Chinas wichtigste Wirtschaftssitzung verschoben – Experten sehen Anzeichen einer Staatskrise

Das dritte Plenum der Kommunistischen Partei Chinas (KPC), das normalerweise im Oktober oder November stattfindet, wurde in diesem Jahr nicht offiziell angekündigt. Einige China-Beobachter führen den Ausfall auf die autokratische Entscheidungsfindung des chinesischen Staatschefs Xi Jinping zurück, während andere spekulieren, dass die KPC mit noch nie dagewesenen Risiken in ihrer Führung konfrontiert sein könnte.
Titelbild
Chinesische Militärdelegierte verlassen die Schlusssitzung des 20. Nationalen Kongresses der KPC. Wie lange werden sie Xi Jinping noch unterstützen?Foto: Kevin Frayer/Getty Images
Von 11. Dezember 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Alle fünf Jahre wird in China die oberste Führungsspitze, das Zentralkomitee (ZK) der Kommunistischen Partei, auf dem Parteitag gewählt. In diesen fünf Jahren finden sieben Plenen des ZK statt. Zwei Plenumssitzungen, die siebte des alten und die erste des neuen ZK, werden im Jahr des Parteitags abgehalten, zwei weitere im darauffolgenden Jahr und jeweils eine in den übrigen drei Jahren. Sie sind die wichtigsten jährlichen beziehungsweise halbjährlichen Ereignisse in der chinesischen Politik.

Das dritte Plenum, das in der Regel im Herbst des auf den Parteitag folgenden Jahres stattfindet, befasst sich mit wirtschaftlichen Fragen und ist normalerweise die Sitzung, auf der wichtige Wirtschafts- und Reformentscheidungen getroffen und bekannt gegeben werden.

Das wohl bekannteste dritte Plenum fand im Dezember 1978 statt. Es markierte den Beginn der Reform- und Öffnungspolitik unter Deng Xiaoping, die China auf den Weg zu wirtschaftlichen Reformen und einer stärkeren Integration in die Weltwirtschaft führte. Diese Reformen umfassten die Dezentralisierung der wirtschaftlichen Kontrolle, die Einführung marktwirtschaftlicher Elemente und die Öffnung Chinas für ausländische Investitionen.

Nach der Wahl des aktuellen Zentralkomitees auf dem letztjährigen Parteitag der KP hielt das Regime im Oktober die 20. Sitzung des Nationalen Volkskongresses (NVK) mit dem neu gebildeten Zentralkomitee ab. Dort sicherte sich Parteichef Xi eine beispiellose dritte Amtszeit als Staatspräsident.

Xi eifert Mao nach

Xi habe „außerhalb der konventionellen Normen gehandelt und die Nation und die Partei willkürlich regiert“, erklärte Wu Zuolai, ein in Kalifornien lebender chinesischer Geschichtswissenschaftler und politischer Kommentator, gegenüber der chinesischsprachigen Ausgabe der Epoch Times Anfang Dezember.

Besonders nachdem Xi seine dritte Amtszeit angetreten hatte, begann er, sich wie der frühere KPC-Führer Mao Zedong zu verhalten, der die nationalen Treffen als „eine Formalität“ betrachtete und sogar eines von ihnen verschob, sagte Wu.

Mao hielt die neunte Sitzung des Nationalen Volkskongresses im Jahr 1969 ab, also 13 Jahre nach der achten Sitzung im Jahr 1956.

Wu wies darauf hin, dass Xi nach eigenem Gutdünken handele und sich nicht mehr darum kümmere, was andere denken.

Drei Hauptprobleme

Der in den USA ansässige Kommentator Lan Su sagte gegenüber The Epoch Times, dass „Personalfragen, wirtschaftliche Fragen und diplomatische Belange“ die drei unüberwindbaren Probleme für Xi seien.

Laut Lan geht es bei den Personalfragen um die kürzliche Entlassung von Spitzenbeamten, darunter Verteidigungsminister Li Shangfu, Außenminister Qin Gang sowie der Kommandeur und der politische Kommissar der Raketentruppen, Li Yuchao beziehungsweise Xu Zhongbo, die alle weniger als ein Jahr im Amt waren. Die Entscheidung, ob ihnen die Mitgliedschaft im Zentralkomitee entzogen wird, ist bisher nicht bekannt gegeben worden.

Die chinesische Wirtschaft befindet sich in einem unbestreitbaren Abschwung, so Lan, und er fügte hinzu: „Xi kann die Diskussion über die Ursache des Problems nicht verhindern, da sie die Wirtschaftsstrategie für die kommenden Jahre betrifft. Und Xi kann dem Thema nicht ausweichen.“

Die Beziehungen zwischen China und den USA sind zweifellos ein Thema, das angesprochen werde, sagte der China-Beobachter.

„Wenn es Xi nicht gelingt, überzeugende Maßnahmen zu präsentieren, um seine Autorität innerhalb der Partei in diesen drei Fragen zu stärken, ist es sehr wahrscheinlich, dass er das dritte Plenum verschieben wird.“

Interne Kämpfe in der Partei

Su Ziyun, Direktor der Abteilung für Verteidigungsressourcen und Industrieforschung am Institut für Nationale Verteidigung und Sicherheit in Taiwan, sagte, die Verschiebung des dritten Plenums zeige, dass die KPC in interne Kämpfe verwickelt sei.

„Außerdem hat China seinen neuen Verteidigungsminister noch nicht bekannt gegeben“, sagte er gegenüber The Epoch Times.

Su glaubt, dass Xis Autorität innerhalb der Partei nicht absolut ist. „Gegenwärtig hat es den Anschein, dass Xi die Macht ausübt, aber er wird [von den KP-Funktionären] nicht sehr respektiert, und seine Autorität wird infrage gestellt.“

Nach der Konsolidierung seiner Macht durch die Beförderung enger Vertrauter in wichtige Positionen sah sich Xi öffentlicher Kritik und politischer Opposition wegen seiner dreijährigen strikten Null-COVID-Politik und der dadurch ausgelösten humanitären Krisen ausgesetzt.

Die „Revolution der weißen Blätter“, die im November 2022 begann, spielte eine entscheidende Rolle bei der Beendigung der Null-COVID-Politik. Die Demonstranten, hauptsächlich junge Menschen, hielten im ganzen Land leeres Papier hoch, um die pandemischen Lockdowns zu verurteilen und ihre Anti-Xi-Stimmung auszudrücken. In der Folge sank Xis Popularität erheblich, was sich sowohl auf die öffentliche Meinung als auch auf sein Ansehen innerhalb der Partei auswirkte.

„Wenn es Xi nicht gelingt, diese Situation zu meistern, wird er möglicherweise keine vierte Amtszeit erreichen“, so Su.

In diesem Jahr hat die KPC interne Meinungsverschiedenheiten mit Xi erlebt, die durch die langsame wirtschaftliche Erholung nach der Aufhebung der Pandemiemaßnahmen und die anhaltenden Herausforderungen in den internationalen Beziehungen ausgelöst wurden. Einem Bericht von „Nikkei Asia“ zufolge forderten die Ältesten der Partei auf dem jährlichen Beidaihe-Treffen, auch „Sommergipfel“ genannt, im August von Xi Rechenschaft und äußerten verschiedene Bedenken. Weiterhin wird der Tod des ehemaligen Ministerpräsidenten Li Keqiang von einigen mit den Maßnahmen von Xi in Verbindung gebracht, was den Druck auf ihn weiter erhöht.

Su sagte, Xi habe einen schwierigen Weg für China geschaffen, indem er unter anderem die Kontrolle über die Privatwirtschaft verschärfte, einen Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten anzettelte, die Strategien der Wolfskrieger-Diplomatie übernahm und die militärische Expansion vorantrieb.

„Ich glaube, dass Xi hinter den Kulissen mit zahlreichen Gegenstimmen konfrontiert ist“, sagte er.

Militärische Führung in Gefahr

Die aufeinanderfolgenden Entlassungen hochrangiger Mitglieder der Raketentruppen haben laut Li Yuanhua, einem in Australien lebenden chinesischen Historiker, „erhebliche Auswirkungen“.

The Epoch Times berichtete im September, dass Xis Entlassung von Schlüsselfiguren in der Raketentruppe und den damit verbundenen Sektoren eine sorgfältig orchestrierte Operation war, die auf Personen abzielte, die sich Xis Militärplan zum Angriff auf Taiwan widersetzten.

Li sagte, dass sich der Ausdruck „politische Fehler machen“ im Militär der KPC auf die Illoyalität gegenüber Xi beziehe. Dennoch arbeite das Militär in Cliquen und pflege einen starken Sinn für Brüderlichkeit. „Wenn man eine einzelne Person herausgreift, ist das so, als würde man eine ganze Fraktion und mehrere Personen ins Visier nehmen“, sagte er.

Dies sei einer der Gründe, warum das Regime nicht in der Lage gewesen sei, einen neuen Verteidigungsminister zu ernennen. Und Xi würde niemanden ernennen wollen, der mit Missständen zu kämpfen habe, da eine solche Person ihm gegenüber wahrscheinlich nicht loyal sei.

„Ich glaube, er steht vor einer großen Krise im Militär“, so Li Yuanhua.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „China’s Key Economic Session Delay Signals a Crisis in Governance: Experts“ (deutsche Bearbeitung jw).



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion