Bundeskanzlerin Merkel reist nach China – Wirtschaft mit Menschenrechten

Titelbild
Eine Praktizierende von Falun Gong bedeckt symbolisch ihren Mund bei einer Demonstration für die Beendigung der Verfolgung von Falun Gong in China. Aufgenommen in AustralienFoto: GREG WOOD/AFP/GettyImages
Von 4. Juli 2014

Die Reise von Bundeskanzlerin Merkel nach China ruft alle, die sich mit dem Zustand der dortigen Zivilgesellschaft auskennen, auf den Plan. Von Amnesty International über Reporter ohne Grenzen bis zur Gesellschaft für bedrohte Völker und dem Falun Dafa Verein, erheben sie ihre Stimmen öffentlich.

Das gibt Rückenwind für die Politik, ebenso wie die Resolution des Europäischen Parlaments vom 12. Dezember 2013 eine Aufforderung an Verantwortliche zum Handeln mit einschließt (siehe weiter unten). Man stelle sich vor, wenn nicht einmal bei uns die Informationen und Stellungnahmen zum Thema Menschenrechte ausgetauscht würden. Wir fassen deshalb in Auszügen zusammen, was der Bundeskanzlerin und den Delegationen aus den Ministerien und Unternehmen mitgegeben werden soll.

Amnesty International: Menschenrechtsdialog darf nicht zum Feigenblatt verkommen

So fordert die  Amnesty Generalsekretärin Çalışkan:  Menschenrechtsdialog darf nicht zum Feigenblatt verkommen! Und sie sagt unter anderem: „Bei ihrem ersten Chinabesuch seit 2012 erwarten wir von der Kanzlerin, dass sie Menschenrechtsfragen in Gesprächen mit der neuen chinesischen Führung offen anspricht und nicht nur hinter geschlossenen Türen diskutiert. Unter Präsident Xi beobachtet Amnesty bisher ein sehr repressives Vorgehen gegen kritische Anwälte und Anwältinnen, Journalistinnen und Journalisten, und Menschenrechtsaktivisten und -aktivistinnen. Bisher hat der Menschenrechtsdialog, der seit Jahren stattfindet, keine greifbaren Ergebnisse erzielt. Die Bundeskanzlerin muss sich dafür einsetzen, dass der Dialog endlich konkrete Verbesserungen erreicht und nicht zum Feigenblatt verkommt.“

Reporter ohne Grenzen: 30 Journalisten und 70 Blogger in China hinter Gittern

Die Organisation der Reporter ohne Grenzen, die weltweit tätig ist, schreibt in einer Pressemitteilung:  Bundeskanzlerin Merkel wird bei ihrer viertägigen Reise auch Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang treffen. Dabei wird sie von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, zu der unter anderem die Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser (Siemens), Martin Winterkorn (VW), Thomas Enders (Airbus), Jürgen Fitschen (Deutsche Bank) und Carsten Spohr (Lufthansa) gehören. 

In China sitzen derzeit rund 30 Journalisten und 70 Blogger hinter Gittern, so viele, wie in keinem anderen Land der Welt. Es folgt in der Pressemitteilung eine Aufzählung von Einzelfällen, wir zitieren einen davon.

Der prominente Blogger und Bürgerrechtler Xu Zhiyong ist bereits seit vergangenem Jahr hinter Gittern. Im Januar dieses Jahres wurde er wegen „Störung der öffentlichen Ordnung“ zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.  Xu Zhiyong und seine schätzungsweise mehrere Tausend Mitstreiter mahnten wiederholt soziale Reformen an. Zur Bekämpfung der Korruption hatten sie im vergangenen Jahr bei Protestaktionen gefordert, Chinas staatliche Funktionäre sollten ihre Vermögensverhältnisse offenlegen (http://bit.ly/1xkPnYe).

Die mehr als 300.000 chinesischen Redakteure und Reporter sind seit vergangenem Jahr zum Besuch von Schulungen in marxistischer Ideologie verpflichtet. Facebook, YouTube und Twitter sind seit 2009 blockiert. Schon im September vergangenen Jahres erschwerten die Behörden die Aktivitäten beim chinesischen Twitterklon Weibo. Seither können Nutzer mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, wenn sie bei Weibo sogenannte Gerüchte verbreiten und diese mindestens 500 Mal weitergeleitet werden. Was unter einem Gerücht zu verstehen ist, haben die Behörden jedoch nicht klar definiert.

Gesellschaft für bedrohte Völker: Gewissenlose Parteikader gehören nicht in das Deutsch-Chinesische Dialogforum

„Menschenrechte sind kein Luxusgut, sondern notwendig, damit die Wirtschaft auch langfristig unter stabilen Bedingungen produzieren kann“, erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. „Anhaltende massive Proteste in Tibet gegen Gold-, Kupfer- und Marmor-Bergbau und die Eskalation der Gewalt in der rohstoffreichen Region Xinjiang / Ostturkestan zeigen, wie heikel für Chinas Wirtschaft die Versorgung mit billigen Rohstoffen aus dem eigenen Land ist.“ Deutschland sei an einer gut funktionierenden Wirtschaft in China interessiert. „Die Bundeskanzlerin ist daher gut beraten, Fragen der Menschenrechte nicht als vermeintliches Luxusproblem auszugliedern, sondern an hochrangiger Stelle in China zu erörtern.“

Kritik übte die GfbV auch am in Chengdu am 6. Juli geplanten Deutsch-Chinesischen Dialogforum des zivilgesellschaftlichen Beratergremiums beider Regierungen. „Die chinesischen Delegierten vertreten nicht glaubwürdig die sehr lebendige Zivilgesellschaft, sondern sind amtierende oder ehemalige Parteikader oder Wirtschaftsführer“, erklärte Delius. „Es ist ein Hohn, dass der Co-Vorsitzende dieses Gremiums der frühere Bürgermeister Shanghais (1995-2001) Xu Kuangdi ist. Unter ihm wurden mehrere tausend Bittsteller und Verlierer des Immobilienbooms inhaftiert und in Geheimgefängnisse gebracht sowie hunderte Falun Gong-Anhänger in Arbeitslager eingesperrt.“

Der Shanghaier Universitätsdozent und Falun Gong-Anhänger Li Bafian wurde von der Polizei Ende April 2001 von einem Hochhaus in den Tod gestürzt, weil er sich weigerte mit den Sicherheitsbehörden zu kooperieren. „Gewissenlose Parteikader wie Xu Kuangdi gehören vor den Internationalen Strafgerichtshof und nicht in das Deutsch-Chinesische Dialogforum“, meinte Delius.

Der Falun Dafa Verein: Eine Bitte von Herzen an die Bundeskanzlerin

Der Falun Dafa Verein, der die Falun Gong-Praktizierenden in Deutschland vertritt, weist erneut auf die Verfolgung in China hin. „Wir bitten die Bundeskanzlerin von Herzen, ihre chinesischen Gesprächspartner zur sofortigen Beendigung der Verfolgung von Falun Gong in China aufzufordern. Falun Gong ist eine spirituelle Meditationspraxis, die mit den Grundprinzipien Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht seit Beginn ihrer Verbreitung in 1992 große Beliebtheit im chinesischen Volk erwarb“, sagte der Vorsitzende ManYan Ng der Epoch Times. Seit Jahren gibt es in Deutschland immer wieder Informationsveranstaltungen und Unterschriftensammlungen gegen den Organraub an lebenden Menschen in China, zumeist an Falun Gong-Praktizierenden in Arbeitslagern.

Das Europäische Parlament: Resolution gegen Organraub fordert zum Handeln auf 

In einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. Dezember 2013 heißt es zu den Organentnahmen an Lebenden in China von Punkt 3 bis 5:

„Das Europäische Parlament fordert

3. die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, sich des Themas der Organentnahmen in China anzunehmen; empfiehlt der EU und ihren Mitgliedstaaten, den Missbrauch bei Organtransplantationen in China öffentlich zu verurteilen und ihre Bürger, die nach China reisen, für dieses Thema zu sensibilisieren; fordert eine umfassende und transparente Untersuchung der Praktiken auf dem Gebiet der Organtransplantation in China durch die EU sowie die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, denen eine Beteiligung an solchen ethisch nicht vertretbaren Praktiken zur Last gelegt wird;

4. die Regierung der Volksrepublik China auf, die Anfragen des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung und des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über Religions- und Weltanschauungsfreiheit zur Herkunft der zusätzlichen Organe im Zusammenhang mit der Zunahme von Organtransplantationen eingehend zu beantworten und den Sonderberichterstattern zu erlauben, eine Untersuchung über die Praktiken der Organtransplantation in China durchzuführen;

5. die unverzügliche Freilassung aller gewaltlosen politischen Gefangenen in China, einschließlich der Anhänger der Falun-Gong-Bewegung;

Dem ist nichts hinzuzufügen außer: „Niemand kann mehr sagen, ich habe nichts gewusst.“  



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