Das einzig Glaubwürdige war ihr ‚Hm’
Gao Zhisheng unter starkem psychischem Druck
Einen merkwürdigen Anruf erhielt der chinesische AIDS-Aktivist Hu Jia vor einigen Tagen. Er wurde stutzig über Inhalt und Tonfall des Anrufs. Geng He, die Ehefrau des am 15. August in der Provinz Shandong entführten Menschenrechtsanwalts Gao Zhisheng, forderte darin den Freund auf, die Angelegenheit ihres Ehemannes nunmehr als „reine Familiensache“ zu betrachten, die „Außenstehenden brauchen sich nicht mehr darum zu kümmern“, was einer Ausschaltung und Hilfe durch die Öffentlichkeit gleichkommt. Der Angerufene Hu Jia ist ein Freund der Familie und in einer Anti-AIDS-Kampagne in China engagiert.
Hu Jia äußerte in einem Gespräch mit Radio Free Asia, dass nicht nur der Inhalt des Anrufs keinen Sinn machte und die Stimme der Anruferin völlig unnatürlich geklungen habe: „Sie sagte mir, sie sei sich meiner Anstrengungen für ihren Mann bewusst und wisse diese auch zu schätzen, aber Gao ginge es nun gut [im Gefängnis]. Sie sagte, Gao habe ihr zahlreiche Botschaften geschickt, in denen es hieß, er habe Vieles getan, das in der Tat sehr fragwürdig sei. Gao glaube, dass die Regierung eine ordentliche Untersuchung durchführen werde. Sie würden bei ihren Belangen nicht weiter die Mithilfe anderer benötigen.“
Hu Jia weiter: „Das erstaunte mich. Also fragte ich sie: ‚Schwester, tragen diese Botschaften, von denen Du sprichst, wirklich Gaos Handschrift?’ Ihre Antwort kam mit Unterbrechungen und war wenig glaubwürdig.“
Stand die Polizei neben ihr?
„Dann stellte ich ihr eine andere heikle Frage: ‚Schwester, steht die Polizei neben Dir?’ Sie sagte darauf: ‚hm’; ihr „hm“ kam sehr schnell und ohne zu zögern. Ich würde sagen, in der Unterhaltung war das einzig Glaubwürdige dieses ‚hm’, alle anderen Antworten schienen mir sehr zweifelhaft, wenn nicht sogar unglaubwürdig. Dann wurde der Anruf unterbrochen. Vermutlich wurde es der Polizei verdächtig und sie nahm ihr das Telefon weg.“
Hu Jia berichtet weiter: „Ich rief sofort wieder an, erhielt aber keine Verbindung. Ich gab auf. Nach einer Weile klingelte das Telefon wieder; Geng He rief noch einmal an. Sie versuchte entspannt zu klingen und fragte: ’Hu Jia, hast Du eben angerufen?’ Ich fragte sie wieder: ‚Ist die Polizei bei Dir?’ Sie sagte ‚hm’ und fügte hinzu, ‚Hu Jia, Du brauchst Dir um die Familie keine Sorgen mehr zu machen.’ Dann hängte sie auf. Ich rief wieder an, ich hörte eine Stimme, es war die von Geng He, sie schien ihrer Tochter zu sagen, sie solle das Handy ausschalten. Dann wurde unser Gespräch abgeschnitten.“
Hu Jia berichtete später, dass Beamte der nationalen Sicherheitsbehörden aus der Provinz Shaanxi, der Heimat der Familie von Anwalt Gao, zwei Neffen von Gao aus Peking zu einem Treffen mit der Ehefrau des Anwalts brachten. Von deren Wohnung aus riefen sie Gaos ältesten Bruder an. Das Gespräch dauerte nur 2-3 Minuten, in denen sie nur etwas vage sagte, egal, was mit ihrem Ehemann geschehe, sie werde sich der Eltern annehmen. Dazu muss man wissen, dass beide Elternteile schon gestorben sind. Niemand wusste, wen sie damit meinte. Einer der Neffen, der daneben stand, hörte, wie Geng He zwischendurch weinte.
Erst gejagt und dann entführt
Seit Anfang des Jahres ist der Pekinger Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng weit über die Grenzen Chinas hinaus bekannt geworden. Trotz seiner tiefgehenden und öffentlichen Kritik an der derzeitigen KP-Führung, insbesondere wegen Nichtbeachtung der Menschenrechte und Folter an Falun Gong-Praktizierenden, stand er monatelang unter Bewachung Dutzender von Geheimpolizisten. Schlimmste Repressalien einschließlich Mordanschlägen gehörten von da an zu seinem Alltag und dem seiner Familie, aber aufgrund seiner internationalen Bekanntheit schienen die Sicherheitsbehörden vor einer Festnahme zurück zu schrecken. Am 15. August schlugen sie jedoch zu, der Anwalt ist seitdem an unbekanntem Ort in Haft, der vom Büro für Öffentliche Sicherheit in Peking mitgeteilte Verdacht der „Mittäterschaft bei kriminellen Handlungen“ wurde noch immer nicht begründet, obwohl das chinesische Gesetz dafür eine Frist von 37 Tagen vorgibt.
Die Familie des zunächst entführten und dann inhaftierten Anwalts steht unter strengster Bewachung. Sein Bargeld und seine Sparbücher wurden konfisziert, zeitweise nistete sich die Geheimpolizei sogar in der Wohnung der Familie ein.
Amnesty International startete am 22. August in Sorge um die Sicherheit des Anwalts eine urgent action, die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt hat eine Unterschriftenliste zu seiner Unterstützung vorbereitet.
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