Paukenschlag: Hongkongs Bürger stimmen für mehr Demokratie
Mit unerwartet hoher Beteiligung stimmten die Bürger von Hongkong am Wochenende für eine weitere Demokratisierung ihrer „Sonderverwaltungszone“. Sie wollen in Zukunft ihren Regierungschef direkt wählen können und nicht mehr von Peking bestimmen lassen. Von den etwa 3,5 Millionen Wahlberechtigten der 7,2-Millionenstadt haben schon über 700.000 bis zum Montagfrüh ein Votum abgegeben.
Für die Zeit vom 20. Juni bis zum kommenden Sonntag, dem 29. Juni, haben Oppositionelle in Hongkong zu einer (inoffiziellen) Volksabstimmung über eine Reform der Wahlen aufgerufen. Bisher wird über die Hälfte der Abgeordneten von Peking bestimmt, die anderen werden direkt gewählt, und schließlich wählt das Parlament den von Peking vorgeschlagenen Gouverneur für Hongkong. Zurzeit hat Leung Chun-ying den Posten inne.
Verschiedene Demokratie-Befürworter riefen die Bürger von Hongkong auf, aus drei möglichen Reformvorschlägen für das Wahlrecht eins auszuwählen. Sie können das mit Wahlzetteln in 15 Wahlbüros in Hongkong tun oder auch zehn Tage lang per E-Mail. Die Initiatoren hofften auf 200.000 Teilnehmer. Ihre Erwartungen wurden schon am ersten Tag übertroffen.
Kämpfe hinter den Kulissen
Angeheizt wurde die Atmosphäre von der überraschenden Veröffentlichung eines Weißbuchs aus Peking am 10. Juni, in dem die Zentralregierung erklärte, „dass Hongkongs Autonomie davon abhängig ist, wie viel davon Peking ihm zu geben gewillt ist, und dass die chinesische Zentralregierung jederzeit die Verfassung von Hongkong ändern kann.“
Auch hierbei offenbarte sich wieder einmal der innerparteiliche Machtkampf in Chinas KP. Die scharfe Verlautbarung kam offensichtlich aus der Jiang Zemin-Clique in Gegnerschaft zum regierenden Staatschef Xi Jinping und seinem amtierenden Ministerpräsidenten Li Keqiang. Der weilte nämlich am 18. Juni zum Staatsbesuch in England und unterzeichnete eine gemeinsame Erklärung mit Premierminister David Cameron, in der es ausdrücklich hieß, dass man an der Vereinbarung für die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong festhielte, in der man 1997 für 50 Jahre „ein Land, zwei Systeme“ versprochen hatte. Das Weißbuch wurde nicht einmal erwähnt.
[–Zeitung spricht von "Verbrechern und Idioten–]
Am Freitagfrüh wetterte ein Kommentator der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post ironisch über „Pekings zur Unzeit erschienenes Weißbuch“, damit sei nun eine „überwältigende Zahl von Wählern garantiert“. Noch schärfer verurteilte er die Hintermänner von heftigen Hackerattacken auf die Webseite des Referendums: „Die Menschen, die hinter den Cyber-Attacken auf das Occupy Central Mock Referendum über politische Reformen und auf die pan-demokratische Apple Daily stehen, sind nicht nur Verbrecher, sondern Idioten.“
Die Cyber-Attacken hatten dazu geführt, dass die Veranstalter den Zeitraum für die Stimmabgabe verlängerten und die Wähler an zwei Sonntagen am Zentralen Platz in Hongkong in 14 weiteren Wahlbüros in der Stadt empfangen. Es bildeten sich am Sonntagmorgen des 22. schon lange Schlangen.
Die Turbulenzen im größten Finanzzentrum Asiens und die hohe Wahlbeteiligung ziehen auch die Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf sich und strahlen bis ins Festland China aus.
Regierungen in Peking und Honkong winden sich
Am Freitagfrüh, 40 Minuten vor der Eröffnung der Wahlportale im Internet, erklärte die Regierung in Hongkong, diese Aktion wäre nicht offiziell und man könnte sich in Hongkong keinesfalls danach richten.
Aus dem Büro in Peking für die Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao hieß es sogar, die Abstimmung wäre illegal.
Das Verbindungsbüro der VR China in Hongkong erklärte, die Volksabstimmung sei nur „Theater“.
Nachdem am Freitag schon 200.000 Bürger ihr Votum abgegeben hatten, änderten sich die regierungsamtlichen Stellungnahmen:
Am Samstag, dem 21., sagte Hongkongs Gouverneur Leung Chun-ying, die Abstimmung hätte zwar „keine gesetzliche Grundlage, die Hongkong-Regierung wird aber die Meinung der Bürger respektieren.“
Am Sonntag, dem 22., hat der Justizminister Yuan beim Stand von etwa 600.000 Stimmabgaben erklärt, „eine verantwortungsvolle Regierung“ werde den „Bürgern zuhören, aber nach dem Gesetz handeln.“
[–Heiße Stimmung in Hongkong–]
Prominente Politiker in Hongkong haben nicht nur an der Abstimmung teilgenommen, sondern sich auch gegenüber den Medien geäußert.
Martin Lee Chu-ming, Rechtsanwalt und Abgeordneter, der als engagierter Demokratie-Vertreter gilt, sagte: „Diese Abstimmung ist nicht illegal. Obwohl sie keine gesetzliche Wirkung hat, kann Peking das nicht ignorieren. Die Zahl der Teilnehmer ist ungewöhnlich hoch. Das zeigt schon den Willen der Hongkong-Bürger für echte Wahlen. Selbst bei 150.000 Teilnehmern wäre die Zahl schon groß genug gewesen, mit Peking zu verhandeln.“
Joseph Kardinal Zen Ze-kiun, emeritierte Bischof von Hongkong, sagte: „Vielleicht kann ich die richtige Wahl nicht mehr erleben, aber für die Jüngeren hat sie eine große Bedeutung.“
Anson Maria Elizabeth Chan, die schon vor der Übergabe Hongkongs 1997 und danach bis 2001 Hongkongs eine sehr respektierte Verwaltungschefin war, erklärte: „Ich bin besonders glücklich, dass so viele Bürger teilgenommen haben. Je mehr teilnehmen, desto stärker ist das Signal an Peking. Ich hoffe, dass die Stimmen der Bürger in Peking und Hongkong nicht ignoriert werden.“
Kommentare aus China
Der Menschenrechtler Hu Xia twitterte im Internet: „Heute bin ich am 22. Juni im Internet zu einem ehrenamtlichen Kampf, dass man in Hongkong wählen kann. Die Freiheit lieben und Hongkong unterstützen. Hongkong steht nicht einsam da, wir stehen mit Hongkong zusammen. – In China gibt es keine regierende Partei, es gibt nur eine diktatorische Partei. Wir müssen die internationale Öffentlichkeit erkennen lassen, dass China nicht der KP Chinas gleicht!“ Im Jahr