Macht, Sex und veruntreute Milliarden: Jetzt droht Zhou Yongkang die Todesstrafe
Sensation um Mitternacht: Heute um null Uhr chinesischer Zeit gab die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua Neues zum Schicksal von Chinas Öl-Paten und Ex-Stasichef Zhou Yongkang bekannt: Wegen einer ganzen Liste von Verbrechen wird der 71-jährige Top-Funktionär aus der Kommunistischen Partei Chinas ausgestoßen. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde abgeschlossen und an die Höchste Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Damit ist sicher: Erstmals seit 1978 wird in China einem ehemaligen Mitglied des “Ständigen Ausschusses des Politbüros” der Prozess gemacht – erstmals wird ein Mann aus dem innersten Zirkel der Macht zu Fall gebracht.
Offiziell verhaftet
Die Staatsanwaltschaft gab nur eine Stunde später die Verhaftung Zhous offiziell bekannt. (Inoffiziell war er schon vor genau einem Jahr verhaftet worden und mit ihm fiel ein Netzwerk von 300 Personen. Ganz China hatte gespannt darauf gewartet, wie es mit ihm weitergehen würde.)
In der Ankündigung von Xinhua stand nicht nur die übliche Phrase “Zhou habe die politische Disziplin der Partei schwer verletzt” – die Liste seiner Verfehlungen wurde äußert hart formuliert, um ihn unmissverständlich als Top-Verbrecher darzustellen. Wahrscheinlich wird Zhou zum Tode verurteilt– denn bereits auf einzelne der genannten Verbrechen steht in China die Todestrafe (und ein Prozess in höchster Instanz kam nicht mal bei Bo Xilai und Top-Militär Xu Caihou vor)!
(Analyse unter: “Chinas Ex-Stasi-Chef droht die Todesstrafe”)
Das hat Zhou laut Xinhua verbrochen:
Zhou habe “astronomische Geldsummen” mit Hilfe seiner Familie und anderer Personen zur Anhäufung von illegalem Vermögen veruntreut; er habe seine Macht missbraucht um Verwandten, Konkubinen und Freunden “riesige Vorteile” zu verschaffen und damit dem Staatsvermögen enormen Schaden zugefügt; er habe einer “sauberen Regierungsarbeit” und der “Selbstdisziplin” schwer geschadet; er habe selbst und durch Familienangehörige riesige Bestechungsgelder entgegengenommen; er habe außerdem Beziehungen mit mehreren Frauen gehabt und diese für Sex mit Machtpositionen und Geld belohnt.
All diese “Aktivitäten” hätten “dem Ruf der Partei geschadet und einen extrem schlechten Einfluss auf das Wohl der Partei und des Volkes gehabt.” Der Clou war jedoch: Man wirft Zhou noch den “Verrat von Staats- und Parteigeheimnissen” vor. Welche Geheimnisse das sein sollten und an wen sie verraten wurden, stand allerdings nicht in der Meldung.
Was Zhou verraten haben könnte
Anfang dieses Jahres jedoch hatte der erst kürzlich aus dem Gefängnis entlassene chinesische Journalist Gao Yu einen interessanten Hinweis gegeben: Zhou habe mutmaßlich Informationen über das Vermögen der Familie Xi Jinpings zu US-Medien durchsickernlassen (denn auch der Clan von Chinas vorgeblich in Armut aufgewachsenem Staatschef besitzt heute Milliarden). Dies sei in der Zeit vor Xis Amtsantritt passiert. Bloomberg und der Journalist Michael Forsythe, der damals die Story schrieb, streiten dies jedoch ab.
(Siehe auch: Offshore-Leaks China: Gezielte Enthüllung im KP-Machtkampf?)
Trotzdem besteht kein Zweifel, dass Zhou als Top-Sicherheitsbeamter der Partei auch die geheimsten Geheimnisse der Partei und ihres Apparates gekannt hat. Gao Yu schrieb dazu: “Ein Bruch mit Zhou Yongkang, der alle Geheiminformationen in der Hand hielt ist etwas sehr Folgenschweres. Damit Xi Jinping Zhous ausgefuchstes Netzwerk unschädlich machen kann, muss er mit der gleichen Entschlossenheit vorgehen, wie sie beim Sturz der Viererbande zur Anwedung kam.” (Die Viererbande war eine politische Fraktion, die für die Kulturrevolution verantwortlich gemacht wurde.)
Gao sagte weiter: “Der Tag, an dem Xi erfolgreich Zhou entmachtet, wäre für ihn der Tag, an dem er tatsächlich die Partei unter Kontrolle bekommen und seine Macht konsolidiert hätte.”
Das ging schnell!
Besonders interessant am Fall Zhou Yonkangs finden chinesische Beobachter, dass die Ankündigung des Gerichtsverfahrens nur 4 Monate nach der Ankündigung des Untersuchungsverfahrens gegen Zhou kam. Man rechnet damit, dass Xi Jinping mit seinem politischen Feind kurzen Prozess machen wird und ihn möglichst schnell loswerden will – womöglich sogar durch ein Todesurteil. Die Untersuchung gegen Zhou war am 29. Juli offiziell verkündet worden, obwohl schon vorher Insider über die milliardenschweren Sach- und Geldwerte berichteten, welche Familie Zhou aus dem Öl-Konzern China National Petroleum gepumpt hätte – Vermögen, das kaum zu beziffern sei.
Siehe auch:“Öl-Goldmeister von Zhou Yongkang veruntreute 10 Milliarden Dollar”
Dem vorangegangen waren zwei Jahre lange Spekulationen, dass es Zhou an den Kragen gehen würde, wegen seiner Involviertheit in den Putschversuch Bo Xilais, der im Frühling 2012 stattgefunden haben soll.
Von dem versuchten Putsch, mit dem die Regierungsübernahme Xi Jinpings vereitelt werden sollte, war in der Xinhua-Meldung nichts direkt zu lesen – doch vielleicht steckt ja hierin eine Anspielung?
“Verwicklung in Verbrechen anderer Funktionäre”
“Verwicklung in die Verbrechen anderer hoher Funktionäre” wirft man Zhou nämlich auch vor. Damit könnte der versuchte Putsch, aber auch dessen Hintermänner Jiang Zemin und Zeng Qinghong gemeint sein. Der 88-jährige Ex-Staatschef Jiang ist Xi Jinpings Vor-Vorgänger und der größte und mächtigste Tiger unter Chinas korrupten Funktionären. Zeng (76) war Ministerpräsident unter Hu Jintao und sorgte als Jiangs rechte Hand dafür, dass Chinas politische Geschicke auch nach Jiangs Abtritt weiter im Sinne des pensionierten Parteichefs verliefen. Beobachter sehen die Beseitigung Zhous als zwingend notwendigen Schritt, der den Weg für den Sturz der letzten beiden Tiger frei macht.
Wer ist Zhou Yongkang?
Zhou Yongkang war von 2007 bis Ende 2012 Chinas Stasi-Chef: In seiner Position als Leiter des „Komitees für Politik und Recht“ kontrollierte er die gesamte innere Sicherheit des Riesenstaates – von der Polizei bis zu Gerichtshöfen, Arbeitslagern und Gefängnissen. Zhou spielte vor allem bei der Verfolgung der buddhistischen Qigong-Praxis Falun Gong eine unheilvolle Rolle: Unter seiner Obhut fand im großen Stil Organraub und Organhandel mit Gefangenen statt, dem Zehntausende der gesundheitsbewussten Falun Gong-Anhänger zum Opfer gefallen sein sollen. Unter den nun veröffentlichten Vorwürfen gegen Zhou fehlte seine Verwicklung in die Menschenrechtsverbrechen vollständig, die im Jahr 1999 vom damaligen Staats- und Parteichef Jiang Zemin gestartet wurden. Wieder wurde Chinas politisches Tabu-Thema Nr. 1 nicht berührt, das jedoch in der gesamten “Anti-Korruptions-Kampagne” Xi Jinpings eine treibende Rolle spielt.
(Siehe auch: Warum Chinas Tabu-Thema Falun Gong die Welt betrifft)
Vor seiner Berufung zum Stasichef hatte Zhou verschiedene Ämter inne. Durch seine Tätigkeit für den Ölkonzern China Nationalpetroleum hatte er einen Paten-Status erlangt, der ihm erlaubte, aus dem Hintergrund gigantische Summen aus dem Staatskonzern abzuschöpfen. Ein Netzwerk von 300 Personen soll ihm geholfen haben, 900 Milliarden Yuan (über 100 Milliarden Euro) an Sach- und Geldwerten zu veruntreuen.
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