Der märchenhafte Zauber der Reichsburg Cochem
Hoch oben auf einem Hügel thront sie wie ein Märchenschloss, darauf wartend, dass neugierige Blicke ihre Schönheit nicht nur aus weiter Ferne bewundern. Um zu ihr zu gelangen, müssen die Besucher zunächst einer modernen, sich dem Hügel emporschlängelnden Straße folgen. Die Augen auf einen Punkt zu konzentrieren fällt schwer, da es so viel zu sehen gibt: malerische Weinberge am unteren Hügel, die kunstvolle steinerne Burg, der weite Blick über die Mosel und auf die umliegenden Städte.
Von uralten Steinmauern und -mäuerchen empor geleitet, erreicht man schließlich das erste Tor. Wenige Meter dahinter liegt das zweite, größere und imposantere Tor. Die Gedanken schweifen ab und stellen sich vor, wie vor rund 1.000 Jahren Ritter den Eingang der mittelalterlichen Burg bewachten.
Ließen sie die Gäste passieren, standen diese auf dem heute gepflasterten Vorplatz. Die Burgmauern in einem Bogen entlang gehend, überquert man eine kleine Brücke und kommt erneut vor einem Tor zum Stehen – dort stehen sie tatsächlich. Zu beiden Seiten begrüßen zwei Ritter(-rüstungen) mit Hellebarden die Besucher.
Ein Rundgang dahinter führt entlang an Burgmannshäusern, Brunnen und einer Kapelle und vermittelt das Gefühl von einem lange vergangenen adeligen Leben. Ein letztes Tor mit Treppenturm führt schließlich in die Kernburg, in der unter anderem der Bergfried und ein Hexenturm thronen. Mit ihrer starken Erscheinung wirkt die rheinland-pfälzische Reichsburg Cochem (oft nur Burg Cochem genannt) wie der Handlungsort eines Märchens. Doch dies war nicht immer so. Vielmehr ist die Burg selbst das „Happy End“ eines solchen.
Cochem: Wie ein Phönix auferstanden
Es wird angenommen, dass ein Pfalzgraf namens Ezzo um das Jahr 1000 nach Christus die Burg für sich als befestigten Wohnsitz erbauen ließ. Laut einer urkundlichen Erwähnung schenkte die älteste Tochter des Pfalzgrafen und ehemalige Königin von Polen die Burg 50 Jahre später ihrem Neffen Heinrich I.
Doch die Familie verlor später ihre Pfalzgrafenwürde und ein Streit um den Besitz der Burg entfachte. Diesen beendete König Konrad III. im Jahr 1151, indem er mit seinen Truppen die Burg stürmte und besetzte. Fortan besetzte der König die Anlage mit sogenannten Burgmannen. Später gelangte die Anlage in den Besitz der Kirche und Erzbischöfe bauten die Burganlage weiter aus.
Mit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg erlosch im Jahr 1689 der Glanz der Reichsburg Cochem. Nachdem französische Truppen die Anlage besetzt hatten, folgte am 19. Mai vom Sonnenkönig König Ludwig XIV. der Befehl, die Burg niederzubrennen und zu sprengen.
Schwer beschädigt verfiel die Burg zu einer Ruine und ging der Geschichte lange Zeit verloren, bis sich 1868 der Berliner Geschäftsmann Louis Ravené in sie verliebte.
Er kaufte das Gelände und baute mit viel Liebe und Schweiß die Burg im neugotischen Baustil wieder auf. Mithilfe professioneller Künstler und lokaler Handwerker erhielten die Innenwände und Decken ein „kompliziertes, gemaltes Dekor“. Ein großer Teil der Renaissance- und Barockmöbel ist bis heute erhalten und kann in der Burg bewundert werden.
Verwirklichung eines Traumes
Ihren heutigen Glanz hat die Burg ihrem Retter Louis Ravené zu verdanken, der am 1. Juni 1823 auf die Welt kam und dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Als Sohn einer Gelb- und Glockengießerfamilie wird er später – im Zeitalter der Hochindustrialisierung – Eisenhändler und verdient viel Geld.
Wegen seiner vielen Stiftungen bekommt er den Ehrentitel „Geheimer Kommerzienrat“ und steht im nahen Kontakt zum preußischen Königshof. Vielleicht war es diese Nähe, die in ihm den Wunsch einer eigenen Burg entfachte. Vielleicht lag dies auch in der „Mode“ des 19. Jahrhunderts begründet – einer Zeit, in der mittelalterliche Burgruinen wieder modern und beliebt wurden und deshalb neu aufblühten.
Mit 300 Goldmark und dem Segen von König Wilhelm in der Tasche verwirklicht Ravené seinen Traum und kauft die Burgruine. Zwei Bedingungen hatte der Eisenhändler jedoch zu erfüllen: Zum einen sollte der Neuaufbau so nah am mittelalterlichen Original erfolgen wie möglich und zum anderen sollte die Burg später für Besucher zugänglich sein. Getreu seiner Lebenseinstellung „Labore robur“ (zu Deutsch: Kraft durch harte Arbeit) erfüllt Ravené beide Kriterien.
Doch Ravené baute nicht nur die Burg wieder auf, sondern gestaltet als Pflanzenliebhaber auch deren Gartenanlage. Zusätzlich ließ er Weinberge am Hügel der Burg errichten. Doch lange konnte er seine Burg und die Früchte der harten Arbeit nicht genießen – nur zwei Jahre nach der Fertigstellung stirbt der Burgherr 1879 im Alter von 56 Jahren.
Jubiläum zu Ehren des Retters
Unvergessen sind bis heute der Einsatz und die liebevolle Arbeit Ravenés, die sich in einer Widmung aus dem Jahr 1925 widerspiegelt:
Burg Cochem, du Stolze, vom hohen Stein
Schau’n grau deine Türme ins Land hinein,
Und unten im Tale da rauschet der Fluss,
Jede der Wellen ist für dich Gruß.
An deinen Hängen da reifet an Reben
Ein Trunk, der allen verschönert das Leben.
Auch die Liebe ist nur ein halber Reim,
Wird sie nicht gewürzt durch Ravenés Wein.
Er stillt die Sehnsucht unserer Herzen,
Er spült hinweg uns des Lebens Schmerzen,
Und hebt uns empor auf leichten Schwingen
Ins selige Land – wo froh wir singen:
„Gott segne die Burg und ihren edlen Wein,
So möge es jetzt und in Ewigkeit sein!“
Auch Theodor Fontane lässt sich von dem Wiedererbauer der Reichsburg Cochem inspirieren und schreibt den Roman „L’Adultera“. Wie Ravenés Frau brennt die Romanfigur Melanie van der Straaten mit einem neuen Mann an ihrer Seite durch, verlässt ihre Familie und das angenehme Heim.
Die Stadt Cochem ist heute der Besitzer der Burg und ehrt Ravené, den ersten Ehrenbürger ihrer Stadt, anlässlich seines 200. Jubiläums mit besonderen Kulturangeboten. So findet zweimal täglich am Geburtstagswochenende (2. bis 4. Juni) die Sonderführung „Auf den Spuren Ravenés“ statt. Den feierlichen Rahmen gebührend schließen wird das Klassik-Konzert „Sinfonietta“ am 4. Juni im Rosenhof der Burg.
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