So surreal war Chinas „Welt-Internetkonferenz“ in Wuzhen
Es waren die üblichen Verdächtigen: Jack Ma von Alibaba und sämtliche CEOs der wichtigsten Internet-und IT-Konzerne Chinas, dazu 50 in- und ausländische Unternehmen wie Huawei, Samsung, IBM und Microsoft die ihre Neuheiten präsentierten.
Chinas erste „Welt-Internetkonferenz“ wurde gestern in Wuzhen eröffnet, einer malerischen Kleinstadt südlich von Shanghai. Und für die Dauer der Konferenz (19.-21.November) wurde für die 50.000 Einwohner der Stadt der Traum vom freien Internet wahr: Man konnte sich mit allen Personaldaten für ein W-Lan registieren lassen und einmal unbeschränktes Surfen im Worldwideweb, auf Facebook, Twitter und all den anderen schönen Websites zu genießen, die in China zensiert sind (wobei man sich ausrechnen konnte, dass die Internetpolizei einen dabei auf Schritt und Tritt kontrollierte).
Zensur klingt böse – nennen wir´s "Sicherheit" …
Die Konferenz steht unter dem Motto „An interconnected World Shared and Governed by All“ (Eine durchweg vernetzte Welt, geteilt und regiert von allen) und gestaltet sich als pure Propaganda-Schau. Und schon im Titel steckt die Botschaft, dass Zensur doch eigentlich etwas Nützliches ist – speziell für Regierungen und Leute, die auf Sicherheit stehen … Erst im April feierte China das 20jährige Jubiläum seiner Great Firewall, die vom Regime als „einzigartiges Management-Tool des Internet-Booms“ gepriesen wird. Doch zurück zur Konferenz:
Chinas Staatschef Xi Jinping ließ Vize-Ministerpräsident Ma Kai zur Eröffnung ein Grußwort von sich vorlesen. Das Xinhua.Net lieferte einen Livestream und veröffentlichte jede Rede. Die insgesamt 1000 Teilnehmer kamen aus angeblich 100 Ländern (da es in China viele ausländische Studenten und auch befreundete afrikanische Staaten gibt, kein Problem!).
Ausländische Promis kamen nur wenige, darunter Nokia-CEO Rajeev Suri, Facebooks Vizechef für Corporate-Development Vaughan Smith, Line Plus-CEO Shin Joong-ho, LinkedIn Gründer Reid Hoffman und noch ein Assistent von Wladimir Putin.
Aber natürlich kamen auch Menschen, die etwas dagegen hatten.
Das erlebten 7 Demonstranten
Sieben Demonstranten forderten vor der Konferenzhalle das Ende der Zensur und die Freilassung aller Internetdissidenten. Sie waren aus allen Himmelrichtungen und weit entlegenen Provinzen angereist, um gestern mittag ein Transparent zu halten, das die Polizei wenig später einkassierte.
„In der Nähe der Konferenzhalle wurden wir schon von Polizei aufgehalten die uns sagte, wir sollten nicht zur Veranstaltung gehen“, berichtete Demonstrant Zhang Jixin der EPOCH TIMES. „Zeitgleich wurden wir von Leuten beschattet, die heimlich Fotos machten. In dem Moment, wo wir uns ein Taxi rufen und gehen wollten, kamen 12 Polizisten, die uns umzingelten und in ihre Autos verfrachteten, ohne überhaupt Dienstausweise vorgezeigt zu haben. Sie nahmen uns die Handys ab und meinten, dies wäre eine Routineuntersuchung.“
Zhang und vier seiner Mitstreiter wurden gestern nachmittag wieder frei gelassen. Was aus den beiden anderen wurde, ist unklar. Auch bemerkten die Demonstranten, dass ihre Hotelzimmer durchsucht und Petitionsunterlagen entwendet worden waren.
Jeder Sechste hat einen „Blog“
„Diese Internetkonferenz in Wuzhen ist ein Witz“, meinte der chinesische Medienmacher und Aktivist Wen Yunchao auf Twitter. „Damit zeigt China der Welt, dass das chinesische Netz ein schwarzes Loch ist – es wird nur drei Tage auf und danach wieder zugemacht.“
Chinas Internetzensur ist eine der schlimmsten weltweit und betrifft 578 Millionen Nutzer und über 100 Millionen Blogs, zu denen auch die Twitter-ähnlichen Weibo-Konten zählen. Also hat mehr als jeder sechste Chinese, der online ist, auch ein eigenes Socialmedia-Konto! Soviel Online-Kommunikation macht dem Regime, das überall auf Abschottung und Kontrolle setzt, zwangsläufig Angst.
China sperrt beliebten Cloud-Anbieter
Wie viel Angst Chinas Machthaber vor dem Internet da draußen haben, wurde eine Woche vor der aktuellen Konferenz klar, als plötzlich die amerikanische Website EdgeCast blockiert wurde. Bisher wurde dieser Anbieter von Cloud-Services gern als Tunnelwebsite benutzt, über die Chinesen zensierte Websites im Ausland erreichen konnten. Ein Login in mehrere tausend Websites wie die von Sony und Firefox war möglich. Dass EdgeCast nun plötzlich in China ausgeschaltet wurde, kam vielen wie ein schlechter Scherz und eine Ausweitung der Zensur vor. Die Sperre sei eine Blockade ohne System und ohne Grund, beklagte Edgecast und ließ seine Kunden wissen: „Wir teilen ihren Frust“.
Xi Jinpings Krieg ums Internet
Das Xi Jinping ausgerechnet jetzt eine Internetkonferenz veranstaltet, liegt nahe: Im Februar hat sich Chinas neuer starker Mann auch zum Leiter der von ihm gegründeten „Arbeitsgruppe für Internetsicherheit“ aufgeschwungen, was zeigt, dass er als Staats- und Parteichef plant, in Zukunft auch das Internet komplett unter seine Fuchtel zu bringen. Gar nicht so leicht, denn das Internet war in der Vergangenheit von der Clique um Xis 88-jährigen Amtsvorgänger Jiang Zemin dominiert, der viele Freunde und sogar einen Sohn im Telekommunikations-Business hat.
Die Suchmaschine Baidu zum Beispiel spuckte bis 2012 öfter mal negative Schlagzeilen über Xi Jinping, seinen Amtsvorgänger Hu Jintao und dessen Premier Wen Jiabao aus. Nach dem gescheiterten Putschversuch gegen Xi schlug sich Baidu mehr auf Xis Seite und bringt derzeit häufiger verbotene Suchtreffer über die Verbrechen der Jiang Zemin-Clique, wie zum Beispiel den Organraub an verfolgten Falun Gong-Anhängern.
Chinas Google-Äquivalent ist also die perfekte Waffe im Informations-Krieg.
Siehe auch: Risiko Alibaba-Aktie: Bizarre Hintergründe über Jack Ma und seine mächtigen Freunde aus China
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