Gao Zhisheng: „Dies ist der stolzeste Tag in meinem Leben!“
Der Menschenrechtsanwalt Gao Zhisheng begründet seinen Austritt.
Noch 2001 stellte ihn der chinesische Justizminister in die Reihe der zehn besten Anwälte Chinas.
Am 30. November musste er auf Anordnung von Chinas Behörden seine Kanzlei für ein Jahr schließen. Seine Angestellten müssen sich einen neuen Job suchen. Es steht in den Sternen, ob der Anwalt seine Kanzlei jemals wieder wird eröffnen können. Gao hatte ordnungsgemäß seine neue Adresse anmelden wollen, war aber bei den Zuständigen auf taube Ohren gestoßen. Nun wird der Spieß umgedreht, und es heißt, er habe die neue Adresse nicht angemeldet.
Die Wahrheit dahinter ist, der engagierte Anwalt hat es nicht nur gewagt, verfolgte Christen und verfolgte Falun Gong-Praktizierende zu verteidigen, sondern er hat auch eine intensive Untersuchung diverser Fälle vorgenommen. Als ihm das Ausmaß der Verbrechen des chinesischen Staates, also seiner eigenen Regierung, immer augenfälliger wurde, wandte er sich im Oktober und November in zwei offenen Briefen an die chinesische Führung und forderte Gerechtigkeit. In derselben Zeit trat er auch der christlichen Kirche bei. Nun ist der Menschenrechtsanwalt selbst auf Hilfe angewiesen. Aber er geht seinen Weg unbeirrt weiter, er hat nicht sein persönliches Wohl, sondern das einer ganzen Nation im Blick.
Gao Zhisheng schreibt mit Datum 14. Dezember 2005:
„Nachdem ich nun mehr als zehn Tage lang rund um die Uhr gearbeitet habe, kann ich eine kurze Pause machen. Ich habe diese Untersuchung [nach der Wahrheit] über die brutale Verfolgung, die von der chinesischen Obrigkeit angeordnet wurde, beendet. Über eine Verfolgung, die freie Menschen, die einen Glauben haben, in den vergangenen Jahren erlitten haben.
Da meine Frau und meine Tochter allein zu Hause zurück bleiben und weil sie 24 Stunden rund um die Uhr von der berüchtigtsten und unmoralischsten chinesischen Polizei – einer Polizei, für die es nichts Schlechtes gibt, dessen sie nicht fähig wäre – beobachtet werden, war jede Sekunde meiner so knappen Freizeit angefüllt mit quälender Sorge für meine Frau und meine Tochter. Gott möge sie schützen!
Gut ein Dutzend Tage in nächster Nähe mit Falun Gong-Anhängern zu sein, war eine tiefgehende Erfahrung für meine Seele. Zusammen mit Professor Jiao Guobiao [1] habe ich jeden Tag 24 Stunden mit Falun Gong-Anhängern verbracht. […..]
Während dieser vergangenen 15 Tage habe ich die unbeschreibliche Gewalt erfahren, die unserem liebenswürdigen Volk angetan wird. Wang Yuhuan, eine friedliche alte Frau [Anm. d. Red: verfolgt wegen Falun Gong], wurde sechs Jahre lang abwechselnd von Hunderten von Polizisten und KP-Funktionären körperlich und seelisch mit all den fürchterlichen Methoden gefoltert. Jedes Mal haben mehr als 20 Polizisten die Frau gefoltert, mehr als 24 Stunden lang, bis sie alle erschöpft und völlig durchgedreht waren. Manche schrieen wie verrückt. Einmal wurde das gesamte Folter-Instrumentarium innerhalb von nur 17 Tagen dreimal eingesetzt, um Frau Wang zu foltern. Einmal musste sie sogar drei Tage und zwei Nächte lang auf die Tigerbank [2]. Das ist das, was „unsere“ Partei jeden Tag als politische Aufgabe ansieht!
Schließlich hatte das nach mehr als einem Dutzend Tagen ein Ende! Und meine völlige Verzweiflung an der Kommunistischen Partei Chinas hat begonnen. Diese KPC hat unglaublich barbarische, unmoralische und rechtswidrige Mittel eingesetzt, um unsere Mütter, unsere Ehefrauen, unsere Kinder und unsere Brüder und Schwestern zu foltern. Und sie hat diese Art Folter zu einem Teil der Aufgabe der Mitglieder der Partei gemacht und hat sie zur politischen Aufgabe erhoben. Sie verfolgt und quält ohne Pause Gewissen, Persönlichkeit und Güte von uns, dem Volk!
Von jetzt an erklärt Gao Zhisheng, ein Partei-„Mitglied“, das seine Mitgliedsbeiträge schon lange nicht mehr bezahlt hat und jahrelang allen Aktivitäten fern geblieben ist, dass er diese grausame, unglaubwürdige, unmenschliche und schlimme Partei verlässt.
Dies ist der stolzeste Tag in meinem Leben!“
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[1] Dr. Jiao Guobiao, Journalismus-Professor an der Pekinger Universität, würde kürzlich entlassen, weil er seine Meinung über die Zensur laut ausgesprochen hat.
[2] Die Tigerbank ist ein Folterinstrument. Die Opfer müssen auf einer ca. 20 cm schmalen Metallbank sitzen. Die Bank hat keine Rückenlehne; die Knie des Opfers werden nach unten gedrückt und an der Bank festgebunden, oft werden harte Gegenstände unter Unterschenkel oder Fesseln gelegt, um den Schmerz noch zu steigern.
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