Einblick in die Lyrik der Tang-Dynastie

„Mein Haus am Berg Zhongnan” von Wang Wei
Epoch Times9. Februar 2010

Der chinesische Dichter, Maler und Musiker Wang Wei (699-759) gehörte zu den größten Dichtern des Goldenen Zeitalters der chinesischen Lyrik zur Zeit der Tang Dynastie (618-907 n. Chr.). Bis zum Tode seiner Frau war er am kaiserlichen Hof als hoher Beamter angestellt, danach trat er in den Ruhestand und ging in ein buddhistisches Kloster.

Das Besondere an den Gedichten Weis ist, wie er die Landschaft aus den Augen eines Malers zeigen kann. In seinen meist vierzeiligen Gedichten beschreibt Wang Wei Berge und Täler sowie die seltenen Kontakte zu anderen Menschen in sehr konkreten Bildern. Das machte ihn zum führenden Dichter der Tang Dynastie. Wang Wei war ein Bewunderer des Dichters Tao Yuanmin (auch Tao Qian genannt), sodass eine Ähnlichkeit trotz seines noch verfeinerten Stiles sichtbar wird.

Mein Haus am Berg Zhongnan

 

In der Mitte meines Lebens entdeckte ich meine Liebe zum Buddha-Gebot.

Ich entschied mich den Rest meines Lebens am Fuße des Berges Zhongnan zu leben.

Wenn ich in der Stimmung bin, wandere ich alleine in den Wäldern umher.

Ich teile meine angenehmen Empfindungen mit niemandem.

Ich gehe den Bach entlang bis zur Quelle.

Dann setze ich mich und schaue den heraufziehenden Wolken zu.

Gelegentlich treffe ich einen älteren Waldarbeiter.

Ich unterhalte mich und lache und vergesse dabei

nach Hause zurückzugehen.

Wang Wei (699-759)

Viele seiner Werke geben einen Einblick in Orte der Einkehr auf dem Lande, die viele Hofangestellte am Wochenende nutzten, um dem Druck am Hofe zu entfliehen. Sie lehren uns die Bedeutung der Natur aus der Perspektive eines Buddhisten. Man nimmt an, dass Wang Wei bis zu seinem Tode 759 im Kloster weilte.

Im Alter von 40 Jahren wurde Wang Wei ein strenggläubiger Buddhist. Eine Zeit lang lebte er mit dem zeitgenössischen Dichter Chu Guangyi zusammen in der Abgeschiedenheit am Berg Zhongnan. Im Alter von 50 Jahren erwarb Wang Wei ein Haus am Fuße des Berges Zhongnan in Wangchuan, im Kreis Lantian. Von da an lebte er als Einsiedler und konzentrierte sich auf die buddhistische Kultivierungspraxis.

Wang Wei liebte die Berge und Wälder. Oft unternahm er lange Wanderungen durch die Wälder, um sich als Teil der Natur zu erleben. Es muss sich wirklich um ein schönes und tiefgreifendes Gefühl gehandelt haben, doch war es Wang Wei schwer seine Empfindungen mit anderen zu teilen, die nicht auf demselben Erkenntnisstand mit ihm waren. Vielleicht schrieb er deshalb: „Ich teile meine angenehmen Empfindungen mit niemandem.“ Was er damit vielleicht sagen wollte, ist: „Wenn ich doch bloß meine wunderbaren Empfindungen mit jemandem teilen könnte!“

Wang Wei schlenderte einen Bergbach entlang, und ehe er sich’s versah, war er schon an dessen Quelle angekommen. Das zeigt, wie sehr Wang Wei es liebte, in der Natur zu sein. Als er am Ende des Baches angekommen war, beschloss er, eine Rast einzulegen und den heraufziehenden Wolken zuzuschauen. Als Leser können wir die Empfindungen des Dichters spüren, die durch die sorglos am Himmel ziehenden Wolken verkörpert werden.

Wang Wei fand einen exzellenten Weg, seine tiefsten Gedanken und Empfindungen durch seine feinen Beschreibungen der Landschaft auszudrücken. Die zwei Zeilen „Ich gehe den Bach entlang bis zur Quelle“ und „Dann setze ich mich und schaue den heraufziehenden Wolken zu“ haben in den Kreisen von Dichtern und Kritikern höchste Anerkennung gefunden. Zum einen, weil Wang Wei in nur wenigen Worten ein sehr klares Bild malte und zum Anderen, weil er  in jenem Augenblick seines Lebens einen himmlischen und inspirierten Geisteszustand beschrieb. Es handelt sich dabei um ein ganz besonderes Gefühl, dass nur diejenigen verstehen können, die einmal in demselben Zustand waren.

In der inspirierenden Umgebung, in der Wang Wei lebte, nahm er sich Zeit, den Duft der Rosen einzuatmen. Wenn er einen Waldarbeiter traf, blieb er auf ein herzliches Geplaudere stehen und lachte gerne mit ihm. Er vergaß dabei sogar nach Hause zurückzugehen. Dies zeigt, dass Wang Wei als buddhistischer Eremit ein friedliches und gemächliches Leben genoss. Ebenso sieht man an dieser Stelle Wang Weis sorglose Natur. Sie stellt die typische Geisteshaltung eines einsamen Eremiten einer buddhistischen Schule dar. (red.)



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