Kann die Polizei erneute Silvesterkrawalle verhindern?
Die Videos aus der letzten Silvesternacht in Berlin lassen sich auch jetzt noch im Internet finden. Böllerexplosionen in belebten Straßen und Raketen, die waagerecht über Menschen zischen, sieht man. Funken von detonierendem Feuerwerk fliegen meterweit, dunkle Gestalten feuern mit Schreckschusspistolen in den Himmel – auch wenn Polizisten in der Nähe stehen. Aus vielen Gründen wird die bevorstehende Silvesternacht eine noch größere Herausforderung für die Polizei.
Was ist außergewöhnlich am diesjährigen Silvester?
Heftige Böllerei gibt es in Großstädten schon lange. Seit Jahren werden jedoch Feuerwerkskörper und Raketen auch auf Polizisten und Feuerwehr geworfen und geschossen.
Im vergangenen Jahr seien die Attacken in bestimmten Vierteln noch heftiger und gezielter gewesen, Rettungskräfte seien in mutmaßliche Hinterhalte gelockt worden, sagte Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik. Mit ähnlichen Eskalationen müsse man auch in diesem Jahr rechnen, hieß es von Politik und Polizei.
Steigt das Risiko von Krawallen durch den Krieg im Nahen Osten?
Die Berliner Polizei bejaht diese Frage eindeutig, die Einsatzlage werde „deutlich anspruchsvoller und komplexer“. Nach dem Angriff auf Israel und des Kriegs in Gaza könne die Stimmung in Stadtteilen mit viel muslimischer Bevölkerung zusätzlich aufgeheizt sein.
Diese Viertel – in Berlin unter anderem Teile von Neukölln – waren auch Brennpunkte der vergangenen Silvesternacht. Slowik spricht von einer „Emotionalisierung durch den Konflikt im Nahen Osten“: „Wir gehen durchaus davon aus, dass diese Emotionen auch auf der Straße ausgelebt werden.“
Wie erfolgreich war die Bestrafung von Tätern nach Silvester 2022?
Die direkte Verfolgung nach Böllerwürfen und Raketenbeschuss war für die Polizei schwierig, weil viele Randalierer im Dunkeln abtauchten. Durch die Auswertung von Videos im Internet ließen sich aber Täter identifizieren.
Nach letzten Berichten leitete die Staatsanwaltschaft 151 Ermittlungsverfahren ein. 89 Verdächtige wurden festgestellt, in 75 Verfahren wird gegen unbekannt ermittelt.
Wie hat sich die Polizei in diesem Jahr vorbereitet?
Politik und Polizei sind unter Druck, erneute Krawalle zu verhindern. Der neue Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will beweisen, dass Berlin in Sachen Sicherheit besser aufgestellt ist als zuvor mit SPD, Grünen und Linken. „Uns ist bewusst, dass die Sicherheitslage in unserer Stadt seit dem 7. Oktober noch angespannter ist, als sie schon davor war“, sagte er.
Seit Monaten ist die Polizei vorbeugend unterwegs, um mit jungen Männern und Jugendlichen in Problemkiezen zu sprechen. Begegnungen in Schulen und Jugendclubs wurden organisiert, damit aggressiven 17-Jährigen klar wird, dass in Uniform und Helm auch ein Mensch steckt.
Per Mail bat die Polizei Eltern von Schülern um Hilfe. Man arbeite Silvester, um anderen zu helfen, hieß es. „Bitte reden Sie im Vorfeld mit Ihren Kindern, dass auch wir mit Respekt und Toleranz behandelt werden und unverletzt ins neue Jahr starten möchten.“
Gibt es in der Nacht eine neue Taktik der Polizei?
„Es ist der größte Polizeieinsatz an Silvester der letzten Jahrzehnte“, sagte die Polizeipräsidentin. 2.000 bis 2.500 Polizisten aus Berlin, anderen Bundesländern und von der Bundespolizei sind zusätzlich auf den Straßen. Dazu kommen noch 500 Bundespolizisten auf S- und Fernbahnhöfen.
In den Wachen und 220 Streifenwagen sind weitere 1.000 Polizisten im Dienst. Zivilpolizisten sollen Tage vor Silvester die Lage in den Brennpunkten beobachten und Randalierer festnehmen. Die Feuerwehr wird in manchen Gegenden von Polizisten beschützt. Zusätzliche Staatsanwälte stehen bereit.
Könnte Berlin Feuerwerk eigenständig verbieten?
Nein. Zwar fordern Grüne, Umweltschützer und auch die Polizei schon lange, privates Feuerwerk zu verbieten. Die Gegenseite argumentiert, dann müssten friedliche Familien darunter leiden, dass einige Chaoten in Großstädten Straßenschlachten inszenierten.
Geregelt ist das Feuerwerk über ein Bundesgesetz, eine Änderung steht nicht an. Möglich sind in Berlin jedoch schon länger drei lokale Verbotszonen für Feuerwerk.
Zum Leidwesen von Polizei und vielen Bewohnern sind auch zahlreiche illegale Böller mit mehr Sprengstoff im Umlauf. In Polen, nur eine Stunde entfernt, werden Kracher-Sortimente ohne Prüfzeichen verkauft. Auch im Internet werden sogenannte Kugelbomben oder „Dum Bum Böller Batterien mit 200 Schuss“ angeboten.
Womit ist zu rechnen?
Trotz der vielen Maßnahmen rechnen Politik und Polizei auch in diesem Jahr wieder mit aufgeheizter Stimmung in den Problemkiezen. In einer Vier-Millionen-Stadt ließen sich „Pyroexzesse“ nicht ganz vermeiden, sagte Polizeipräsidentin Slowik. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich besorgt, dass man Silvester in manchen Städten wieder „blinde Wut und sinnlose Gewalt“ erleben müsse. (dpa/red)
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