China: Reichster Unternehmer vor Entscheidungen

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Ohne Netz und doppelten Boden als Unternehmer in China?Foto: AFP Photo
Von 16. April 2012

 

Am 20. Juni 2011 wurde in Bedburg in Nordrhein-Westfalen mit 100 Millionen Euro die bisher größte Investition eines chinesischen Privatunternehmens in Europa getätigt. Liang Wengen, der reichste Chinese des Jahres 2011 und Vorsitzender der Sany Group, des größten privaten Baumaschinenkonzerns in China, eröffnete in Deutschland ein Werk, in dem bis zu 600 Arbeitsplätze geschaffen werden sollen.

Geboren im Jahr 1956, beendete Liang Wengen 1983 seine Ausbildung zum Oberingenieur mit dem Fachgebiet Werkstoffwissenschaften. In seinen drei Jahren bei dem Maschinenbauunternehmen Hongyuan war er als stellvertretender Abteilungsleiter der Planungs- und später der Systemreformabteilung tätig. Im Jahr 1986 machte er sich selbstständig und gab seinem Unternehmen im Jahr 1991 den Namen Sany Group. Er erkannte in China ein großes Potenzial im Bereich der Baumaschinen und machte sein Unternehmen zum Marktführer in dieser Branche.

Während sich der Bürgermeister von Bedburg über zu erwartende steigende Umsatzsteuer- und Einkommensteuereinnahmen sowie über sinkende Sozialkosten freut, machen sich viele Chinesen Sorgen um die weitere Karriere von Liang Wengen. Dabei geht es nicht um das übliche unternehmerische Risiko und die Weltkonjunktur, sondern um das politische Risiko in China.

Reich zu sein, ist in China gefährlich

Liang Wengen wurde mit seinem Vermögen von 50 Milliarden Yuan (etwa sechs Milliarden Euro) am 7. September 2011 von der Hurun Rich List als reichster Chinese bezeichnet. Viele Chinesen sehen allein in dieser Tatsache eine Gefahr und spekulieren über das Ende seiner Karriere. Denn keiner, der bisher diese Liste anführte, konnte seinen Reichtum behalten. Einige von ihnen erhielten Geldstrafen, manche verschwanden und andere sitzen sogar inzwischen im Gefängnis.

Um den Grund für das unglückliche Schicksal reicher Chinesen zu verstehen, muss zuerst diese Hurun Rich List erklärt werden. Auf dieser Liste erscheinen nur Chinesen, die keinen politischen Hintergrund haben. Diese Geschäftsleute versuchen, über den Eintrag auf dieser Liste Kontakte mit einflussreichen Beamten zu knüpfen. Yang Shiqiu, ist auf seinem Blog der Meinung, die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) habe den Reichtum dieser Geschäftsleute geraubt, anstatt sie zu unterstützen. Dabei handele es sich um das gleiche Vorgehen wie bei der Enteignung aller Unternehmer durch die KPCh nach der Gründung der VR China. Seine Vermutung lässt sich durch das Beispiel von Huang Guangyu bekräftigen. Huang war der Vorsitzende der Gome Group und wurde dreimal von der Hurun Liste als reichster Chinese eingestuft. Mittlerweile sitzt er wegen Steuerhinterziehung und Korruption im Gefängnis und die KPCh setzte eine Marionette als Vorsitzenden in seiner Firma ein.

Wenn sogar die reichsten chinesischen Privatunternehmer ein solches Schicksal fürchten müssen, befinden sich die normalen Unternehmen in einer noch unsichereren Situation. Die chinesischsprachige Epoch Times berichtete, dass Reichtum in China nach wie vor mit großem persönlichem Risiko verbunden ist. Privatbesitz kann von einem auf den anderen Tag eingezogen werden. Ein typisches Beispiel ist die sogenannte Kampagne gegen die Mafia in der Stadt Chongqing, die vom kürzlich abgesetzten Spitzenpolitiker Bo Xilai organisiert wurde. Dabei wurden über Nacht Dutzende „Mafiosi“ als solche identifiziert. Die Anführer waren alle Privatunternehmer. In den drei Jahren dieser Kampagne wurden mehr als 10.000 Personen verhaftet und mehrere Tausend davon anschließend verurteilt.

Ist die Berufung ins Zentralkomitee der KPCh ein Danaergeschenk?

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern scheint Liang Wengen bis jetzt mehr Glück zu haben. Er bekam das Angebot, auf der Parteiversammlung im Oktober 2012 zum stellvertretenden Mitglied des Zentralkomitees der KPCh bestimmt zu werden. Wenn das geschieht, dann wäre er der erste Privatunternehmer in diesem Komitee seit der Gründung der KPCh.

Laut Einschätzung der chinesischsprachigen Epoch Times reicht es in China nicht aus, über Kapital zu verfügen. In einem Land, in dem das Eigentum gesetzlich nicht geschützt ist, bedeute allein politische Macht einen gewissen Schutz vor Enteignung. In China liege die gesamte politische Macht in den Händen der KPCh. Deshalb interpretieren manche dieses Angebot als Signal dafür, dass die KPCh mit privaten Unternehmern zusammenarbeiten möchte.

Nach Meinung von Ling Feng [Anm. d. Namhafter Kolumnist in verschiedenen chinesischen Zeitungen in USA, Taiwan und Hong Kong. Stammt aus China, lebt in Taiwan] sei das Angebot jedoch nur ein Muster ohne Wert. Er erklärte, dass das eigentliche Machtorgan der KPCh das Politbüro sei und dass ein Mitglied des Zentralkomitees der KPCh keinen wirklichen Einfluss habe. Es gebe mehr als 300 Mitglieder im Komitee und diese haben Stimmrecht auf der jährlichen Versammlung. Keiner von ihnen wage, ohne konkrete Anweisung abzustimmen. Abgesehen davon sei Liang Wengen nur einer der über 100 stellvertretenden Mitglieder und habe daher nicht einmal Stimmrecht. Daraus könne erkannt werden, dass die KPCh ihm eigentlich nicht vertraue.

Dieses Misstrauen ließe sich auch daran erkennen, dass Liang in 18 Jahren viermal den Wunsch geäußert habe, Mitglied der KPCh zu werden, aber erst im Jahr 2004 als Parteimitglied aufgenommen wurde.

Ling Feng sieht neben einem unbedeutenden politischen Titel eine Reihe von Schwierigkeiten voraus, die auf Liang Wengen zukommen werden. Er meint, dass Liang seinen Rang als stellvertretendes Mitglied des Zentralkomitees der KPCh nicht unbedingt als Schutz verwenden könne. Er betonte, dass Liang das tun müsse, was die KPCh von ihm verlange, wie zum Beispiel der Aufforderung zum „Spenden“ nachzukommen. Wenn er das nicht machen würde, könnte ihm das Gleiche passieren wie den anderen reichen Chinesen, die enteignet wurden.

Flüchtlingsströme chinesischer Privatunternehmer ins Ausland

Warum macht die KPCh Liang Wengen dieses Angebot, wenn sie ihm nicht vertraut? The Epoch Times sieht in dieser Aktion den Versuch der KPCh, die reichen Chinesen in Sicherheit zu wiegen, da in jüngster Zeit eine immer größer werdende Anzahl ins Ausland flüchtet.

The Epoch Times zitiert Angaben von Forbes-China aus dem Jahr 2011, nach denen die reichen Chinesen dabei seien, ihren Reichtum aus China zu retten. Der Hauptgrund dafür sei ein wachsendes Gefühl von Unsicherheit. 60 Prozent der Chinesen, die mehr als zehn Millionen Yuan (ca. 1,21 Millionen Euro) Investitionsvermögen besitzen, planen ihre Auswanderung oder haben die Vorbereitungen bereits abgeschlossen. Nach Berichten der China Merchants Bank und Bain & Company seien bei 27 Prozent der Chinesen, die über mehr als 100 Millionen Yuan (ca. 12,1 Millionen Euro) Investitionsvermögen verfügen, die Auswanderungsvorbereitungen bereits abgeschlossen. 47 Prozent würden ernsthaft über eine Auswanderung nachdenken.

Jiang Weiping [Anm. der Senior-Journalist in Hongkong, bekannt durch Haftjahre in China] schrieb in seinem Artikel für The Epoch Times über seine Begegnung mit mehreren geflohenen chinesischen Privatunternehmern in Kanada. Er meinte, dass der Hauptgrund der Auswanderung der umfangreiche gesetzliche Schutz von Privateigentum in Kanada sei. Durch diese Gespräche stellte sich heraus, dass es in China nahezu unmöglich ist, Geschäfte zu machen, ohne sich die Beamten auf verschiedenen Verwaltungsebenen durch Bestechung gewogen zu machen. Dadurch hat man grundsätzlich ein Verbrechen begangen. Gerät man dann in einem internen politischen Kampf der KPCh zwischen die Fronten, besteht jederzeit die Möglichkeit, für diese Verbrechen angeklagt und verurteilt zu werden. Da die Privatunternehmer nicht gegen das Diktat der KPCh in China ankommen, schicken sie ihre Familien nach Kanada voraus. Daher gibt es in China neben dem Phänomen der „nackten Beamten“ (Beamte, deren Familienangehörige und Kapital im Ausland sind) auch zahlreiche „nackte Geschäftsleute“.

Jiang Weiping ist der Meinung, dass die Berufung von Liang Wengen in ein politisches Amt nicht ausreichen werde, die Flüchtlingsströme chinesischer Privatunternehmer ins Ausland zu stoppen. Nur durch eine umfangreiche Reform der Medienfreiheit, durch die Auflösung des Einparteiensystems und durch den Aufbau einer unabhängigen Justiz könnten dem Kapital Anreize geboten werden, nach China zurückzukehren.

 



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