Unterschiedliche Regeln Chinas für In- und Auslandsmedien

Eine neue Vorschrift, die Berichterstattung ausländischer Medien betreffend, trat am 17. Oktober in Kraft. Man erhofft sich davon ein wenig mehr Pressefreiheit. Die chinesischen Inlandsmedien freilich, sind von dieser Regelung ausgenommen und fallen weiter den ungeschriebenen „Pressedisziplinen“ der Kommunistischen Partei zum Opfer. Chinas bekanntester Journalist, Li Datong, kritisiert die Vorgehensweise scharf.
Titelbild
(Zur Verfügung gestellt von Rechtsanwalt Pu Zhiqiang)
Von 2. November 2008

Peking – Am 17. Oktober haben mich zwei besorgte ausländische Korrespondenten in China angerufen, weil an dem Tag die für die Olympischen Spiele eingeführte Lockerung der Vorschriften für Berichterstattung und Interviews für ausländische Journalisten ablief. Sie hatten wiederholt beim Außenministerium nachgefragt, ob man nun wieder in den Zustand vor den Olympischen Spielen zurückversetzt würde. Vom Außenministerium keine Antwort. Sie fragten mich: „Was glauben Sie, wie es wird?“

Ich antwortete: „Es wird auf keinen Fall so sein wie früher. Die Vorschriften für ausländische Journalisten vor der Olympiade waren in Wirklichkeit nur ein Namenschild. Es gibt kein ausländisches Medium in China, das stur den Bestimmungen folgt. Denn das wäre nichts anderes als ‚Medienselbstmord‘. Die vorläufige Verordnung vor und während der Spiele war keine gewollte Maßnahme der chinesischen Regierung, sondern erzwungen durch den internationalen Druck. In diesem einen Jahr hat die chinesische Regierung aber auch gesehen, dass ein wenig Offenheit nichts schadet. Im Gegenteil, die ausländischen Medien haben mehr und objektiver über China berichtet. Allein um das positive „internationale Image“ Chinas zu bewahren, wird die Pekinger Regierung diese Offenheit stehen lassen, sie kann sogar noch größer werden.“

Die beiden ausländischen Journalisten waren nicht ganz überzeugt von meiner Einschätzung. Am nächsten Tag hat der Staatsrat die neue Vorschrift für ausländische Medien und Journalisten angekündigt. Es wurde nicht nur die vorläufige Regelung, die während der Olympiade galt und damals vom Außenministerium beschlossen worden war, beibehalten, sondern sie wurde vom Staatsrat erlassen. Somit ist sie rechtskräftig geworden wie ein Gesetz. Die ausländischen Journalisten fragten: „Bedeutet das, dass die chinesischen Medien auch mehr Freiheit bekommen?“ Meine Antwort: „Nein, diese Ordnung hat nichts mit den chinesischen Medien zu tun.“

Das Finanzblatt wird eingestellt

Am 11.Juli 2008 schrieb Das Finanzblatt der Inneren Mongolei: „4,6 Milliarden Yuan ungünstiges Kapital der Changde-Niederlassung der Agricultural Bank of China verloren gegangen“. Es war ein Folgebericht einer exklusiven Geschichte, die Das Finanzblatt Ende 2006 gebracht hat. Die Changde-Filiale der Agricultural Bank of China hatte damals Stempel und Unterlagen gefälscht, um 1.211 Milliarden Yuan (rund 121 Millionen Euro) Geschäftsverlust als faulen Kredit abzuschreiben Nach diesem Vorfall wurden 56 Verantwortliche bestraft. Im Bericht vom 11. Juli ist ein hoher Funktionär der Agricultural Bank of China betroffen. Vielleicht wurde die Zeitung deshalb für drei Monate eingestellt. Und es ist ungewiss, ob sie danach weiterlaufen darf.

Alle Medienmitarbeiter in China wissen, wie schwierig es ist, wenn man etwas berichtet, das dunkle Seiten aufdeckt oder die Regierung kritisiert. Wenn man nicht aufpasst, wird man verklagt. Im schweren Fall werden die Chefredakteure und Journalisten bestraft, die Zeitung eingestellt. Das ist der Grund, warum man bei solchen Berichten äußerst vorsichtig vorgehen muss. Wenn man nicht hundertprozentig sicher ist, veröffentlicht man lieber nicht.

Nach der Veröffentlichung des Berichtes des Finanzblattes sprach die Agricultural Bank of China von einer „typisch erdichteten, völlig unwahren Darstellung“. Daraufhin die Zeitung: „Die ersten Informationen bei diesem Bericht kamen von den Mitarbeitern der Bank. Bei der Recherche haben wir von vier Quellen der Bank Beweise bekommen, die miteinander übereinstimmen. Es gibt Protokolle für die Interviews und entsprechende Beweismaterialien.“

Leider hat das Presseamt der inneren Mongolei, ohne die Richtigkeit der Aussagen beider Seiten gerichtlich überprüfen zu lassen, am 25. September den Beschluss erlassen, die Zeitung für drei Monate einzustellen. Die Begründungen waren, „die Medien dürfen nicht die Dinge in einer anderen Region kontrollieren“, „für das Interview müssen die professionellen Formalitäten durchgeführt werden“ und „vor der Veröffentlichung eines Berichts über ein großes und empfindliches Thema muss man den Inhalt überprüfen lassen“ sowie andere so genannte Pressedisziplinen einhalten.

Was bedeutet „professionelle Formalität“?

Was sind die Pressedisziplinen? Wir reden erst mal nicht über den Unsinn, dass Nachrichten mit der Propaganda gleichgestellt werden. Wenn sie Disziplinen heißen, müssen sie doch schriftlich vorhanden sein. Wenn man heutzutage irgendeinen Journalisten fragt, was die Pressedisziplinen sind, wird er bestimmt sprachlos sein, denn diese Disziplinen sind nirgendwo zu finden. Das sind nur verborgene Regeln, die von den Funktionären beliebig eingesetzt werden können um Schaden für sich selbst zu vermeiden.

„Die Medien dürfen nicht die Dinge in einer anderen Region kontrollieren“, das ist wirklich lächerlich. Seit mehreren Jahren schon ist es eine Gewohnheit, die korrupten Beamten in einer anderen Region zu verurteilen, weil aufgrund der Lokalisierung der Gerichte die Verurteilung im gleichen Gebiet oft zu ungerecht ist. Wenn die Kontrolle durch andere Regionen nicht mehr erlaubt wäre, würde das nichts anderes heißen als ohne Kontrolle. Wenn Medien anderer Gebiete nicht über den Milchpulverskandal berichtet hätten, wären diese Nachrichten überhaupt nicht aufgetaucht.

Was bedeutet „professionelle Formalitäten“ für Interviews? Als viele in- und ausländische Journalisten Wen Jiabao im Erdbebengebiet interviewt haben, hat man sie da gefragt, ob sie die professionellen Formalitäten durchgeführt haben? Wo immer etwas geschehen ist, dort gehen die Journalisten zu allererst hin, das ist professionell. Die Professionalität, die in der sogenannten Disziplin verlangt wird, ist eigentlich die Erlaubnis der Behörden. Wenn sie nicht gestatten, dann gibt es keine Nachricht!

„Vor der Veröffentlichung eines Berichts über ein großes und empfindliches Thema muss man den Inhalt überprüfen lassen“, das ist nun wirklich absurd. Wenn der Inhalt von den betroffenen Behörden überprüft werden muss, was passiert? Da wird man bestimmt die Tatsache verleugnen.

Als Mensch soll man sich auch innerlich und äußerlich übereinstimmend verhalten. Wie kann eine Regierung die ausländischen und die inländischen Medien so unterschiedlich behandeln? Ein gutes internationales Image entsteht nicht dadurch, wie die ausländischen Medien behandelt werden. Es entsteht, wenn die inländischen Medien frei sind und die Informationsfreiheit dem eigenen Volk gewährt wird. Daher gehören solche „Pressedisziplinen“ schon längst in den Mülleimer!

(Zur Verfügung gestellt von Rechtsanwalt Pu Zhiqiang)
(Zur Verfügung gestellt von Rechtsanwalt Pu Zhiqiang)


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