„Hart zuschlagen“ – Chinas Stasi gegen Falun Gong vor Olympia 2008
Er erscheint nur kurz im Bild der Youtube-Einspielung. Yu Zhou, ein jung aussehender chinesischer Trommler, singt mit sanftem Gesicht in einem Trailer von 2:19 Minuten. „Mein Zuhause“ heißt der Song, den die Gruppe „Xiao Juan and Residents from the Valley“ lächelnd in einem Wohnambiente präsentiert. Sie wussten nicht, dass Yu Zhou nie mehr nach Hause gelangen würde.
Sie wussten nicht, dass die chinesische Stasi in Peking vor den Olympischen Spielen verstärkt Jagd macht auf Praktizierende der buddhistischen Falun Gong-Bewegung. Sie wussten nicht, dass ihr Trommler Yu Zhou und seine Frau besonders gefährdet waren als Anhänger eben dieser Bewegung.
Hart zuschlagen
„Hart zuschlagen“ wurde nach Angaben von Amnesty International vom Minister für Staatssicherheit Zhou Yongkang schon im Jahr 2005 in Vorbereitung für „erfolgreiche“ Olympische Spiele als Devise ausgegeben. „Wir müssen hart zuschlagen gegenüber feindlichen Kräften hier und in Übersee, so wie bei ethnischen Separatisten, religiösen Extremisten, gewalttätigen Terroristen und … Falun Gong.“
Und sie schlagen hart zu: Am 26. Januar dieses Jahres blockierte die Polizei das Fahrzeug des Ehepaars auf dem Nachhauseweg von einem Auftritt in einem Hotel. Man verhaftet beide. Elf Tage später erhält die Familie von Yu Zhou eine Mitteilung, sie möge rasch in das Qinghe-Notfallzentrum kommen um ihn zu besuchen. Aber Yu Zhou ist bereits tot. Nach Aussage des Arztes an Diabetes gestorben, aber die Familie sagt, er hätte nie Diabetes gehabt und sei ganz gesund gewesen. Sie verlangt eine Obduktion, die vom Krankenhaus verweigert wird.
Seine Frau Xu Na wird in ein Pekinger Untersuchungsgefängnis verlegt, die sogenannte „Siebte Zweigstelle der Pekinger Behörde für öffentliche Sicherheit“, die normalerweise mit Schwerverbrechern belegt ist. Sie hat schon eine fünfjährige Haftzeit von 2001 bis 2006 hinter sich mit Folter und Schwerstarbeit im Tuanhe-Jugendarbeitslager und im Pekinger Frauenarbeitslager. Sie ist von Beruf Expertin für Malerei und Dekorationsverpackung – und sie praktiziert Falun Gong. Yu Zhou machte seinen Abschluss an der Französischabteilung der Pekinger Universität, er beherrschte verschiedene Sprachen und war künstlerisch sehr begabt. Er hatte eine gute Stimme und sang mit seiner Band. Das Fahrzeug des Ehepaars wurde konfisziert und die Wohnung geplündert. Yu Zhou war 42 Jahre alt. Soweit die Informationen von Falun Gong-Sprechern.
„Er war so ein guter Mensch“, sagen traurig seine Bandmitspieler. „Er weckte bei allen, die ihm begegneten, tiefes Vertrauen. Er war der Kern der Gruppe.“ Die Online-Ausgabe der britischen Tageszeitung „The Times“ berichtet von chinesischen Webseiten, auf denen Fans – nach einem deutlichen Fluch auf die chinesischen ‚Autoritäten‘ – davon sprechen, dass „eine weitere schöne Seele diese Welt verlassen hat.“ Zwei CDs hatte die Gruppe schon erfolgreich veröffentlicht.
Während die Aufmerksamkeit der Welt auf Tibet oder neuerdings auch auf Amstetten in Österreich gerichtet ist, kann es keinen Zweifel mehr daran geben, dass Chinas kommunistisches Regime jede Stimme ersticken will, die während der Olympischen Spiele noch Menschenrechte einfordern könnte. Falun Gong-Sprecher teilten dazu mit: „In den vergangenen Wochen erreichten uns regelmäßig und verstärkt Berichte über Hausdurchsuchungen und Festnahmen von Falun Gong-Praktizierenden und ihren Familienangehörigen aus China. Aus diesen Berichten wurden folgende Zahlen ermittelt: 1.878 Festnahmen in 29 Provinzen, Großstädten und autonomen Regionen seit dem 1. Januar dieses Jahres. Allein in Peking wurden 156 Festnahmen bekannt.
2.000 bis 3.000 Yuan für Hinweise auf Falun Gong
In vielen Städten wurden Belohnungen für Hinweise aus der Bevölkerung auf Falun Gong-Praktizierende ausgesetzt.“ Es gibt dort ein Belohnungssystem, das für die Identifikation eines Falun Gong-Praktizierenden gegenüber den Behörden 500-3.000 Yuan aussetzt (das Gehalt einiger Monate, etwa 50 bis 300 Euro). In der Stadt Zibo, Provinz Shandong, wurde durch Anschläge in den Nachbarschaftsbüros bekannt gemacht, dass für Informationen, die zur Festnahme eines Falun Gong-Anhängers führen, 2.000-3.000 Yuan gezahlt werden. Andere Büros, so die Berichte, bieten 500-2.000 Yuan für Hinweise auf einen Falun Gong-Praktizierenden, der Flugblätter über die Verfolgung verteilt.
Wenn Falun Gong-Praktizierende nicht unterschreiben, dass sie während der Olympischen Spiele Peking nicht besuchen, oder wenn die Polizei bei ihnen zu Hause einen Flyer über Falun Gong findet, dann werden sie sofort festgenommen. Ebenso haben nach neuesten Meldungen alle Bürgermeister von Städten in China eine Mitteilung erhalten, dass sie von ihrem Posten zurücktreten müssen, wenn aus ihrer Stadt Falun Gong-Praktizierende während der Olympischen Spiele nach Peking reisen.
Dieser Druck und die Aufforderung zum Denunziantentum erklären auch die hohe Zahl von mehr als 1.870 Praktizierenden der Meditationsbewegung, die in den ersten drei Monaten des Jahres 2008 von chinesischen Sicherheitskräften festgenommen wurden. Von ihnen sind sechs in der Haft eines gewaltsamen Todes gestorben.
Kind musste die eigene Oma bespitzeln
„Noch erschreckender als die hohe Zahl der Opfer ist die zunehmende Skrupellosigkeit und Brutalität der Sicherheitskräfte“, sagte kürzlich Ulrich Delius, Asien-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker. So sei beispielsweise am 7. Januar 2008 ein Enkelkind einer verhafteten Falun Gong-Praktizierenden zu einer Polizeistation im Bezirk Xiangyang gebracht worden, um das Kind zu zwingen, Informationen über seine Oma und andere Falun Gong-Praktizierende preiszugeben, berichteten Freunde der Familie der GfbV.
Die ältere Frau sei im Gewahrsam der Polizei geschlagen worden und saß ihrem Enkel daher mit von Schlägen blau unterlaufenen Augen gegenüber. Da sie sich jedoch weigerte, Namen anderer Falun Gong-Anhänger preiszugeben, musste ihr Enkelkind Fotos aller bei der Polizei gespeicherten Bewohner des Bezirkes anschauen und angeben, wer mit seiner Oma Kontakt hatte.
Falun Gong (Falun Dafa) ist eine traditionelle buddhistische Meditationsschule, die aus China stammt und in mehr als 70 Staaten der Welt ausgeübt wird. Neben körperlichen Übungen legen Praktizierende nach eigenen Aussagen besonderen Wert auf ein Leben nach den Prinzipien von Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht. Damit soll „die menschliche Qualität trainiert werden“, so Sinologe Peter Recknagel aus Frankfurt, der Falun Gong seit mehr als zehn Jahren praktiziert. Seit dem 20. Juli 1999 unterliegt Falun Gong in China einer vom ehemaligen Staatspräsidenten Jiang Zemin initiierten Verfolgung. Hunderttausende Menschen wurden festgenommen. Bis Redaktionsschluss gab es 3.118 nachgewiesene Todesfälle durch Folter. Infos unter www.faluninfo.de
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