Nach umstrittenem Vorfall: Menschenketten in Grevesmühlen und Schwerin gegen Gewalt

Knapp eine Woche nach dem Vorfall in Grevesmühlen wird in der Stadt gegen Gewalt und für Zusammenhalt demonstriert. Rund 460 Menschen bilden eine Menschenkette. Der Vorfall vor rund einer Woche ist umstritten.
Die Polizei machte in einem Unfallwagen einen mysteriösen Leichenfund.
Die Polizei machte in einem Unfallwagen einen mysteriösen Leichenfund.Foto: Marijan Murat/dpa
Von 22. Juni 2024

Knapp eine Woche nach dem inzwischen umstrittenen Zwischenfall um eine ghanaische Familie haben am Donnerstag laut Polizei in Grevesmühlen rund 460 Personen eine Menschenkette gebildet. Sie wollten so gegen Gewalt und für Zusammenhalt demonstrieren.

Die Veranstalter sprachen von 500 Teilnehmern, die sich mit bunten Bändern zu einer Kette durch das Plattenbaugebiet Ploggenseering verbunden hatten. In dem Wohngebiet hatte sich der Zwischenfall ereignet. Die Aktion verlief laut Polizei friedlich.

An der Menschenkette beteiligten sich Grevesmühlens Bürgermeister Lars Prahler (parteilos), Mecklenburg-Vorpommerns Kulturministerin Bettina Martin (SPD) und der Wismarer SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Junge. Auch rund um den Schweriner Dom bildete sich am Donnerstagabend eine Menschenkette, um „ein Zeichen gegen Rassismus“ zu setzen. Daran nahmen auch MV-Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) und der Hamburger Erzbischof Stefan Heße teil. Mecklenburg gehört zum Erzbistum Hamburg.

Am Freitagabend vergangener Woche war es laut Polizei am Ploggenseering in Grevesmühlen zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen einigen Jugendlicher und einem ghanaischen Vater gekommen, wobei der Mann leicht verletzt wurde.

Er wollte demnach die Gruppe zur Rede stellen, nachdem ein Elfjähriger dort seiner achtjährigen Tochter ein Bein gestellt haben soll. Erst hieß es, Jugendliche hätten der 8-Jährigen ins Gesicht getreten, was sich später jedoch als Unwahrheit herausstellte. Bei der Auseinandersetzung fielen den Angaben zufolge rassistische Äußerungen. Auch gegen den ghanaischen Vater wurden laut Polizei Anzeigen wegen Körperverletzung erstattet.

Neue und alte Informationen

„Durch die Polizei wird ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Beleidigung eingeleitet“, erklärte Polizeihauptkommissar Marcus Rode vom Polizeipräsidium Rostock in einem Statement mach einem Vorfall.

Zwei Tage später, am 17. Juni, ein weiteres Polizeistatement: Eine Ermittlungsgruppe unter Leitung des polizeilichen Staatsschutzes sei eingerichtet worden, die die „intensiven kriminalpolizeilichen Ermittlungen mit Hochdruck“ führe. Ein Hinweisportal wurde eröffnet, die Bevölkerung um Hinweise gebeten. Etwa sechs Stunden später wurden die Ermittlungen auf Basis von Aussagen, Bildern und Videos von Zeugen und Anwohnern ergänzt. Doch dazu gleich mehr.

Am 19. Juni berichtete der NDR, dass Grevesmühlen seit dem Wochenende „bundesweit Schlagzeilen“ mache und zu einem „neuen Synonym für Ausländerfeindlichkeit“ werden könnte. „Das Medien-Echo ist eindeutig“. Die gesellschaftliche und politische Debatte habe längst begonnen, heißt es und so interviewte man auch etliche Bürger von Grevesmühlen auf der Straße nach dem „rassistischen Angriff am Wochenende“.

Zwei Tage zuvor hatte die Polizei Rostock bereits in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass das Mädchen (8) laut Ermittlungsstand „keine körperlichen Verletzungen erlitten [habe], die auf die in der Erstmeldung geschilderte Tathandlung hindeuten“. Demnach sei die Achtjährige mit dem Roller an einem „Jugendlichen“ vorbeigefahren. Später wurde bekannt, dass es sich um ein elfjähriges Kind gehandelt hatte. Der Junge hatte den Ermittlungen nach dem Mädchen mit dem ausgestreckten Fuß die Weiterfahrt mit dem Roller verwehrt und die Achtjährige dabei mit der Fußspitze getroffen. Die beiden ghanaischen Mädchen hätten sich dann weinend an ihre Eltern gewandt. Diese stellten die Jugendlichen zur Rede und es kam „zu verbalen und körperlichen Auseinandersetzungen“. Dabei seien auch „fremdenfeindliche Beleidigungen“ geäußert worden.

Wie die „Junge Freiheit“ schreibt, sei der Vorwurf des Landfriedensbruchs im Fall Grevesmühlen fallengelassen worden. Weiterhin bestehe jedoch der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung. Jedoch nicht gegenüber dem Kind. Unklar scheint auch, woher die Geschichte mit dem Tritt gegen das Kind kam. Eine Polizeisprecherin erklärte der Zeitung gegenüber: „Fakt ist, das Kind wurde nicht getreten.“

Der Vorwurf sei wegen der leichten Verletzung des Vaters des Mädchens: „Dies werten wir als gefährliche Körperverletzung nach Paragraf 224 Strafgesetzbuch, weil es sich um eine gemeinschaftlich durchgeführte Tat handelt. Darüber hinaus gab es eine Gegenanzeige gegen den Vater wegen einer einfachen Körperverletzung.“ Hinzu komme der Verdacht der Volksverhetzung und der Beleidigung. Kritisch sah das Blatt zudem einen Zeitungsbericht, der von 20 Jugendlichen berichtet hatte, die afrikanische Mädchen verprügelt hätten, wobei ein „Kind schwer verletzt“ ins Krankenhaus gekommen sei. Zu dem Krankenhausdetail äußerte sich die Polizeisprecherin ebenfalls gegenüber der Zeitung: „Kinder kommen bei einem solchen Geschehen, aber auch bei einem Unfall grundsätzlich ins Krankenhaus“, so die Sprecherin.

Politik manchmal schneller als die Polizei

Wie in Videos in den sozialen Medien über den Vorfall in Grevesmühlen zu sehen ist, hatte sich die Lage dort möglicherweise erst durch das hysterische Auftreten der Mutter verschärft, die trotz Beschwichtigungsversuchen konfrontativ mit den Jugendlichen agierte. Hierzu sind sicherlich noch weitere Ermittlungen der Polizei nötig, um den genauen Verlauf zu rekonstruieren.

Die politische Resonanz zu Grevesmühlen zeigt einmal mehr, wie sensibel solche Vorfälle in der Gesellschaft diskutiert werden. Allerdings werden – wie andere Fälle in der Vergangenheit bereits zeigten – oftmals voreilig Schlüsse gezogen, manchmal noch bevor die Polizei mit den ersten Ermittlungsergebnissen an die Öffentlichkeit geht.

Ein ähnlicher Fall von vorschneller Reaktion aus der Politik ereignete sich etwa vor eineinhalb Jahren, ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern. Damals brannte in dem kleinen Ort bei Wismar ein Hotel, das Flüchtlinge aus der Ukraine beherbergte. Rasch war man bei einem vermuteten Nazi-Brandanschlag gelandet. Schließlich wurde ein Feuerwehrmann unter Tatverdacht verhaftet. Die Staatsanwaltschaft ging von einer Serie von insgesamt sieben Brandstiftungen aus. Später wurde der Mann jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion