Vor „4. Juni“: So bizarr ist Chinas Krieg gegen den Terror

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Der 25. Jahrestag des Tiananmen-Massakers am 4. Juni wirft in Peking seine Schatten voraus: Bizarre Sicherheitsvorkehrungen und Polizei an allen Ecken.Foto: Kevin Frayer / Getty Images
Von und 30. Mai 2014

Der 25. Jahrestag des Tiananmen-Massakers wirft seine Schatten voraus: Am 4. Juni 1989 überrollten Panzer die Studentenproteste auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking. Heute, ein Vierteljahrhundert später, haben Chinas kommunistische Führer kein bißchen weniger Angst vor ihrem Volk. Peking steht unter Sicherheitsstufe 1. Man bereitet sich mit „Anti-Terror-Manövern“ vor und erlässt bizarre Regelungen: Der Kauf eines Feuerzeugs zum Beispiel ist nur noch mit Ausweis möglich.

Regime lässt die Muskeln spielen

Chinesische Staatsmedien berichteten ausführlich über den Umfang eines „Anti-Terror-Manövers“, das am 29. Mai in Peking stattfand: Über 2800 Teilnehmer waren dabei, darunter Polizei, bewaffnete Polizei, Sondereinsatzkommandos, Zivilpolizei und Feuerwehr. Die Ausrüstung: Über 90 Polizeifahrzeuge, riesige Löschkanonen und sogar kleinere Drohnen.

Es war das größte „Anti-Terror-Manöver“, das Peking je gesehen hatte. Und natürlich war der 25. Jahrestag des „4. Juni“ die Motivation dahinter.

Bis zur Wiederkehr des schicksalhaften Datums werden noch mehrere Maßnahmen zum Einsatz kommen. Zum Beispiel 850.000 Aufpasser, die auf Pekings Straßen patroullieren sollen – Polizei, Bezirksbeamte und angeheuerte Sicherheitsdienste.

Die Pekinger Polizei ist dabei, die Sicherheitsstufe 1 umzusetzen, die verschärfte Kontrollen von Personen und Gegenständen in der U-Bahn vorsieht. Die Polizisten haben doppelt so viel Munition wie sonst üblich in den Pistolen und dürfen „notfalls“ auch ohne vorherigen Warnschuss direkt auf Personen schießen.

[–Streichhölzer gibt´s nur noch mit Ausweis–]

Seit den Bombenanschlägen in Xinjiang vor wenigen Wochen ist in China viel passiert – „Anti-Terror“-Maßnahmen an jeder Ecke. In der Provinz Liaoning startet die Polizei zum 1. Juni (also wieder rechtzeitig vor dem Jahrestag) ein „Anti-Terror-Projekt“ mit 5 Schwerpunkten:

  1. "Personen strenger überwachen;

  2. Gegenstände strenger verwalten;

  3. Wichtige Orte strenger bewachen;

  4. Flächendeckend stärker vorsorgen;

  5. Insgesamt Kontrollen verschärfen."

Was das im Detail bedeutet, erklärte die „Morgenpost des chinesischen Handels“ ihren Lesen am 29. Mai: Der Punkt zwei, „Gegenstände strenger verwalten“ bedeutet, dass man alles, was zum Bau einer Bombe verwendet werden könnte, nur noch namentlich registriert einkaufen kann: Streichhölzer, Feuerzeuge, Gasflaschen, in Flaschen abgepacktes Benzin, Böller und Feuerwerk.

Einkaufen mit Realnamen gehört in China schon zum Alltag. Verschiedene Städte reglementieren verschiedene Dinge. Benzin in Flaschen gibt es seit Mai 2014 zum Beispiel in Peking, Guizhou und der Provinz Guandong nur noch gegen Ausweis und in begrenzten Mengen.

Im September 2013 wurde ministeriell festgelegt, dass Handy- und Festnetzanschlüsse nur noch namentlich registriert zu haben sind.

Seit dem Anschlag auf das Provinzregierungsgebäude der Hauptstadt Taiyuan in Shanxi (November 2013) kann man Fernbustickets von dort nach Peking nur noch unter Realnamen erwerben und hat strengstes Verbot, während der 500 Kilometer langen Fahrt aus dem Bus auszusteigen.

Chinas Gesellschaft befindet sich also in einer angespannten Lage. Und eigentlich hat das Regime die „Unruhe“, die es verzweifelt zu „stabilisieren“ versucht, selbst verursacht. Der Polit-Kommentator Chen Pokong aus den USA sagte es so: „Es ist, als ob die Regierung mit der rechten Hand selbst Unruhe stiftet und mit der linken Hand die Stabilisierung der selbigen betreibt. So läuft es in Xinjiang, Tibet und anderen Provinzen.“

[–Schon friedliche Demos gelten als „Unruhen“–]

Gewalt und Randale müssen überhaupt nicht im Spiel sein:

In China gilt schon jede friedliche Form des Protests, jede eine einfache Demonstration, als Unruhe. Meist erheben Bürger gegenüber Behörden oder Unternehmen ihre Stimme, es geht um Entrechtung oder Zwangsenteignungen. Wenn diese Proteste dann von der Polizei niedergeschlagen werden, ist die soziale Unruhe komplett.

Seit 2010 kommt es in China jährlich zu über 180.000 solcher Unruhefälle, Tendenz steigend. Internetnutzer fanden bei Recherchen heraus, dass allein am 1. Januar 2014 mindestens 57 „Unruhen“ in ganz China stattfanden. Am Ende der ersten Jahreswoche waren schon über 450 Fälle bekannt. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen.

Zusammenbruch 2014? – „Es passiert gerade …“

Anfang 2013 kam in Hongkong ein Buch heraus, das reißenden Absatz fand. Bevorzugt chinesische Funktionäre und Beamte kauften sich den Roman, der auf Prognosen basierend, halb fiktiv, die politische Zukunft Chinas beschrieb. „Zusammenbruch 2014“ war der Titel. Detailliert wurde ein Crash der chinesischen Gesellschaft beschrieben: Wirtschaftlicher Zusammenbruch, Unternehmenspleiten, menschenleere Monsterstädte, Ausbreitung von Raub und Diebstahl – und auf den Straßen ein Gefühl, als könnte jederzeit die Revolution ausbrechen.

„Unsere Realität stimmt immer mehr mit den beschriebenen Szenarien überein“, finden viele chinesische Internetnutzer. „Es passiert gerade …“



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