Das Mandat des Himmels

Titelbild
Im alten China musste sich auch der Kaiser vor dem Himmel verantworten. Für Katastrophen jeglicher Art war sein Fehlverhalten die Ursache - es fehlte ihm das "Mandat des Himmels". (Juan Mabromata/AFP/Getty Images)
Von 26. Juni 2008

„Wenn der Sommer nicht mehr weit ist und der Himmel violett, weiß ich, dass das meine Zeit ist, weil die Welt dann wieder breit ist, satt und ungeheuer fett.“ Bei einer Sonnwendfeier in den österreichischen Alpen richte ich meinen Blick nach oben und stehe plötzlich mittendrin in dem Klassiker von Konstantin Wecker und weiß, was er gemeint hat mit der „satten und ungeheuer fetten“ Welt. Der Sommer kommt. Alles ist grün um mich herum, riecht gut, und das Nasse an meinen baren Füßen ist in der Wahrnehmung nichts Anderes mehr als eine angenehm erfrischende Reminiszenz an den Regenguss des Nachmittags, der mittlerweile längst vergessen scheint. Nur das Feuer, das nicht so recht brennen will, scheint ihn noch nicht vergessen zu haben.

Doch als ich meine Erinnerung an den Nachmittag auf einer von sintflutartigen Ergüssen gepeinigten Autobahn wieder hervorhole, kommt da ein Gefühl des Respekts vor den Urgewalten der Natur hoch und vor „denen da oben“, und der chinesische Ausdruck „Harmonie zwischen Himmel und Erde“, von der schon Konfuzius sprach und die auf einem dem Himmel gefälligen Leben des Volkes wie auch der Regierenden basiert, wird für mich greifbarer. Leben wir mit oder gegen die Natur und den Himmel, frage ich mich – und die Antwort ist so schnell bei der Hand, dass es mich erschüttert. Ein klares Nein, um ein vielfaches deutlicher als das Nein der Iren zum Vertrag von Lissabon. Mit einer Aufzählung der Gründe möchte ich hier nicht langweilen, doch scheinen manche davon nicht einmal ansatzweise thematisiert zu werden. Herrscht hierzulande zwar Konsens darüber, dass sich „die Natur wehrt“, so wagt man es jedoch kaum auszusprechen, dass möglicherweise auch das Verhalten von uns Menschen vom „Himmel“ mit wohlwollendem oder zürnendem Blick gesehen wird.

Ein Herrscher im alten China und sein Hof bekamen Probleme, wenn das Land mit Hungersnöten, Erdbeben und Überschwemmungen konfrontiert war. Das „Mandat des Himmels“ zu besitzen war damals wichtig, und dieser Zugang hat sich auch im modernen China gehalten. Stärker, als man annehmen würde. So sind die Internet-Foren voll mit Unkenrufen, die derzeitige Führung besitze dieses „Mandat des Himmels“ nicht oder nicht mehr. Der Himmel würde darüber zürnen, wie mit Mensch und Natur im Reich der Mitte umgegangen werde. Mit dem Urteil „Aberglauben“ sind wir hier schnell bei der Hand, doch die Erfahrung auf der Autobahn lässt mich nicht los – möglich wäre es doch zumindest, dass uns da jemand ziemlich Gram ist darüber, wie wir uns hier aufführen, mit unseren lächerlichen Allmachtsfantasien, die sich über kurz oder lang noch immer als Schuss ins Knie erwiesen haben…

Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, da soll sogar das Wetter gesteuert werden mit Chemieraketen, die Wolken vom Himmel schießen. Ob das den Himmel nicht nur noch mehr verärgert? Und ob das Erdbeben in Sichuan, die Sandstürme in Peking und die jüngste Flutkatastrophe nicht doch Zeichen der „oberen Zehntausend“ sind, dass die chinesischen Eliten nicht ihrem Willen entsprechend handeln, darf zumindest angedacht werden. Übrigens: Im Juli 1976, als das verheerendste Erdbeben der chinesischen Geschichte in Tangshan mindestens 240.000 Menschenleben kostete, schrieb die Parteipresse in Peking: Erdbeben sind keine Omen für politische Veränderungen. Im September starb dann Mao Zedong, und im Oktober erfolgte der Sturz der „Viererbande“ um Maos Witwe.

„Wenn mein Ende nicht mehr weit ist, ist der Anfang schon gemacht. Weil´s dann keine Kleinigkeit ist, ob die Zeit vertane Zeit ist, die man mit sich zugebracht“, singt Konstantin Wecker vor meinem geistigen Auge. Ich lasse mich von der Ruhe des Landes um mich herum anstecken, das nach dem Gewitter gereinigt und sauber wirkt, und feiere zumindest einmal die Sonnenwende.

Erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 26/08



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