Wie Chinas Journalisten vor Meinungsfreiheit gewarnt werden
Kurz vor dem „3. Plenum“, auf dem die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) ihre Weichen für die Politik der nächsten Jahre stellte, gab es eine Order an alle Journalisten: Die Zentrale Propagandaabteilung wünschte darin, die schreibende Zunft solle mehr Bemühen zeigen, „die Situation spezieller Intellektueller“ zu verstehen. Radio France Internationale (RFI) berichtete die Weisung am 4. November.
„Reaktionäre Intellektuelle“ im Fadenkreuz
Im Klartext war es eine Warnung an die Medien, keine kritischen Äußerungen zu verbreiten: Mit den„speziellen Intellektuellen“ waren Querdenker gemeint, die es gewagt hatten, sich gegen die KPCh und zu Ideen wie Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu äußern. Die Warnung war die neueste Initiative in einer Welle von Aktionen zur Niederschlagung der Meinungsfreiheit in konventionellen und Onlinemedien, die seit August in China auf Hochtouren läuft.
Die Propaganda-Abteilung hatte den Medien vor dem so sensiblen „3. Plenum“ also unmissverständlich klargemacht: Gedanken zu veröffentlichen, die Xi als tödliche Bedrohung einstufte, würde Konsequenzen haben. Bei einer Rede in Peking am 19. August hatte Xi Jinping über die Gefährlichkeit unerwünschter Gedanken gesprochen. Und der Staatsapparat zog die Konsequenzen daraus.
Xis Rede
Von dieser ominösen Rede zirkulieren verschiedene Varianten, wobei die früher aufgetauchten weniger kämpferisch waren, als die späteren. Über eine Version, die laut der Hongkonger Apple Daily Parteikader auswendig lernen mussten, hieß es: „Das Internet unter Kontrolle zu bekommen, sei lebenswichtig für den weiteren Machterhalt der Partei“ – denn auf dem Schlachtfeld „Internet“ hinge „der Erfolg direkt von ideologischer Standfestigkeit und politischer Macht ab.” Selbstredend, dass Xi bei diesem Thema die Partei wieder mit ganz China gleichsetzte.
“Medien wie Zeitungen, Foren, Konferenzen, Filme, Fernsehen, Radio und Theater dürfen denen, die die Führungsrolle der Partei und das sozialistische System in böswilliger Weise attackieren, die Geschichte der Partei und des Landes verdrehen und durch Gerüchte Unruhe stiften, auf keinen Fall eine Plattform bieten“, so Xi. “Außerdem darf kein digitales Medium wie Smartphones, Sms, Microblogs, Blogs oder andere Socialmedia soetwas unterstützen.“
“Wagt es Verhaftungen durchzuführen, ihnen Einhalt zu gebieten und eure Schwerter zu zeigen”, wird er zititert. Außerdem forderte er zum „Kampf der öffentlichen Meinung“ auf.
Ein noch klareres Statement Xis zitierte die Deutsche Welle am 19.August: “Es gibt eine kleine Gruppe reaktionärer Intellektueller, die das Internet nutzen, um Gerüchte und Beleidigungen zu verbreiten und die die Regierung, die Staatsmacht und das sozialistische System herabwürdigen. Diese [Leute] müssen ernsthaft niedergeschlagen werden.”
Kampagne gegen Meinungsfreiheit
Die Niederschlagung begann postwendend. Eine Online-Persönlichkeit mit dem Nickname Qin Huohuo und ein weiterer Blogger wurden noch am gleichen Tag verhaftet. In den wenigen Tagen bis Ende August wanderten mehrere hundert Blogger als Verbreiter von Gerüchten hinter Gitter.
In den Medien wimmelte es von Editorials, die den „Kampf der öffentlichen Meinung“ und das „Schwerter zeigen“ propagierten.
Am 9. September kam die neue Gesetztesauslegung, wonach wegen Verleumdung angeklagt werden kann, wessen kritischer Blogpost mehr als 500 mal geteilt oder gelesen wird.
Am 15. September übertrug der Staatssender CCTV die TV-Beichte von Charles Xu, einem einflußreichen, prodemokratische Blogger, der im Stil der Kulturrevolution „gestand“, mit Prostituierten verkehrt zu haben. Prostitution ist in China zwar illegal, doch war sie offensichtlich nur der Vorwand für seine Verhaftung.
Mitte Oktober wurde der Wirtschaftsprofessor und Reformbefürworter Xia Yeliang von der Pekinger Universität entlassen. Neben diesen harten kamen auch noch „weiche“ Methoden zum Einsatz:
„Die Propagandaabteilungen sollten ihre Beziehungen zu den Intellektuellen pflegen und zu Freundschaften aufbauen, um [die Intellektuellen] im größtmöglichen Umfang um die Partei zu scharen“.
So fasste es Bildungsminister Yuan Guiren am 18.September in einem Artikel in der parteibetriebenen People’s Daily in Worte. Yuan erwähnte auch die fünf Kategorien von Intellektuellen, bei denen Xi Jinping Handlungsbedarf sieht: “Bemüht euch mit Online-Meinungsführern, Bloggern, angestellten und freischaffenden Autoren, sowie unabhängigen Schauspielern und Sängern.“
Enttäuschte Hoffnungen
Als Xi Jinping die Macht übernahm, gab es viel Hoffnung in ihn und die Möglichkeit von echten Reformen in China.
In einem internen Memo, welches das Zentralbüro der KPCh im April als „Dokument Nr. 9“ herausgab, gab Xi Jinping eine andere Marschrichtung vor: „Sieben Gefahren“ müssten bekämpft werden, hieß es da, unter anderem Demokratie, universelle Werte, Pressefreiheit, Zivilgesellschaft und Bürgerrechte.
Die Kampagne zum „Kampf der öffentlichen Meinung“ war danach lediglich der Sargnagel für Chinas Hoffnung auf Veränderung.
Wo ist der tolerante Xi von früher?
Als Xi Jinping noch Vizevorsitzender war, lobten ihn die Staatsmedien als toleranten und aufgeschlossenen Zeitgenossen, sagt He Qinglian, die amerikanisch-chinesische Politkommentatorin zu RFI. Als Vize habe er Sätze gesagt wie „Es hat keinen Reiz, wenn man die lauten Vögel aus dem Käfig nimmt” – was soviel heißen sollte wie „eine Gesellschaft ohne Meinungsvielfalt ist langweilig“.
“Nun scheint Xi alle Vögel zu entfernen, die nicht nach seiner Pfeife zwitschern und alles was übrig bleibt, sind ein paar Papageien, die ihm nachplappern und die Partei loben,” so He. “Das beweist, das ihm politische Visionen fehlen. Seine Fähigkeiten und Visionen – insbesondere die Mittel, mit denen er sie umsetzt – werden China mitnichten in eine strahlende Zukunft führen. Es wird alles nur schlimmer.”
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