China drängt die EU, Bericht über Desinformationen „zu verwässern“

Ein EU-Bericht über chinesische und russische Desinformationen über COVID-19 wurde abgemildert - nach Druck aus Peking. Quellen berichten über Drohungen, die zuständige Abteilung der EU dementiert allerdings jegliche Änderung oder Verzögerung.
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Schüler mit Gesichtsmasken kommen am 27. April zur Huayu-Mittelschule in Shanghai.Foto: HECTOR RETAMAL/AFP über Getty Images
Von 27. April 2020

Vergangene Woche versuchte die chinesische Regierung, einen Bericht der Europäischen Union zu blockieren. In dem Bericht schätzt die EU ein, dass Russland und China vermehrt Desinformationen über den Ausbruch von COVID-19 verbreiten. Dies geht aus vier Quellen und diplomatischer Korrespondenz hervor, welche von „Reuters“ überprüft wurden.

Der Bericht wurde schließlich doch veröffentlicht, wenn auch mit einer „abgemilderten“ Kritik an der chinesischen Regierung. Die ursprüngliche Fassung mit deutlich schärferer Kritik über den Umgang mit Informationen wurde allerdings neu arrangiert oder gar entfernt. „Reuters“ zufolge ist das ein Balanceakt von Brüssel zwischen den zwei Großmächten China und USA.

Die chinesische Mission bei der EU stand nicht sofort für Kommentare zur Verfügung, und das chinesische Außenministerium reagierte auch nicht sofort auf die Anfrage von „Reuters“, was an den Behauptungen dran ist, dass der Bericht zurückgehalten und später abgeändert veröffentlicht wurde.

Eine EU-Sprecherin sagte: „Wir kommentieren niemals den Inhalt oder angeblichen Inhalt interner diplomatischer Kontakte und der Kommunikation mit unseren Partnern aus anderen Ländern“. Ein anderer EU-Beamter teilte „Reuters“ mit, dass der Desinformationsbericht wie üblich veröffentlicht worden sei. Er bestritt, dass irgendetwas davon „verwässert“ wurde.

Vier Quellen berichten über den Vorgang der chinesischen Behörden

Vier diplomatische Quellen teilten „Reuters“ mit, dass die Veröffentlichung des Berichts ursprünglich für den 21. April geplant war, sich aber verzögerte, nachdem chinesische Beamte einen Nachrichtenbericht von „Politico“ aufgegriffen hatten. In dem Bericht wurde eine Vorschau des Berichtes über die Desinformationen, welche aus China und Russland kommen, veröffentlicht.

Nachdem chinesische Beamte den Bericht gelesen hatten, kontaktierten sie noch am selben Tag europäische Beamte in Peking, um ihnen mitzuteilen, dass „wenn der Bericht wie [im Artikel von ‚Politico‘] beschrieben heute veröffentlicht wird, wird es sehr schlecht für die Zusammenarbeit sein“, so die diplomatische Korrespondenz der EU, die von „Reuters“ überprüft wurde.

In der Korrespondenz wurde der hochrangige Beamte des chinesischen Außenministeriums, Yang Xiaoguang, zitiert, der sagte, die Veröffentlichung des Berichts würde Peking „sehr wütend“ machen, so „Reuters“. Er warf den europäischen Beamten vor, „jemand anderem“ gefallen zu wollen – die EU-Diplomaten verstanden das als Hinweis auf Washington.

Orginalfassung und Endfassung des Berichtes unterscheiden sich

Die vier Quellen gaben an, dass sich die Veröffentlichung des Berichtes durch diesen Zwischenfall verzögert habe. Die Originalfassung weicht von der Endfassung ab, welche erst 3 Tage später, am 24. April veröffentlicht wurde, berichtet „Reuters“.

So heißt es beispielsweise auf der ersten Seite des internen Berichts, der den EU-Regierungen am 20. April vorgelegt wurde:

China hat weiterhin eine weltweite Desinformationskampagne geführt, um von der Schuld für den Ausbruch der Pandemie abzulenken und sein internationales Image zu verbessern. Es wurden sowohl offene als auch verdeckte Taktiken beobachtet“.

Die öffentliche Zusammenfassung erschien letztlich am 24. April auf der Webseite euvsdisinfo.eu mit dem folgenden Satz: „Offizielle und staatlich gestützte Quellen von verschiedenen Regierungen, darunter Russland und – in geringerem Maße – China, haben weiterhin Verschwörungsnarrative und Desinformationen in großem Umfang ins Visier genommen“, hieß es in der endgültigen Fassung.

Die öffentliche Zusammenfassung vermerkte zwar „bedeutende Beweise für verdeckte chinesische Operationen in sozialen Medien“, aber der Verweis wurde in den letzten sechs Absätzen des Dokuments versteckt.

Drei weitere Quellen bestätigen den Druck auf die EU

Drei Personen bestätigten ebenfalls gegenüber „Politico“, dass chinesische Diplomaten Druck auf die EU ausgeübt haben, um den Wortlaut des Berichts zu ändern, über dessen Einzelheiten am Dienstag erstmals im „Brussels Playbook“ – eine Zusammenfassung der Ereignisse für den anstehenden politischen Tag in Brüssel – berichtet wurde.

Am auffälligsten war, dass die Hinweise auf eine „globale Desinformationskampagne“ Chinas und die chinesische Kritik an der Reaktion Frankreichs auf die Pandemie ausradiert wurden, formuliert „Politico“.

Die „New York Times“ berichtete am Freitag über den chinesischen Druck und zitierte einen EU-Diplomaten, der an seine Kollegen schrieb, dass „die Chinesen mit Reaktionen drohen [würden], falls der Bericht herauskommt“.

Der Artikel von „New York Times“ zitierte auch eine E-Mail eines hochrangigen Beraters des Spitzendiplomaten der EU, Josep Borrell.

Borrell ordnete an, den Bericht zurückzuhalten, und „er forderte Analysten auf, zwischen dem Drängen auf Desinformation und dem aggressiven Drängen auf eine Narrative zu unterscheiden“. Ein EU-Beamter, der mit den Änderungen nicht einverstanden war, wurde mit den Worten zitiert, die Diplomaten der EU-Gemeinschaft würden sich „selbst zensieren, um die Kommunistische Partei Chinas zu besänftigen“.

Europäischer Auswärtige Dienst: „Wir haben uns nie einem angeblichen politischen Druck von außen gebeugt“

Der Bericht wurde schließlich von der Abteilung Strategische Kommunikation im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) herausgegeben. Die Abteilung analysiert Desinformationskampagnen, welche die EU betreffen. Peter Stano, ein Sprecher der Abteilung, sagte am Samstag (25.4.), dass „die Veröffentlichungen des EAD kategorisch unabhängig sind. Wir haben uns nie einem angeblichen politischen Druck von außen gebeugt. Dazu gehört auch unsere jüngste Übersicht über die Entwicklungen im Bereich Desinformation“.

Er sagte, der Artikel der „New York Times“ mache „unbegründete, ungenaue Behauptungen und enthalte sachlich falsche Schlussfolgerungen über den Bericht des EAD“. Er fügte hinzu, dass „Desinformation und eine schädliche Narrative ernsthafte potenzielle Risiken für unsere Bürger, einschließlich ihrer Gesundheit, bergen können“.

Die Lobby-Kampagne ist das jüngste Beispiel dafür, wie die chinesische Regierung versucht, die Narrative zu kontrollieren, um ihren Ruf zu verteidigen. Der chinesischen Regierung ist es nicht gelungen das COVID-19 innerhalb ihrer Grenzen zu halten und andere Länder ordnungsgemäß vor der Bedrohung zu warnen, schreibt „Vox“.



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