Alltag in China
12. Mai: Dorfbewohner von Changpo gehen zu dem nahe gelegenen Ort Haihepo, um den Bauern einer Wassermelonenfarm daran zu hindern, seine Melonen in andere Bezirke zu transportieren. Sie verlangen von ihm Einsicht in den Vertrag, der die Zuteilung des Landes, das er bebaut bestätigt. Der Bauer kann das Dokument nicht vorweisen und die Bezirksregierung will in den Streit nicht eingreifen.
16. Mai: Yang Zongzhen, der stellvertretende Leiter des Bezirks schickt mehr als 100 Polizeifahrzeuge, mehrere große Lastwagen und Tausende von bewaffneten Beamten zum Melonenfeld. Die Polizisten schlagen mit Elektrostäben und Gewehren auf die Dorfbewohner ein. Mehr als ein Dutzend Bewohner erleiden schwere Verletzungen. Ein Reporter, der den Vorfall fotografiert, wird von der Polizei angegriffen und seine Kamera zerschlagen.
Yang liess mehr als ein Dutzend Dorfbewohner festnehmen und später bis zur Verunstaltung foltern. Der Dorfbewohner Wang Shihai musste in die Notambulanz gebracht werden. Yang ordnete an, dass die Krankenhäuser des gesamten Bezirks die verletzten Dorfbewohner nicht behandeln sollen.
Apell an höchste Ebenen
Huang Zhengfei und andere vom Dorf Changpo, das in der Provinz Hainan liegt, der Gemeinde Xincui im Bezirk Lingshui der Insel-Provinz Hainan Chinas kamen Mitte Juni nach Peking, um ihren Fall beim Zentralkomitee der chinesischen kommunistischen Partei (KPC) und der Beschwerdestelle des Staatsrats einzureichen. „Alle [Beamte] sagten uns, sie würden die Materialien zurück zur Provinz Hainan schicken, wo es vor Ort verhandelt würde,“ erklärte Huang, „Aber wir können nicht zurück, da die dortige Regierung uns beschuldigt. Wir würden festgenommen, sobald wir zurückkehrten. Wir erklärten der Zentralregierung diese Situation, aber sie weigertn sich, sich um uns zu kümmern.“
Bürokratenprotektion und Länderunterschlagung
Das Changpo- Dorfkomitee hat 14 Genossenschaften mit 3.219 Einwohnern. Sie teilen sich 10.000 Mu (etwa 240 ar) Land. Nach den Angaben von Huang hat Zheng Xianchuan die Macht mit seinem Vetter Zheng Xianzhong und dem Parteisekretär des Verwaltungsbezirks geteilt, seit er den Posten des Leiters des Changpo-Dorfkomitees und den des Parteisekretärs des Dorfes im Jahr 1988 übernahm. Sein Vetter ist jetzt der Vizeleiter der KPC-Organisationsabteilung des Bezirks und der Parteisekretär des Verwaltungsbezirks ist seitdem zum Chef der Behörde für Landwirtschaft im Bezirk geworden. Über die Grenzen ihrer Machtbefugnis hinaus haben diese Drei das Land, das dem Kollektiv gehört, verpachtet und Besitztümer unterschlagen, die einmal den Dorfbewohnern gemeinsam gehörten. Sie haben Stück für Stück bis zu 8.831 Mu (etwa 238 ar) kollektives Land verpachtet – Land, das für privaten Anbau bestimmt war und Land, das für den Anbau von Futter zur Vorratshaltung bestimmt war. Die Pacht behielten sie für sich. „Zheng Xianchuan genießt Schutz von hochrangigen Beamten, und er hat lokale Schläger als Killer angeheuert“, sagt Huang.
Menschenrechtsvertreter von Peking abgesperrt
Um Dorfbewohner daran zu hindern, nach Peking zu gehen und dort bei den für sie zuständigen Behörden vorstellig zu werden, gab Yang Zongzhen, der stellvertretende Leiter des Bezirks die Anordnung: „Die Polizei hat alle größeren Verkehrskreuzungen zu überwachen und soll jeden abfangen, der vorhat, nach Peking zu gehen. Die Leiter der 14 Dorfgenossenschaften sollen innerhalb eines Monats festgenommen werden.“
Gegenwärtig sind neben Huang Zhenfei noch acht weitere Leiter der Kooperativen von Changpo in Peking. Sie halten sich versteckt, denn die Bezirkspolizei von Lingshui sucht sie. „Bitte, helfen Sie den Dorfbewohnern von Changpo“ sagte Huang, und wandte sich damit an das Ausland.
Nach dem Fischer Weltalmanach „Weltmacht China“ soll es im Jahr 2003 in China zu rund 58.000 Massenprotesten gekommen sein.
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