Chinesische Militärzeitung kritisiert Pläne zur Verstaatlichung der Armee

Spiegelfechterei oder echter Reformwille?
Titelbild
Am Montag, dem 30. Juli 2007 stehen Soldaten der 196. Infanteriebrigade von Chinas Volksbefreiungsarmee stramm vor einer militärischen Demonstration in ihrer Infanteriebrigade Basis in Tianjin, einem Vorort von Peking, China. Chinas Militär feiert seinen 80. Geburtstag mit schicken neuen Uniformen, aufwändigen Ausstellungen und einem neuen Grad von Transparenz für eine Kraft, die lange Zeit geheimnisumwittert war. Doch trotz der PR- Kampagne schürt der Aufbau der Volksbefreiungsarmee bei Chinas Nachbarn Besorgnis. Beobachter sagen, dass sogar die neue Offenheit, mit der sich die Armee als Zeichen der Modernisierung anpreist, äußerst begrenzt ist. (AP Photo/Andy Wong)
Von und 31. Juli 2007

China – „Wenn die Armee unter staatliche Hoheit gestellt wird, hat die kommunistische Partei nicht länger die absolute Kontrolle über sie – die sozialistische Natur des Landes würde ausgelöscht“ so das „Tageblatt der Volksbefreiungsarmee“ eine Militärzeitung des kommunistischen Regimes. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel, bezog das Blatt klar Stellung gegen Überlegungen, die Armee zu verstaatlichen. Dieser Artikel wurde seitdem von verschiedenen Seiten her kritisiert und diskutiert.

Experten sagen, dass die Veröffentlichung eines solchen Artikels kurz vor dem 80ten Jahrestag der Gründung der kommunistischen Armee darauf hindeute, dass auch innerhalb der kommunistischen Partei die Rufe immer lauter würden, die Armee unter alleinige staatliche Kontrolle zustellen. Eine staatlich kontrollierte Armee symbolisiere die demokratische Verfassung eines Landes. Der Daseinszweck dieser Armee sei überhaupt fragwürdig, wenn die „harmonische Gesellschaft“ eine Armee brauche, um diesen „harmonischen“ Zustand aufrecht zu erhalten.

Armee als Werkzeug der Partei

Wie die „China Times“ schreibt, lösen Gerüchte und offen ausgetragene Kontroversen vor dem 17. Parteitag der KPCh, im Oktober dieses Jahres, natürlich immer eine Welle von Spekulationen aus. Noch im April bekräftigte der chinesische Staatschef Hu Jintao die Wichtigkeit einer von der KPCh gelenkten Armee, die ihr als Werkzeug dient. Das verschaffte ihm damals großen Rückhalt bei den Befehlshabern und dem Offizierskorps der Armee. Doch da derzeit eine Welle von Reformen durch China schwappt, werden die demokratischen und rechtsstaatlichen Gedanken wieder stärker und auch der Ruf nach einer parteiunabhängigen Armee unter staatlicher Kontrolle wird lauter.

Analysten haben Zweifel

Manche Analysten glauben, dass in einer Diktatur wie China eine parteiunabhängige Armee unter staatlicher Hoheit in absehbarer Zukunft nicht möglich sei. Da die KPCh keinerlei Ruf nach Unabhängigkeit von ihr tolerieren könne, sei anzunehmen, dass die Armee durch den Protest gegen solche Planspiele ihre Loyalität zur Parteiführung zeigen möchte.

Laut Ma Ding-Shing, Militärexperte aus Hongkong, könne die Diskussion über die Verstaatlichung der Armee in China nicht offen geführt werden, denn sogar sogenannte Reformkräfte wie Premier Wen Jiabao bekräftigen, dass die Einparteienherrschaft der KPCh noch mindestens 100 Jahre Bestand haben soll.

Der Gedanke, dass die „Partei die Gewehre kommandiert“, sei laut Ma nicht nur in der chinesischen Armee, sondern auch in der dortigen Regierung und unter Intellektuellen tief verwurzelt. Es herrsche die Meinung vor, dass die gesellschaftliche Stabilität auf jeden Fall Vorrang vor der gesellschaftlichen Entwicklung habe und ohne Stabilität eine positive gesellschaftliche Entwicklung oder wirtschaftlicher Wohlstand nicht möglich sei. Chinas kommunistische Führung brauche somit die Armee, um Ordnung und Stabilität aufrecht zu erhalten.

Die Armee als Polizei?

Diese Sichtweise ist für den Experten Wu Fan vollkommen indiskutabel: Die Armee sei dazu da, um das Land vor äußeren Feinden zu schützen und nicht, um die „Harmonie der Gesellschaft“ im Land selbst zu bewahren. „Das ist die Arbeit der Polizei“, sagt Wu.

Liao Wenzhong, einem Experten der chinesischen Militärforschung aus Taiwan zufolge, , sei es in einem Land wie China das „größte Problem“, dass die Armee nicht vom Staat kontrolliert werde. „Der größte Nachteil dabei ist, dass die Armee zu einem Werkzeug der KPCh bei der Verfolgung Andersdenkender wird“, so Liao. Ein offensichtliches Beispiel sei das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens 1989. Damals hatten die Parteiführer der KPCh der Armee den Befehl gegeben, das eigene Volk anzugreifen.

Cheng Chi-Win, Chefredakteur des taiwanischen Blatts „Defense International“, zieht eine Parallele zur chinesischen Einheitspartei Kuomintang, die bis 1990 Taiwan diktatorisch regierte. „Die KPCh betrachtet das Beispiel der Kuomintang als Warnung. Als sie die Herrschaft über die Armee an den Staat abgab, verlor sie ihre Macht“, so Cheng.

Armee als Entwicklungsbremse

Laut Cheng Chi-Win sei die staatliche Hoheit über die Armee ein wichtiges Kriterium für ein demokratisches Land. Wenn sich die chinesische Armee nicht aus der Politik heraushalte, werde das Land unvorstellbare Hürden und Probleme auf dem Weg zur Demokratisierung und Modernisierung zu überwinden haben. Die Ursache liegt nach Cheng darin, dass „die Armee von einer kleinen Clique aus der Partei kontrolliert wird.“ Zu welchen Konsequenzen das führen könne, habe man zu Zeiten der Kulturrevolution schon einmal sehen können, als Armee- und Parteiführung fast deckungsgleich waren.

Reformwille, Ablenkungsmanöver oder..? Der Versuch einer Bewertung

Es stellt sich die Frage, ob eine Armee unter alleiniger staatlicher Kontrolle, im Falle von China, wirklich einen Machtverlust der KPCh bedeuten würde. Da auch der chinesische Staat unter Kontrolle der Kommunisten steht, würden sich wahrscheinlich nur formelle Dinge ändern.

Berücksichtigt man den bevorstehenden 17. Parteitag der KPCh und den Umstand, dass viele hohe Militärs ihre Stellung noch Jiang Zemin verdanken, könnte diese Ergebenheitsadresse an die Partei natürlich auch eine gut getarnte Drohung an die neue Parteispitze sein, den Status Quo nicht anzutasten.

Ob diese Ergebenheitsbekundung nun bedeutet, dass man der amtierenden Parteiführung treu sein wolle, oder jenen, die sich als Bewahrer der Partei ausgeben, ist dabei allerdings offen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass bei einer drohenden Umstrukturierung und dem damit einhergehenden Verlust an Macht und Einkommen, vergessen geglaubte Altfunktionäre oder nur parteiintern bekannte Akteure als „Retter der Stabilität“ auftauchen.

Da China vor den Olympischen Spielen im nächsten Jahr unter erhöhter Beobachtung hinsichtlich Demokratie und Menschenrechten steht, kann eine solche nach außen getragene Frage natürlich auch als Ablenkungsmanöver verstanden werden. Die KPCh muss einerseits demonstrieren, dass sie Reformtendenzen zumindest diskutieren lässt, und schickt deswegen einige Funktionäre vor, die „neue Gedanken“ äußern. Die Armee hingegen demonstriert mit solchen Artikeln das sie hinter der Partei- und Staatsführung steht.

Natürlich wird durch solche Artikel und das darauf folgende Medienecho auch die Aufmerksamkeit internationaler Beobachter von den für die KPCh sehr viel unangenehmeren Themen abgelenkt. Die Verfolgung von Menschenrechtsaktivisten und ihrer Anwälte oder die illegalen Organentnahmen an Falun Gong Praktizierenden werden ja trotz allem fortgesetzt , sind damit aber erst einmal aus dem unmittelbaren Blickfeld gerückt worden.



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