Amnesty International wirft Behörden vor „Angst zu säen, so wie es in Pekings Handbüchern steht“
Unmittelbar vor geplanten Protestaktionen zum Jahrestag der Regenschirm-Bewegung in Hongkong sind die Behörden massiv gegen Demokratie-Aktivisten vorgegangen: Polizisten nahmen den Protestanführer Joshua Wong und drei weitere Aktivisten sowie einen der Demokratiebewegung nahestehenden Abgeordneten fest. Angesichts des Drucks von oben sagten die Organisatoren eine für Samstag geplante Großdemonstration ab. Sie planen aber nach eigenen Angaben andere Aktionen.
Wong sei am Freitagmorgen gegen 07.30 Uhr auf offener Straße in ein Zivilfahrzeug verfrachtet worden, teilte seine Partei Demosisto im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Seine Mitstreiterin Agnes Chow sei zu Hause festgenommen worden. Die Hongkonger Polizei bestätigte die Festnahme von zwei 22-Jährigen namens Wong und Chow, denen unter anderem „Anstachelung zur Teilnahme an einer verbotenen Versammlung“ vorgeworfen werde.
Später wurden die beiden Aktivisten dem Gericht vorgeführt und formell angeklagt. Bei einer Verurteilung drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft. Nach dem Gerichtstermin wurden Wong und Chow auf Kaution freigelassen. Vor Journalisten sagte Wong: „Wir werden unseren Kampf fortsetzen, wir werden nicht aufgeben.“
Amnesty verurteilt Verhaftungen
Ebenfalls am Freitag wurde der Aktivist Rick Hui festgenommen, wie ohne Angabe von Details auf seiner Facebook-Seite mitgeteilt wurde. Bereits am Donnerstagabend war der Unabhängigkeitsbefürworter Andy Chan am Hongkonger Flughafen festgenommen worden. Seine kleine Unabhängigkeitspartei mit nur einigen dutzend Mitgliedern war im vergangenen Jahr verboten worden.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte die „Razzien im Morgengrauen“. Die Festnahmen von Wong und Chow seien „skandalöse Angriffe auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit“. Diese hätten ganz klar das Ziel, „Angst zu säen, so wie es in Pekings Handbüchern steht“.
Die Aktionen gegen die Symbolfiguren der seit drei Monaten anhaltenden Proteste erfolgten unmittelbar vor dem fünften Jahrestag der Entscheidung Pekings, politische Reformen in Hongkong zu verbieten. Diese Entscheidung hatte 2014 die sogenannte Regenschirm-Bewegung ausgelöst. Bereits damals hatte der heute 22-jährige Wong an der Spitze der 79-tägigen Proteste gestanden.
Einspruch gegen Demo-Verbot abgewiesen
Aus Anlass des Jahrestages hatte das Protestbündnis Civil Human Rights Front (CHRF) für Samstag zu einer Großdemonstration aufgerufen. Diese wurde aber am Donnerstag von der Polizei verboten. Die Aktivisten versuchten, das Verbot vor Gericht zu kippen, was aber nicht gelang. Der Einspruch gegen das Verbot sei abgewiesen worden, berichtete CHRF-Sprecherin Bonnie Leung am Freitag. Die Organisatoren hätten deshalb „keine andere Wahl gehabt, als die Demonstration morgen abzusagen.“ Es werde aber mit Sicherheit andere Aktionen geben.
In Hongkong gibt es seit drei Monaten Massendemonstrationen für mehr Demokratie und gegen eine wachsende Einflussnahme Pekings. Dabei hatte es am vergangenen Wochenende gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben. Die Beamten setzten unter anderem Wasserwerfer ein, erstmals seit Beginn der Proteste feuerte ein Polizist einen Schuss ab. Seit Juni wurden mehr als 900 Teilnehmer der Proteste festgenommen.
Peking hatte der ehemaligen britischen Kronkolonie bei der Übernahme 1997 unter dem Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ für mindestens 50 Jahre Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit zugesichert. Nach Ansicht der Demonstranten wird diese Zusicherung von Peking schrittweise ausgehöhlt, wogegen sie protestieren.
Die Situation in Hongkong war auch Thema des EU-Außenministertreffens in Helsinki. Die jüngsten Entwicklungen seien „extrem besorgniserregend“, sagte die Außenbeauftragte Federica Mogherini. „Wir erwarten von den Behörden in Hongkong, dass sie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit und selbstverständlich auch das Recht der Menschen auf friedliche Demonstrationen akzeptieren.“ Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) forderte, „dass die Lage nicht weiter eskalieren darf“. (afp/sua)
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