China: Angriff auf Wen Jiabao gefährdet Jiang Zemin-Fraktion

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Strafsache Bo Xilai: Die KP-Führerschaft in China will hart gegen den früheren Parteichef von Chongqing vorgehen.Foto: Feng Li/Getty Images
Von 4. November 2012

 

Nach dem Bericht in der New York Times über das angebliche Privatvermögen von Wen Jiabao ist der geplante friedliche Regierungswechsel in China in einen offenen politischen Krieg ausgeartet. Dies besagt eine Quelle, die mit den Gesprächen im Vorfeld des 18. Parteikongresses vertraut ist.

Im siebten Plenum des 17. Parteikongresses wird gegenwärtig in Peking hinter verschlossenen Türen debattiert. Gegenstand sei laut besagter Quelle der Fall des in Misskredit geratenen Spitzenfunktionärs Bo Xilai. Dabei laute die Schlüsselfrage, ob Bo Xilai wegen Durchführung eines Staatsstreichs angeklagt werden solle.

Sollte Bo Xilai des Staatsstreichs beschuldigt werden, dürften die gegenwärtigen Parteioberhäupter Hu Jintao und Wen Jiabao vorschlagen, Bo zusammen mit einer ganzen Gruppe von Putsch-Initiatoren anzuklagen, in dem Zusammenhang werden die Namen des früheren Parteichefs Jiang Zemin, des Sicherheitschefs Zhou Yongkang oder des Drahtziehers in der KP Zeng Qinghong genannt.

Wie wir bereits berichteten, wollen die obigen vier und weitere Mitglieder der Jiang-Fraktion ihre Macht zurückerlangen, um einer drohenden Verurteilung wegen Verbrechen im Zusammenhang mit der Verfolgung der spirituellen Bewegung Falun Gong zu entgehen. Insbesondere geht es dabei um Organraub an lebenden Falun Gong-Praktizierenden.

Die Fraktion hat listenreich versucht, die Übergabe der Regierungsmacht an die neue Führungsgeneration hinauszuzögern. Ein Mittel dabei war der Putschversuch, der nun auf Bo Xilai und dem Rest der Jiang-Fraktion lastet.

Nachdem Bo Xilais früherer Polizeichef Wang Lijun am 6. Februar 2012 in das US-Konsulat in Chengdu geflohen und danach zur Untersuchung nach Peking geschickt worden war, hatte die Parteizentrale von dem Putschversuch erfahren. Diesen hatten Bo Xilai, Zhou Yongkang und weitere Personen für die Zeit nach dem 18. Parteikongress geplant.

Vermögen der Führungsspitze offenlegen?

Den neuesten Versuch von Zhou Yongkang, einen Vorteil zu gewinnen, nennt obige Quelle den „Selbstmordanschlag“ auf Wen Jiabao. Der Artikel in der New York Times dürfte laut Politikinsidern auch zu dem Tagesordnungspunkt Zhou Yongkang in dem 7. Plenum geführt haben.

Dem Anschlag auf Wen Jiabao ging ein ähnlicher Artikel im Bloomberg im Juni voraus, in dem das Vermögen der Familie von Xi Jingping offengelegt wurde [Xi Jingping ist der designierte neue Parteichef und Nachfolger von Hu jintao]. Laut dem Nachrichtenportal Boxun wurde der Bloomberg-Artikel von einer Fraktion um Bo Xilai erdacht, um als Übung für den späteren Artikel über Wen Jiabao zu dienen.

Im Moment gehen in Peking Gerüchte um, dass ein ähnlicher Artikel bereits in Arbeit sei, der das Vermögen von Hu Jintao und seiner Familie offenlegen wird.

Wie mehrere chinesischsprachige Webseiten außerhalb Chinas berichteten, habe Wen Jiabao der New York Times in einem geschlossenen Treffen bereits angekündigt, er wolle sein Vermögen offenlegen.

Das Angebot von Wen wird laut obengenannter Quelle von anderen Mitgliedern in der Parteiführung nicht akzeptiert. Würde Wen sein Vermögen offenlegen, wären auch die anderen am Zuge und würden sich vermutlich in die Nesseln setzen.

Analysten sagen, dass die Parteiführer davon ausgehen, die Offenlegung ihrer Vermögen könnte den Hass der Bevölkerung auf Politiker der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) weiter schüren.

Die Publikation in der New York Times hat Hu und Wen in eine Position gebracht, von der sie nicht zurückkönnen. Sollten Hu und Wen nach dem New-York-Times-Artikel nicht Rede und Antwort stehen, dann könnten sich andere Parteiführer hinter Zhou Yongkang stellen, der sich ansonsten erfolgreich ins Aus manövriert hätte, sagen Analysten. Hu und Wen müssten nun eigentlich Zhou und Jiangs Fraktion überwältigen, um nicht selbst bestraft zu werden.

Lesen Sie weiter: Der Gegenangriff

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Der Gegenangriff

Eine knapp zwei Sätze lange Anmerkung in Xinhua am 26. Oktober – die Aussage wurde noch am selben Tag, nachdem der New-York-Times-Artikel erschienen war, herausgegeben – signalisierte einen Gegenangriff von Hu Jintao und Wen Jiabao. Die Aussage lautete: „Die Oberste Volksstaatsanwaltschaft hat beschlossen, Bo Xilai einer Überprüfung zu unterziehen wegen mutmaßlicher strafrechtlicher Verstöße. Außerdem werden gegen ihn, in Übereinstimmung mit dem Gesetz, zwingende Maßnahmen eingeleitet.“

Am 26. Oktober berichtete Xinhua auch erstmals vom Weggang von Zhang Jun, Vizepräsident des Obersten Volksgerichts. Im vergangenen Jahr hatte Zhang Jun die maoistischen Kampagnen „Schlag die Schwarzen“ und „Singe Rot“ von Bo Xilai in Chongqing unterstützt.

Die Kampagne „Schlag die Schwarzen“ richtete sich angeblich gegen Verbrecher und die Kampagne „Singe Rot“ bezog sich auf das Singen maoistischer Lieder und weiterer Huldigungen gegenüber der Partei. Es ging dabei um ein Chongqinger Modell, das Bo Xilai für einen zukünftigen Weg der KPCh etablieren wollte.

Die Einschaltung der Obersten Volksstaatsanwaltschaft im Falle Bo zeigt, dass dieser Fall an Wichtigkeit enorm zunimmt. Wie Apple Daily aus Hongkong schrieb: würde der Fall Bo von der Obersten Staatsanwaltschaft behandelt, käme er auch vor das Oberste Volksgericht. Das wäre die höchste Ebene für einen Parteifunktionär, seit die Viererbande sich 1980 vor einem besonderen Parteigericht zu verantworten hatte. Ob Jiang Zemin, Zhou Yongkang und Zeng Qinghong angeklagt werden, ist zurzeit noch ungewiss.

Medien und Militär

Nachdem Hu Jintao der Strafsache Bo Xilai mehr Gewicht verliehen hat, unternimmt er nun weitere Anstrengungen, die seine Position stärken sollen. Hu hat einen seiner eigenen Leute als Chefredakteur bei der Parteizeitung People’s Daily eingesetzt. Am 1. November erwähnte China Zentral TV, dass Wu Hengquan, der frühere Chefredakteur, zum Vizedirektor der Propagandaabteilung berufen worden sei.

Laut der japanischen Zeitung Sankei Shimbun vom 1. November soll Jiang Zemins Büro im Gebäude der Zentralen Militärkommission erst kürzlich geschlossen worden sein.  Seit Jiang 2004 von der Militärkommission zurückgetreten war, hatte er in dem Gebäude immer noch ein sehr komfortables Büro mit Privatsekretären.

Außer der Schließung von Jiangs Büro veranlasste Hu Jintao eine Serie von Aufrufen in Militärpublikationen und verlangte Loyalität zur Parteizentrale und zu ihm persönlich.

Ein Artikel vom 1. November in der People’s Liberation Army Daily, dem wichtigsten Medienorgan des Militärs, trug den Titel: „Stärkung des Geistes und der Ideologie auf einer neue Ebene.“ Der Untertitel lautete: „Die wichtige Rede des Vorsitzenden Hu vom 23. Juli soll tief studiert und implementiert werden.“ Ein Satz darin lautete: „Feindliche Kräfte inner- und außerhalb Chinas beginnen sich zu rühren“, und „über wichtige große Fragen muss eine klare Meinung gebildet werden und die Haltung muss standhaft sein.“

Am Ende hieß es: „Ideologisch, politisch und operativ muss sich eng an der Parteizentrale und der Zentralen Militärkommission orientiert werden. Die Order der Parteizentrale, der Zentralen Militärkommission und des Vorsitzenden Hu müssen befolgt werden.“

Mit Recherchen von Jane Lin

Artikel auf Englisch: Attack on Wen Jiabao Imperils Jiang Zemin Faction

 

 



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