„Fünf Schritte zur Demokratie in China“: Das empfiehlt „älterer Bruder“ von Chinas Staatschef in offenem Brief
Auch ein Regierungschef hat Familie, auch Xi Jinping hat Freundschaften. Eine davon verband schon die Väter: Xi Jinpings Vater war eng befreundet mit einem ehemaligem KP-General, Luo Ruiqing, der mit Mao zusammen die VR China gründete – und auch die Söhne sind miteinander befreundet.
Luo Yu (71), der Sohn von einem der Gründer der VR China, lebt im Exil in Hongkong. Am 3. Dezember hatte er in der Apple Daily einen viel beachteten Offenen Brief an Xi Jinping veröffentlicht, hier eine zusammenfassende Übersetzung.
Offener Brief an Xi Jinping
„Ich habe ein paar Vorschläge für Dich. Wenn Du auf mich hören würdest, bestände für China unter deiner Führung noch Hoffnung. Für mich warst Du immer wie mein jüngerer Bruder.
Nachdem mein Vater gestorben war, hatten wir immer ein enges Verhältnis und haben uns gegenseitig besucht. Dein Vater [von Xi Jinping] wurde in der Kulturrevolution degradiert – selbst als Deine Familie in so einer schwierigen Situation war, haben wir uns weiterhin getroffen und die Freundschaft aufrechterhalten.
Ich finde die Anti-Korruptionskampagne sehr erfolgreich und Du hast Zhou Yongkang und Bo Xilai enttarnt, aber wenn Du wirklich gegen die Korruption kämpfen willst, dann musst Du erst mal diese ganze KP bereinigen und dafür gibt es nur einen Weg: Man muss in China Demokratie einführen.
Heutzutage gibt es in China überall Krisen: Die Glaubenskrise (keiner glaubt mehr an den Kommunismus), die moralische Krise, die Umweltkrise, die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise, die Bildungskrise, die Krise im Gesundheitswesen, die Ressourcenkrise … zusammengefasst, es gibt keinen Bereich ohne Krise.
Die Wurzel all dieser Krisen liegt im Einparteiensystem der KP. Und die Lösung wäre der Aufbau einer Demokratie in China.
Wie kann man die Demokratie in China Schritt für Schritt einführen?
1. Schritt: Man sollte die Pressefreiheit einführen und freie Verlage und Zeitungen gründen dürfen. Bisher ist alles in der Presse durch die Partei gesteuert und zensiert, es gibt keine freien und privaten Verlage.
Vor der UNO hast Du gesagt, dass Freiheit, Demokratie und Gleichheit allgemeine Werte für die Menschheit sind. Doch als Chinese hat man nicht mal die Freiheit, frei zu sprechen, wie können wir dann über Freiheit, Demokratie und Gleichheit sprechen?
2. Schritt: Man sollte die Freiheit der Parteien einführen. Es soll erlaubt werden, oppositionelle Parteien zu gründen und dass andere Parteien existieren dürfen, sonst kann die KP nie sauber sein.
3. Schritt: Man braucht eine unabhängige Justiz und ein unabhängiges Justizsystem. Es gibt zwar eine Verfassung, aber keiner hält sich daran, auch nicht die KP. Keiner verhält sich entsprechend, da sich auch die KP nicht daran hält. Die Kulturrevolution, die Niederschlagung der Studentenbewegung am 4. Juni 1989, die Verfolgung von Falun Gong – das entsprach alles nicht der chinesischen Verfassung und wurde unter der Führung der KP durchgeführt.
4. Schritt: Man soll freie Wahlen einführen. Funktionäre sollen durch das Volk gewählt werden, erst dadurch kann man die Korruption vermeiden.
5. Schritt: Das Militär soll für den Staat und nicht für Politiker arbeiten oder sich in den politischen Kampf einmischen. Es soll nicht für die Partei, sondern für den chinesischen Staat da sein.
Diese fünf Punkte wären für das Volk Basis für ein demokratisches System – doch im Moment ist kein einziger davon realisiert. Deshalb wird Chinas politisches Regime als totalitäre Diktatur gegen das Volk bezeichnet. Es ist nichts anderes, als eine Diktatur gegen das Volk.
Nichts entspricht hier den anerkannten Werten von Freiheit, Demokratie und Gleichheit. Wir leiden alle unter diesem diktatorischen System.
Erst wenn China ein demokratisches System ist, wird das Land von der Weltöffentlichkeit respektiert.
Wir haben ja so eine brüderliche Freundschaft gehabt. Ich hätte Dir solche Wort auch leise sagen können. Aber unter diesem diktatorischen System habe ich keine Möglichkeit, Dir das persönlich in die Ohren zu flüstern. Ich kann es Dir außerhalb des chinesischen Festlands nur durch die Medien weitergeben.“
In der asiatischen Welt erregte dieser Brief viel Aufsehen – denn Xi Jinping hat schon vieles eingeführt, was nicht zur Linie der Kommunistischen Partei passt und noch nie in der KP passiert ist. Sein Freund gibt ihm damit öffentlich Unterstützung für seine weiteren Vorhaben.
Zur Person: Luo Yu war Senior Colonel im Militär, ein etwas niedrigerer Rang als ein General. Auf einer Dienstreise zur Luftfahrtausstellung 1989 in Paris blieb er aus Protest gegen die Niederschlagung der Studentenbewegung am 4.Juni 1989 im Exil und wurde drei Jahre später von Jiang Zemin vom Militär ausgeschlossen. (yz/ks)
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