Festnahmen in China überschatten Besuch von Sigmar Gabriel
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International und Familien appellierten an Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), sich bei seinem am Dienstag beginnenden Besuch in Peking für die Festgenommenen und andere inhaftierte Bürgerrechtler einzusetzen.
Wie Amnesty International berichtete, waren am Montagnachmittag noch 25 Menschen in Polizeigewalt oder nicht auffindbar. Die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ berichtete, sechs Personen seien formell festgenommen worden, darunter vier Anwälte. Drei Kanzleien wurden durchsucht.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, forderte die Führung in Peking zur Freilassung der Anwälte auf. Mit der Verhaftungswelle signalisiere die chinesische Regierung, dass Kritik am System unterbunden werde, und sogar Anwälte mit harten Strafen rechnen müssten, wenn sie ihrer ureigenen Aufgabe nachgingen, der Verteidigung ihrer Mandanten. „Dieses Vorgehen steht in eklatantem Widerspruch zum erklärten Willen der chinesischen Regierung, Rechtsstaatlichkeit zu fördern“, so Strässer in Berlin.
Das koordinierte Vorgehen seit Freitag ist nach Einschätzung von Menschenrechtlern der größte Schlag gegen Bürgerrechtsanwälte seit dem Amtsantritt von Chinas Parteichef Xi Jinping vor knapp drei Jahren.
Ursprünglich hatte eine Anwaltsgruppe für Menschenrechtsfälle in Hongkong von 106 Betroffenen gesprochen, doch Amnesty veröffentlichte nach weitergehenden Recherchen eine neue Liste mit 101 Namen. Chinas Polizeiministerium begründete das Vorgehen damit, dass Anwälte eine „größere kriminelle Vereinigung“ gegründet und die öffentliche Ordnung „ernsthaft gestört“ hätten.
Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht die Pekinger Kanzlei Fengrui, die häufig heikle Menschenrechtsfälle angenommen hat. Ihr Anwalt Zhou Shifeng, der zu den Festgenommenen gehört, hatte zuletzt die Journalistin und Mitarbeiterin der Wochenzeitung „Die Zeit“, Zhang Miao, vertreten. Sie war am Freitag nach neun Monaten Haft ohne Anklage unter anderem auch dank deutscher Bemühungen freigekommen.
Die Familie der inhaftierten Journalistin Gao Yu, die auch für die Deutsche Welle gearbeitet hat, rief Vizekanzler Gabriel auf, sich für die gesundheitlich angeschlagene 71-Jährige einzusetzen. „Es wäre sicherlich hilfreich und würde internationale Aufmerksamkeit auf den Fall lenken“, sagte ein Familienmitglied der Deutschen Presse-Agentur in Peking. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte sich bei einem Besuch in Peking vergangene Woche dafür eingesetzt, dass ihre Haft „aus humanitären Gründen“ ausgesetzt wird. Die kritische Journalistin war im April wegen „Verrats von Staatsgeheimnissen“ zu sieben Jahren verurteilt worden.
Das massive Vorgehen gegen die Anwälte erfolgt weniger als zwei Wochen nach der Verabschiedung eines neuen Gesetzes für nationale Sicherheit in China. UN-Menschenrechtskommissar Said Raad al-Hussein hatte Peking gerügt, mit dem vage formulierten Gesetz die Unterdrückung von Freiheitsrechten zu fördern.
(dpa)
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