Warnung über Chinas Wirtschaftsdaten – Analysten widersprechen offiziellen Zahlen

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Ein Containerschiff der China Shipping Group bei der Ankunft im Hafen von Hamburg am 13. Jan. 2015.Foto: Joern Pollex/AFP/Getty Images
Von 18. Februar 2015

Was soll aus einem Land werden, das seine Zahlen zurecht lügt, das seine Gesamtverschuldung in sieben Jahren vervierfacht hat, dessen Staatsverschuldung 282 Prozent des offiziellen BIP beträgt, und das im letzten Quartal nur 1,7 Prozent Wachstum generierte statt der angepeilten 7,3 Prozent? Und welchen Einfluss hat das auf die Weltwirtschaft?

Unabhängige Forschungen ergeben für China nur 1,7 Prozent BIP-Wachstum im vierten Quartal 2014. Das ist nur einen Bruchteil der offiziellen Wachstumsrate von 7,3 Prozent, die China noch im letzten Monat angab. Diese Annahme, in Kombination mit anderen pessimistisch stimmenden Wirtschaftsdaten, deutet darauf hin, dass Asiens größte Volkswirtschaft sich in einer Notlage befinden könnte.

Chinas Wachstum des realen BIP sank auf 1,7 Prozent im 4. Quartal 2014, schätzte das in London ansässige Lombard Street Research ltd., das seit über einem Jahrzehnt als unabhängiges Unternehmen Analysen von Wirtschaftsdaten weltweit vornimmt. Das Gesamtjahreswachstum des BIP 2014 in China wurde auf rund 4,4 Prozent geschätzt, drei Prozentpunkte niedriger als die offiziellen Zahlen, die vom chinesischen Regime im letzten Monat veröffentlicht wurden.

Die Daten sind alarmierend, da selbst die offiziell freigegeben chinesischen Wachstumszahlen der Kommunistischen Partei Chinas vom BIP 2014 nach wie vor die niedrigsten seit 1990 sind. Sie liegen noch unter der Markierung von 8 Prozent, die das Regime selbst für sich im Jahr 2010 gesetzt hatte und die von Premier Li Keqiang 2013 auf 7,3 Prozent gesenkt wurde. Man nahm an, dass alles, was niedriger wäre, soziale Unruhen schüren könnte und eine Bedrohung des Machterhalts der Partei sein würde.

„China wird von den größten laufenden Kapitalabflüssen heimgesucht, was die inländische Geldpolitik einengt, während die Industriegewinne auch in einem beispiellos angespannten dritten Jahr stagnieren“, schrieb Diana Choyleva von der Lombard Street in einer Research Note für die Kunden. „Es ist klar, dass Peking die Wirtschaft unterstützen muss, wenn es einen gefährlichen Zusammenbruch vermeiden will.“

Die Peoples Bank of China (PBOC) begann ein beispielloses Konjunkturprogramm im Jahr 2008, das künstlich die wirtschaftliche Expansion des Landes anheizte. Richtlinien wie die Erhöhung der Infrastrukturentwicklung und die Förderung der Kreditvergabe der Banken bewirkten einen zeitweisen Auftrieb des Wirtschaftswachstums in China. Aber sie bewirkten auch Preis- und Spekulationsblasen wohin man auch sah.

Lombard Street sah das auch und hielt an einem konträren Blick auf China selbst dann fest, als die meisten Analysten an der Wall Street von der wahrgenommenen wirtschaftlichen Expansion wie hypnotisiert waren.

Schuldenlast

Ein Großteil von Chinas jüngster Entwicklung wurde durch Verschuldung und aus dem Schattenbankensektor finanziert. Die Unternehmensberatung McKinsey & Co. schätzt, dass sich Chinas Gesamtverschuldung seit 2007 vervierfacht hat, laut ihrem Bericht über die globalen Schulden, der in diesem Monat veröffentlicht wurde. Die Gesamtverschuldung erhöhte sich nach McKinsey auf 28 Billionen US-Dollar bis Mitte 2014, ausgehend von 7 Billionen US-Dollar im Jahr 2007.

Chinas Schuldenlast beträgt 282 Prozent des offiziellen BIP, das ist höher als die der Vereinigten Staaten und Deutschlands. Das Land erhöht auch seine Fremdkapitalaufnahme zu einer Zeit, in der die meisten entwickelten Nationen versuchen, ihre Schulden zu senken.

Schulden sind in den meisten Formen überschaubar, wenn die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Aktivitäten gesund sind. Doch Chinas Schulden sind besorgniserregend, insbesondere wegen zu hoher Konzentration in seinem heimischen Immobiliensektor und in außerbilanziellen Transaktionen der lokalen Regierungen.

„Im vergangenen Jahr hat eine (Immobilien) Korrektur begonnen“, schrieb McKinsey. „Die Transaktionsvolumina sind in China um rund 10 Prozent gesunken und unverkaufte Bestände bauen sich auf.“

Die Sache hat jedoch noch eine andere Seite. Denn aufgrund der übermäßigen Verschuldung könnten selbst kleine Preissenkungen die Schuldenbewertung drücken und Bankbilanzen zerstören. Genau dieses Szenario spielte sich im Jahr 2007 während der US-Subprime-Krise ab.

Chinas Bausektor trägt auch rund 15 Prozent zu Chinas BIP bei und eine breite Spur an Arbeitsplätzen. Eine Verlangsamung, die bereits im Gange ist, führt dazu, dass kleinere Firmen eingehen und die Beschäftigungszahlen sinken.

Exporte und Löhne

Die langjährige Gewohnheit im chinesischen Produktionssektor, mit niedrigsten Löhnen, schlechten Arbeitsbedingungen und mieser Umweltbilanz zur Produktion von Billigprodukten zu gelangen, bedroht nun die soziale Stabilität.

Eins von Chinas Konjunkturzielen im Jahr 2008 war es, seinen Produktionssektor zu modernisieren und sich für mehr High-Tech-Produktion fit zu machen. Die Verschiebung würde insgesamt die Löhne im Land erhöhen und die inländische Nachfrage nach seinen Produkten anheben.

Das war eine solide Idee in der Theorie. Aber die Realität ist ein wenig komplizierter.

Die Umstellung trieb die Kosten für die Hersteller nach oben und China verlor Unternehmen an kostengünstigere Produktionsstandorte wie Vietnam, Kambodscha und Malaysia für Niedrigpreis-Produkte. Der Verband Südostasiatischer Staaten, der zehn südasiatische Nationen vertritt, gab bekannt, dass 2013 die ausländischen Direktinvestitionen in ihren Mitgliedsländern zum ersten Mal in der Geschichte die in China überschritten hätten.

Das Wachstum in High-Tech-Fertigung ist auch wegen  der Konkurrenz der stärker etablierten Industriemächte Südkorea und Japan nicht aus der Verlustzone gekommen. Japan hat außerdem in den letzten zwei Jahren seine eigene Lockerung der Geldpolitik eingeleitet hat, um das Exportwachstum anzutreiben.

Insgesamt fielen die chinesischen Exporte im Januar um 3,3 Prozent, laut den Angaben der General Administration of Customs des kommunistischen Regimes. Die tatsächlichen Werte dürften noch niedriger liegen, nach Anpassungen der laufenden Fehlrechnungspraktiken.

Durch zu hohe Werkskapazitäten und die schwache Binnennachfrage belastet, werden Chinas verarbeitende Firmen – aus dem In- und Ausland – nicht darum herumkommen, die Kosten im Jahr 2015 senken.

Dies bedeutet, dass eine wachsende Zahl von Arbeitslosen die soziale Stabilität im Jahr 2015 gefährden könnte. Während wahre Arbeitslosenzahlen schwer zu bekommen sind, allein schon Chinas große Wanderarbeiter-Bevölkerung erschwert eine Schätzung, werfen Analysten generell einen pessimistischen Blick auf die Beschäftigungsaussichten.

Wie geht es weiter?

Im letzten Jahrzehnt war China der größte Importeur von Rohstoffen wie Öl, Metallen und anderen Rohstoffen. Die Verlangsamung der Fertigungs- und Verarbeitungsindustrie in China wird die Rohstoffpreise in absehbarer Zeit unten halten, was die Rohstoff liefernden Volkswirtschaften Russland, Australien und Brasilien schädigen wird.

Im Inland wird sich die Kapitalflucht voraussichtlich beschleunigen. „Chinas Wachstumseinbruch und der Rekord an Kapitalabflüssen hat sich auch im letzten Quartal des Jahres 2014 intensiviert“, schrieb Lombard Street in einer Research Note am 21. Januar.

„Stockpicker“ am Aktienmarkt sehen übermäßige Aktienverkäufe von Insidern oder von Direktoren als Warnsignal, dass etwas nicht stimmt bei den börsennotierten Unternehmen. Ein ähnliches Szenario spielt sich in Chinas Wirtschaft schon seit über einem Jahrzehnt ab. Wohlhabende und einflussreiche Chinesen, meist Politiker und aus politischen Gründen ernannte Leiter der staatlichen Unternehmen, liquidieren zunehmend ihre Inlandsaktiva und senden Gelder ins Ausland. Die jüngsten „Anti-Korruptions“ Kampagnen von Präsident Xi Jinping haben die Kapitalflucht noch beschleunigt.

Die Substanzabhängigkeit eines Drogenabhängigen – keine Satire

Die PBOC hat in diesem Monat den Mindestreservesatz der chinesischen Banken um 50 Basispunkte beschnitten. Die Aktion soll die Kreditvergabe erhöhen und die Prolongation – man bezahlt bestehende Schulden durch die Ausgabe von neuen, was zusätzlich zur gesamten Wirtschaftstätigkeit geschieht – ist wahrscheinlich an der Tagesordnung.

Der einzige gangbare Weg für China ist mehr Anreiz, der weiterhin künstlich seine Wirtschaftstätigkeit erhöht. Das gewährleistet auch, dass bestehende Mängel innerhalb von Chinas Wirtschaft sich weiter verschlechtern werden und dass seine Preisblasen größer werden.

So agiert man angesichts wachsender Substanzabhängigkeit eines Drogenabhängigen, aber wenn der Tag der Abrechnung für die Wirtschaft naht, wird der Crash umso schmerzhafter sein.



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