Beimischung von Melamin als Eiweißersatz in China gängige Methode

Betrügen für einen kleinen Vorteil
Titelbild
Mit Melamin versetzte Milch der Firma Sanlu Group Co. werden aus den Regalen genommen. (AP Photo/Ng Han Guan)
Von 23. September 2008

Die Chinesen haben schon jahrelang Melamin gegessen“, schreibt der stellvertretende Direktor der  Behörde für Gesundheitswesen der Provinz Guangdong in einem Brief, der im chinesischen Internet kursiert. Hunderte Millionen von Chinesen hätten, ohne es zu wissen, bereits seit mehreren Jahren Fleisch von Schweinen, Rindern und Hühnern gegessen, die mit Melamin-Zusätzen gefüttert worden waren. Ebenso hätten sie mit Melamin verseuchtes Milchpulver für Erwachsene getrunken.

Liao Xinbo hat den Posten des Vize-Direktors laut offizieller Webseite der Gesundheitsbehörde seit 2004 inne. Zuvor war er 22 Jahre lang als Arzt tätig. Liao soll zu jenen Beamten zählen, die gerne die Grenzen des kommunistischen Machtaparates austesten. Die Chinesen haben sogar einen Ausdruck dafür, „da cabianqiu“, „den Randball schlagen“, sich in der Grauzone bewegen. Während der schweren Erdbeben in Sichuan soll er selbst  die Ärmel hochgekrempelt und den Opfern geholfen haben. Seit dem 14. September, als sich der Skandal um das vergiftete Milchpulver der Firma Sanlu nicht mehr länger vertuschen lies, werden die Internetblogs zum Thema nicht mehr gelöscht und Liaos Brief machte die Runde.

Im Jahre 2007 war die Praxis, Melamin als „Proteinkonzentrat“ zu benutzen, das erste Mal aufgeflogen. Das Unternehmen „Jiansu Xuzhou – Gesellschaft für Biotechnologieentwicklung“ hatte große Mengen seines neuen Tierfutters mit Reisprotein in die USA exportiert, worauf dort an die 4.000 Hunde und Katzen verendeten. Das Unternehmen hatte unverhohlen mit der „weltweit fortschrittlichsten Methode zur Erhöhung des Proteinanteils“ im Futter geworben.

Die Amerikaner hätten zuerst gar nicht verstanden, warum überhaupt Melamin in Tierfutter eingemischt wurde, schreibt Liao im Brief. „Sie dachten, dass das Futter von Mäusegift verschmutzt wurde. Später konnten die erfahrenen Chinesen nicht mehr ihren Mund halten und haben den Amerikanern das Geheimnis verraten.“

In China selber waren Rinder und Schweine gestorben, die man mit melaminhaltigem Futter gefüttert hatte. Daraufhin hatte das dortige Agrarministerium ein Gesetz erlassen, das den Zusatz von Melamin im Tierfutter verbietet. Das Paradoxe daran, Biotechnologieunternehmen werben weiterhin auf chinesischen Webseiten für Futtermittel mit „Proteinkonzentrat“. Gemeint ist nichts Anderes als die Chemikalie Melamin. Der Stoff findet seinen Einsatz eigentlich in der Kunststoffindustrie.

Am 19. September soll das zentrale Gesundheitsministerium eine interne Videokonferenz für ausgewählte Personen der großen Krankenhäuser in ganz China abgehalten haben, wie das chinesische Nachrichtenportal Boxun.com berichtete. Die zweite ihrer Art nach dem Skandal um Sanlu. Auch hier wieder die Bestätigung: die Beimischung von Melamin in Milchpulver sei gängige Praxis. Man würde damit den „Proteingehalt“, die Emulsionsstärke und den Geschmack regulieren. Auf Fotos war sogar die Lagerung des Melamins bei verschiedenen Herstellern zu sehen. Die ganze Geschichte flog auf, weil der Zulieferer für die Firma Sanlu dem Milchpulver bereits Melamin zugesetzt hatte und dieses beim Verarbeitungsprozess ein zweites Mal eingemischt wurde. Erst diese Überdosis hatte zu akuten Krankheitsfällen der mittlerweile 53.000 betroffenen Kleinkinder und dem Tod von mindestens fünf Babys geführt.

Der Vize-Direktor der Guangdonger Gesundheitsbehörde erläutert in seinem Brief die Motivation, die hinter den Panschereien mit Melamin steht. „Es gab eine Kalkulation“, schreibt er. „Um den Proteinanteil um ein Prozent zu erhöhen, wären die Kosten bei richtigem Eiweiß fünffach so hoch wie bei Melamin.“ Durch dessen niedrige Herstellungskosten entstünden enorme wirtschaftliche Vorteile. „Melamin ist ein weißes Pulver. Es hat keinen Geruch und keinen Geschmack. Wenn es in die Lebensmittel eingemischt wird, ist es schwer wieder zu entdecken.“

Vor allem dann nicht, wenn man nicht gezielt danach sucht. Auch in Deutschland würde man den Stoff Melamin, sollte ein Bauer auf die Idee kommen, seine Milch damit strecken zu wollen, nicht finden. Sowohl bei der Milchleistungsprüfung (MLP), die regelmäßig auf den Höfen stattfindet, als auch bei der Güteprüfung des Milchprüfrings werden lediglich Reineiweiß und Gesamteiweiß gemessen. Eine gezielte Suche nach der Chemikalie Melamin gehört zu keiner Standarduntersuchung. Die Lebensmittelüberwachung würde nur tätig werden, wenn ein Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel verunreinigt sein könnte.

Die Firma Sanlu ist kein unbeschriebenes Blatt in China. Bereits vor vier Jahren starben 12 Kinder und Hunderte bekamen einen Wasserkopf infolge gepanschter Milch. Es folgten Untersuchungen, und 40 Unternehmen kamen auf eine „schwarze Liste“. Sanlu beschwerte sich, die Testergebnisse würden nicht stimmen, und schaffte es – wohl nach Bestechung von KP-Beamten mehrerer Ebenen – wieder von der Liste gestrichen und keinen weiteren Kontrollen ausgesetzt zu werden. Dass chinesische Markenfirmen oft von Kontrollen befreit werden, während Importe aus dem Ausland streng kontrolliert werden, ist gängige Praxis in China. Man will damit den innerchinesischen Markt beleben.

Nach dem neuerlichen Skandal soll das nun nicht mehr so einfach sein. Das so genannte „Kontrollbefreiungssystem“ wurde just nachdem der Sanlu-Skandal an die Öffentlichkeit ging vom Qualitätskontrollamt der chinesischen Regierung in Peking aufgehoben. Diesmal wären die Behörden „so hart“, heißt es bei den Milchproduzenten: „Die Beamten kommen jetzt schon unangemeldet zur Kontrolle. Früher haben sie uns doch vorher Bescheid gegeben.“



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