China: Experten analysieren den Konflikt innerhalb der KPCh
Am 14. März 2012 kritisierte der chinesische Premierminister Wen Jiabao auf einer Pressekonferenz die Stadtregierung von Chongqing. Am folgenden Tag wurde der Spitzenpolitiker Bo Xilai abgesetzt, der das Amt des Parteichefs von Chongqing ausübte. Dieses politische Erdbeben erregte weltweit große Aufmerksamkeit. Dadurch kamen innerparteiliche Machtkämpfe zu Tage, in denen die Gruppe von Hu Jintao und Wen Jiabao die Oberhand über die Fraktion von Bo Xilai und Zhou Yongkang zu gewinnen scheint.
NTDTV interviewte daher in einer Sondersendung die politischen Experten Chen Pokong und Zhang Tianliang. Ihre Analyse ermöglicht es, die undurchsichtigen Manöver der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) besser zu verstehen.
Ein gemeinsamer Gegner
Zhang Tianliang schrieb im vergangenen Monat mehr als 20 Artikel über den Fall von Wang Lijun und sagte die Niederlage von Bo Xilai voraus. Er meinte, dass der Staatspräsident und Parteivorsitzende Hu Jintao bereits am 15. Januar angefangen habe, Bo Xilai zu bekämpfen, nachdem zwei Präsidenten des Militärkomitees ihm ihre Unterstützung zugesagt hatten. Das sei daran zu erkennen, dass gegen Wang Lijun, den Polizeipräsidenten von Chongqing, ermittelt wurde.
Chen Pokong äußerte die Meinung, dass Hu Jintao und Wen Jiabao zwar oft der gleichen politischen Gruppe zugeordnet werden, aber aus unterschiedlichen Gründen gegen Bo Xilai kämpfen. Wen Jiabao habe Bo Xilai schon früher kritisiert, dass er beinahe seine eigene Kulturrevolution betreibe. Dies dürfte Hu Jintao jedoch nicht gegen Bo Xilai aufbringen, da er selbst als Anhänger der Ideen von Mao Tse-tung gilt. Sein Motiv liege darin, dass der wachsende Einfluss von Bo Xilai die Macht des Parteizentrums und damit seine eigene Autorität in Frage gestellt habe.
Zhang vermutete, dass Hu Jintao vor der 18. Parteiversammlung im kommenden Herbst seine Autorität demonstrieren wolle. „Wenn er (Hu Jintao) nicht einmal Bo Xilai in die Knie erzwingen kann, wird die KPCh, inklusiv seiner Anhänger, ihn nicht mehr als Anführer ansehen. Die Gruppen innerhalb der KPCh folgen nur demjenigen, der mächtig ist.“ Nach Einschätzung von Zhang habe Hu Jintao noch vor der 18. Parteiversammlung über Bo Xilai triumphieren müssen, um seinen Führungsanspruch zu untermauern.
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Bo Xilai hat keine Kraft zurückzuschlagen
Chen vermutete, dass Bo Xilai direkt nach dem Abschluss des Volkskongresses eingesperrt werde und keine Kraft habe, zurückzuschlagen. Er begründete es dahingehend, dass ihm die Unterstützung im Parteizentrum fehle und dass seine Machtbasis in Chongqing nicht ausreichend stark sei. Von den neun ständigen Mitgliedern des Politbüros seien fünf gegen Bo Xilai. Drei weitere haben keine eigene Meinung sondern orientieren sich an den Stärkeren. Am Ende bleibe nur Zhou Yongkang, der ihn unterstütze.
Den Machtverlust von Bo Xilai in Chongqing verdeutlichte Chen am dortigen Fernsehprogramm. Während seiner Amtszeit habe Bo Xilai die Ausstrahlung kommerzieller Werbespots durch „Rote Klassiker“ ersetzen lassen. Dadurch erlitt der lokale Sender massive Verluste bei den Einschaltquoten. Am Tag der Bekanntgabe seiner Absetzung wurden wieder Werbespots übertragen.
Wer ist der Nächste?
Zhang ist der Meinung, dass Bo Xilai im Moment Zhou Yongkang am meisten hasse. Durch das Lob von Zhou während des Volkskongresses habe Bo nicht erkannt, dass er bereits den Rückhalt im Parteizentrum verloren hatte. Zhang beschrieb: „Es ist so, als ob Zhou Bo Xilai bis zu den Wolken getragen und danach plötzlich die Leiter weggenommen hat… Ich bin der Meinung, dass sich Bo Xilai im Moment in einer gefährlichen Situation befindet. Je mehr Personen er mit in den Abgrund reißen kann, desto weniger Verantwortung muss er selbst übernehmen. Unter diesen Umständen wird er sich auf jeden Fall an Zhou Yongkang rächen.“
Während der Pressekonferenz erwähnte Wen Jiabao den Konflikt zweier politischer Linien innerhalb der KPCh, Kulturrevolution und Reformierung. Außerdem warnte er vor einer weiteren Kulturrevolution in China.
Zhang erklärt, in der Rede von Wen Jiabao sei angedeutet, dass die internen Querelen in der KPCh nicht mit Bo Xilai enden werden. Üblicherweise enden solche Streitigkeiten innerhalb der KPCh damit, dass der jeweilige Beamte mit Korruptionsvorwürfen überhäuft und aus dem Amt entfernt werde. Dabei handele es sich um Einzelpersonen. Diesmal habe Wen Jiabao davon gesprochen, dass Bo Xilai die falsche politische Linie gewählt habe, was bedeutet, dass er viele Unterstützer habe. Bei politischen Linien innerhalb der KPCh existiere eine Führungsriege mit einem Anführer. Das könne Bo Xilai als normales Mitglied des Politbüros jedoch nicht sein. „Meiner Meinung nach wird die KPCh, wenn sie den Fall tiefgehender untersucht, jemanden identifizieren, der ein ständiges Mitglied des Politbüros ist.“ Zhou Yongkang ist ein ständiges Mitglied des Politbüros und hat das Chongqing-Modell in der Öffentlichkeit unterstützt. Zhang sagt: „Das ist eine Möglichkeit, die wir genau beobachten müssen.“
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Wird die Partei eine tiefgreifende Veränderung erleben?
Chen ist der Meinung, dass das Parteizentrum sich nicht verändern möchte und dass es deutliche Hinweise gebe, dass die KPCh geschwächt sei. Es gebe beispielsweise Abgeordnete des Volkskongresses, die die Regierung oder hochrangige Beamte kritisieren. Daran sei zu erkennen, dass die unterschiedlichen Meinungen des Volkes an Gewicht zugenommen haben und die KPCh so zunehmend unter Druck gerate. Chen warnt jedoch vor zu großem Optimismus infolge der Niederlage von Bo Xilai. Er erinnert an das neue menschenverachtende Strafrecht, das im Volkskongress verabschiedet worden ist. Dieses ermöglicht, chinesische Bürger mit der Begründung der Gefährdung nationaler Sicherheit „heimlich verschwinden zu lassen“. Außerdem betont er, dass es nach dem letzten Volkskongress immer noch nicht erforderlich sei, dass Beamte ihren Reichtum offenlegen müssen.
Der politischen Reform, die Wen Jiabao auf seiner letzten Pressekonferenz beschworen hat, räumte Chen keine großen Chancen ein. Diese politische Reform sei zwar seit Jahren ein Thema in der KPCh, jedoch sei sie nie wirklich in Angriff genommen worden. Außerdem können der Begriff „politische Reform“ von verschiedenen Personen unterschiedlich verstanden werden. Daher sollen die Erwartungen nicht zu hoch sein.
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