Stars in der düsteren Rechtslandschaft
Vierzehn chinesische Rechtsanwälte und Rechtswissenschaftler wurden zu den Persönlichkeiten des Jahres 2005 gewählt. Das in Hongkong ansässige Magazin Asiaweek begründet die Entscheidung mit dem mutigen Einsatz der Rechtsanwälte für die Bürgerrechte in China.
Auf ganz intelligente Weise hätten diese 14 Bürgerrechtler, darunter die Top-Anwälte Gao Zhisheng und Zheng Enchong, das Internet genutzt, heißt es in der neuesten Ausgabe des Magazins. Mutig hätten sie sich dafür eingesetzt, das Grundrecht der 1.3 Milliarden chinesischen Bürger zu verteidigen und die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in China einzufordern.
Dank ihrer Bemühung seien einige Prozesse zu einem ersten Erfolg gekommen, schrieb das Magazin. „Jedoch haben sie dafür einen hohen Preis zahlen müssen“. Unter den 14 gekürten sitzen nun zwei in chinesischen Gefängnissen, darunter der neulich vom Deutschen Richterbund mit einem internationalen Menschenrechtspreis ausgezeichnete Anwalt Zheng Enchong.
Drei Jahre Haft für „Staatsverrat“
Mit mehr als 500 Prozessen in 10 Jahren. Der in Shanghai lebende Rechtsanwalt Zheng Enchong hatte mehr als genug zu tun, mit mehr als 500 Prozessen in 10 Jahren. Wenn es nur nach der Erfolgsquote ginge, gehörte er mit Sicherheit nicht zu den erfolgreichen Rechtsanwälten im Reich der Mitte. Seine Klientel in Shanghai besteht nicht nur aus kleinen, finanziell schwachen Bürgern, wie älteren Menschen und Arbeitslosen. Zu ihm kamen auch Polizisten und sogar Richter. Fast alle fanden sich letztendlich im Kreise der Ohnmächtigen wieder. Sie alle hatten bei der Durchführung der so genannten neuen „urbanen Konzeptionen“ in der Boomstadt Shanghai ihre Wohnungen verloren. Die meisten Prozesse im Zusammenhang mit den immer häufiger durchgeführten Zwangsumsiedlungen, die Rechtsanwalt Zheng Enchong betreut hatte, blieben erfolglos.
Als am 9. Dezember der 8. Menschenrechtspreis vom Deutschen Richterbund in Berlin an Zheng Enchong verliehen wurde, bemerkte Joachim Gauck, der erste Sonderbeauftragte für die Stasiunterlagen der ehemaligen DDR: „Wir zeichnen ihn aus, weil wir nur zu gut wissen, dass es für einen Anwalt in seinem Umfeld in Shanghai leichtere und bessere Arten gibt, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Wir wissen, dass er etwas von Bürgerrechten und Menschenrechten versteht“.
Trotz der Aussichtslosigkeit im Kampf gegen die Willkür der Justiz und gegen die Allianz der Neureichen und Mächtigen in Shanghai konnte sich Zheng Enchong, der als willensstark und scharf in der Rhetorik gilt, kaum noch vor dem Ansturm hilfesuchender Mandanten retten. Den größten Durchbruch schaffte Zheng 2003, als er den reichsten Mann der Weltmetropole Shanghai, Zhou Zhengyi, vor Gericht brachte. Dieser hatte die Nutzungsrechte eines Grundstücks in bester Citylage von Shanghai mit einer Gesamtfläche von 170.000 qm von der Stadt bekommen. Ein Vertrag, der in die Hände der dortigen Einwohner geraten war, zeigt, dass Zhou zumindest 40.000 qm dieses Grundstücks von der Stadtverwaltung unentgeltlich überschrieben wurden. In dieser Lage haben Hongkonger Investoren schon vor Jahren mindesten 1.000.- $ pro Quadratmeter bezahlen müssen. Zhou Zhengyi wurde zu drei Jahren Haft verurteilt. Wenig später wurde Zheng Enchong ebenfalls zu drei Jahren Haft verurteilt, allerdings wegen des sogenannten „Verrates von Staatsgeheimnissen“, nach § 111 des StGB der Volksrepublik China. „Die Strafe dient ganz offensichtlich dazu – und wozu sie auch eingesetzt wird, unbequeme Mahner, widerspenstige Querdenker, Oppositionelle oder einfach aufrichtige Menschen zu disziplinieren und mundtot zu machen“, sagte Wolfgang Arenhövel, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes anlässlich der Preisverleihung.
Hilfe in Not
Wenige Tage nach der Preisverleihung teilte amnesty international mit, dass der Familie der Besuch bei dem Gefangenen und sogar ein Telefongespräch verwehrt wurde. Am frühen Morgen des 14. Dezember 2005 suchten Familienangehörige von Zheng Enchong das Tilanqiao-Gefängnis auf, in der Hoffnung, doch noch mit ihm sprechen zu dürfen. Seit ihrem letzten Familienbesuch am 12. November 2005 haben die Angehörigen keinen Kontakt mehr zu Zheng Enchong. amnesty international befürchtet daher, dass der sich gewaltlos verhaltende politische Gefangene möglicherweise geschlagen oder anders misshandelt wird. Die Kontaktsperre gibt Anlass zu großer Sorge um seine Sicherheit und seinen Gesundheitszustand.
Laut den Angaben seiner Familie hat der inhaftierte Anwalt schon früher gebeten, bei den Behörden seine Verlegung in eine Haftanstalt außerhalb von Shanghai zu beantragen, da er fürchtete, das Tilanqiao-Gefängnis nicht mehr lebend zu verlassen. Amnesty international initiierte daraufhin eine Urgent Action.
Wenn die sozialen Konflikte sich zuspitzen, wie es gegenwärtig im heutigen China geschieht, sind die Rechtsanwälte die Stars. Für die Rechtsanwälte selbst fehlt jedoch jeglicher Schutz in einem Land, in dem die Gesetze immer noch der Willkür der Machthaber unterliegen.
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