.“



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