Aufregung in China um den vermeintlichen Tod von Jiang Zemin
Kaum zu glauben, dass der Tod eines älteren abgehalfterten Staatmannes in westlichen Demokratien einen solchen Wirbel auslösen könnte, wie die seit Mittwoch in China und in der internationalen Presse kursierenden Gerüchte über den vermeintlichen Tod von Jiang Zemin.
Ob der 84-Jährige krank oder schon tot ist, beschäftigte Beobachter der politischen Szenerie schon seit den Feierlichkeiten zum 90. Jahrestag der Gründung der KP Chinas am 1. Juli, zu denen Jiang nicht erschienen war. Am Mittwoch jedoch schlug wie eine Bombe die mehrfach wiederholte Meldung von seinem Ableben durch den Fernsehsender ATV aus Hongkong ein.
Am Donnerstag folgte ein Dementi durch die offizielle regierungsamtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Sie bestand nur aus einem Satz, dass an den Gerüchten nichts dran wäre. ATV löschte schließlich seine Meldung und die Internetblogger im Festland China kämpften mit allerlei Tricks gegen die Zensur, die sofort eingesetzt hatte, denn der Gesundheitszustand oder gar der Tod hochrangiger Parteimitglieder gilt als Staatsgeheimnis.
Die Internetkontrolle auf den großen Kommunikationsplattformen wie Weibo oder Baidu führte zeitweise zu der Löschung aller Namen, die mit Jiang korrelierten. Da Jiang aber auch Fluss heißt, verschwand sogar die Erwähnung von Flüssen aus dem Netz. Das machte auch nicht vor dem Jangtse-Fluss halt, der auf Chinesisch „Chang Jiang“, „Langer Fluss“, heißt.
Was könnte sich nach Jiangs Tod ändern?
Warum aber diese Aufregung um einen Mann, der 2003 sein Amt als Staatschef aufgegeben hat, im Jahr zuvor schon das des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei Chinas und 2004 auch die wichtigste Machtposition als Chef der Militärkommission geräumt hat?
Epoch Times befragte den in Paris lebenden chinesischen Journalisten Wu Baozhang, der als exzellenter Beobachter der chinesischen Politik gilt.
Epoch Times: Herr Wu, was könnte sich nach Jiangs Tod ändern?
Wu Baozhang: Auf jeden Fall ändert sich das Machtgefüge, zunächst werden hinter den Kulissen die Karten neu gemischt. Es ist durchaus möglich, dass Jiang tatsächlich schon tot ist, aber noch künstlich beatmet wird, bis die neuen Arrangements sich etablieren. Ein Mann, der so machtbesessen war wie Jiang, hat seine Netze überall gesponnen und es ist in der KP Chinas so üblich, dass bestimmte Ereignisse oder Kampagnen mit den jeweiligen Machthabern verbunden bleiben. So der (misslungene) ‚Große Sprung nach Vorn’ und die Kulturrevolution mit Mao, die Öffnung der Märkte, aber auch der Schießbefehl auf dem Tiananmen-Platz mit Deng Xiaoping und die Öffnung der Partei für Unternehmer und die Verfolgung von Falun Gong mit Jiang Zemin.
Epoch Times: Aber warum dauert die Verfolgung von Falun Gong bis heute an?
Wu: Nachfolger an der Macht überlegen sich sehr genau, zu welchen Themen sie sich bei einem Machtwechsel äußern. Staatspräsident Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao haben sich nie öffentlich zu Falun Gong geäußert, mit keinem Wort. Damit blieb es eine Angelegenheit von Jiang Zemin, der sie 1999 in Gang gesetzt hat. Und damit blieb es ein Tabu im Land.
Epoch Times: Das heißt, trotz Übernahme der Regierungsverantwortung übernimmt man nicht die volle Verantwortung für das, was im Land geschieht?
Wu: So ist es, das hat vermutlich seine Wurzeln in den dynastischen Gedanken der Kaiserreiche. Der Kaiser hatte immer die volle Verantwortung für seine Anordnungen und die blieb bei ihm bis zu seinem Tod, nur dass nach Mao – auf Beschluss der Parteigremien – ein äußerlicher Machtwechsel schon zu Lebzeiten der ‚Partei-Kaiser’ stattfindet. Aber bestimmte Aktionen lässt man eben bei ihnen.
Epoch Times: Warum trifft das auf Falun Gong zu?
Wu: Die Verfolgung und von Jiang sogar gewünschte, aber nie erreichte, ‚Auslöschung’ der spirituellen Bewegung Falun Gong war im Politbüro und in seinem Ständigen Komitee, dem obersten Parteigremium, nie unumstritten. Falun Gong war eine Bewegung, die von der KP jahrelang anerkannt war wegen ihrer guten Auswirkung auf die Gesundheit und die Moral. Falun Gong zu üben kostete ja auch nichts, es war bei Mitgliedern der Partei und des Politbüros und ihren Familienangehörigen bekannt und beliebt. Man will aber einfach diese Sache nicht berühren, Jiangs Machtgefüge scheint immer noch zumindest teilweise zu funktionieren.
Epoch Times: Was hatte Jiang Zemin bewogen, diese Verfolgung zu inszenieren?
Wu: Neben der Kommunistischen Partei durfte es nie eine Bewegung geben, die die Massen erreicht. Obwohl Falun Gong keine politischen Ziele hat, geriet es einfach durch die nach Millionen zählende Anhängerschaft in die Mühlen der Politik und weckte Jiangs Angst um die Macht. Es gibt aber bis heute nicht einmal eine nachweisbare schriftliche Anordnung Jiang Zemins zur Verfolgung von Falun Gong.
Epoch Times: Gibt es eine Chance, dass nach Jiangs Tod – wann immer das ist – eine Änderung in dieser Hinsicht eintritt?
Wu: Ja, die gibt es, weil Falun Gong so bekannt war und so weit verbreitet, es war eine gesellschaftliche Realität und ist jetzt erst recht eine nicht zu leugnende Kraft in China. Man hält in weiten Kreisen Falun Gong für vertrauenswürdig wegen seiner gewaltfreien inneren und äußeren Haltung in all den Jahren. Der blinde Glaube an die Kommunistische Partei ist in China jedenfalls total erloschen.
Epoch Times: Haben Sie persönlich Falun Gong schon vor der Verfolgung gekannt?
Wu: Ja, ich war dabei, als 1995 der Lehrer von Falun Gong, Li Hongzhi, auf offizielle Einladung des Botschafters in der chinesischen Botschaft in Paris einen Vortrag über Falun Gong gehalten hat. Anschließend gab der Botschafter, dessen Frau eine Falun Gong-Praktizierende war – ein festliches Dinner für den Meister Li Hongzhi.
Wu Baozhang hat bis zum 4. Juni 1989 – dem Tag des Tiananmen-Massakers – als Korrespondent der Xinhua-Agentur in Paris gearbeitet und an diesem Tag seine Mitarbeit spontan beendet. Er wurde danach Leiter der China-Redaktion bei Radio France International und übte dieses Amt 13 Jahre lang in Paris aus. Er gilt als exzellenter Kenner der chinesischen Politik.
Falun Gong wurde 1992 in China durch Li Hongzhi mit einer anleitenden Lehre und fünf körperlichen Übungen an die Öffentlichkeit gebracht. Es verbreitete sich mit den Jahren als eine die Gesundheit und das geistige Wohlbefinden fördernde – im Chinesischen so genannte – Kultivierungsschule. Die Lehre hat buddhistische und daoistische Inhalte und ist weltweit verbreitet.
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